E173/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Das BVwG stützt sich – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung – bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens im Wesentlichen auf die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Es begründet die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens ausschließlich mit Widersprüche zwischen Erstbefragung und behördlicher Einvernahme des Beschwerdeführers abstellt. Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Afghanistan 15 Jahre und im Zeitpunkt seiner Erstbefragung 16 Jahre alt.
Das Aussageverhalten eines Minderjährigen ist nach der Rspr der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dahingehend zu würdigen, ob und welche Angaben von ihm unter Berücksichtigung seines Alters erwartet werden können. Dabei darf nicht derselbe Maßstab wie bei erwachsenen Asylwerbern angelegt werden. Mit dem bloßen Verweis darauf, dass die Abweichung in den Angaben des Beschwerdeführers das "Kernvorbringen" seiner Fluchtgeschichte betreffe, weshalb trotz seiner Minderjährigkeit Angaben "ohne grobe Widersprüche" erwartet werden könnten, wird das BVwG diesen Vorgaben aber nicht gerecht. Auch vor diesem Hintergrund wäre die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen.