JudikaturVfGH

G53/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
Öffentliches Recht
28. November 2024
Leitsatz

Abweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Wr VeranstaltungsG betreffend den Verfall von – im Zusammenhang mit einer Verwaltungsübertretung stehenden – Gegenständen; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz auf Grund der Möglichkeit der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zur Erzielung eines angemessenen Verhältnisses der Verfallsstrafe zum Grad des Verschuldens und der Höhe des Schadens

Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung der Ziffern- und Zeichenfolge "6," in der Wortfolge "Abs2 Z4, 5, 6, 7, 8, 9, 11" in §43 Abs9 erster Satz Wr VeranstaltungsG 2020 (Wr VG), LGBl 53/2020. Im Übrigen: Zurückweisung des Antrags.

Der Verweis der Wr Landesregierung auf Konstellationen, in denen der Verfall gemäß §43 Abs9 Wr VG auch verwaltungspolizeiliche Schutz- und Sicherungsfunktionen erfüllen mag, steht dessen Einordnung als strafrechtliche Maßnahme nicht entgegen. Ausschlaggebend sind vielmehr die Voraussetzungen des Verfalles, die in §43 Abs9 erster Satz Wr VG – mithin in einer Bestimmung mit der Überschrift "Strafbestimmungen" – geregelt sind. Angeknüpft wird nicht an eine besondere Gefährlichkeit des für verfallen zu erklärenden Gegenstandes, sondern lediglich am Zusammenhang mit einer in §43 Abs9 erster Satz Wr VG genannten Verwaltungsübertretung, weshalb dieser Verfall als (Neben-)Strafe konzipiert ist. Außerdem ist diese Rechtsfolge in §43 Abs11 Wr VG ausdrücklich als Verfallsstrafe bezeichnet.

Auch wenn der Verfall gemäß §43 Abs9 erster Satz iVm Abs2 Z6 Wr VG strafrechtlichen Charakter aufweist, trifft das Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien (VGW – LVwG) nicht zu, dass die Bestimmung ein exzessives Missverhältnis zwischen der Höhe des Verfalles und dem Grad des Verschuldens sowie der Höhe des durch die Verwaltungsübertretung bewirkten Schadens ermögliche. Schon dem Wortlaut nach zwingt §43 Abs9 Wr VG nämlich weder die Verwaltungsbehörde noch das Verwaltungsgericht, Gegenstände für verfallen zu erklären, und lässt für den Fall des Verfallsausspruches offen, welche mit einer Verwaltungsübertretung im Zusammenhang stehenden Gegenstände davon zu erfassen sind. Der Verwaltungsbehörde bzw dem LVwG ist durch §43 Abs9 Wr VG sohin ein Ermessensspielraum eingeräumt. Bei der Ausübung des Ermessens im Einzelfall ist – in Anwendung von §19 VStG – unter anderem der Grad des Verschuldens sowie die Höhe des durch die Verwaltungsübertretung bewirkten Schadens zu berücksichtigen.

Das durch §43 Abs9 erster Satz Wr VG geschaffene System ist daher – anders als etwa jenes, das durch VfSlg 10.597/1985 als verfassungswidrig aufgehoben wurde – ein flexibles. Wie auch die Wr Landesregierung in ihrer Stellungnahme darlegt, ermöglicht es und verlangt §43 Abs9 erster Satz Wr VG, bei der Beurteilung ob und inwieweit Gegenstände für verfallen zu erklären sind, die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, um ein angemessenes Verhältnis der Strafe (und damit auch des Verfalles) zum Grad des Verschuldens und zur Höhe des durch die Verwaltungsübertretung bewirkten Schadens zu erzielen.

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