Verletzung einer Ziviltechnikerkammer im Recht auf Selbstverwaltung auf Grund der Aufhebung mehrerer Beschlüsse durch die Aufsichtsbehörde; Beschlüsse des Vorstands der Kammer zur Beauftragung eines Medienunternehmens zur Erstellung eines Kommunikationskonzeptes und die Freigabe von Budgetmitteln sind — dem eigenen Wirkungsbereich zugehörige— Maßnahmen der Interessenvertretung; Zuständigkeit der Kammer zu privatrechtlichen Rechtsgeschäften auch für Ziviltechniker außerhalb des örtlichen Bereichs der Länderkammer, wenn die Maßnahme zugleich auch die Interessen der Mitglieder der anderen Länderkammern betrifft
Die Beschwerdeführerin ist gemäß §38 ZTG 2019 als eine von vier Länderkammern neben der Bundeskammer zur beruflichen Vertretung des Standes der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker (Architekten und Ingenieurkonsulenten) berufen. Sie ist als Selbstverwaltungskörper iSd Art120a B‑VG zu qualifizieren. Nach Art120b Abs1 B‑VG besteht hinsichtlich der Aufgaben, die der Selbstverwaltungskörper im Rahmen des eigenen Wirkungsbereichs weisungsfrei besorgt, nach Maßgabe der Gesetze ein Aufsichtsrecht des Bundes oder des Landes "hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung".
Die Aufsicht über die Ziviltechnikerkammern wird gemäß §93 Abs1 ZTG 2019 vom Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (nunmehr: Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft) ausgeübt. Die belangte Behörde ist dementsprechend als zuständige Aufsichtsbehörde gemäß §93 Abs2 Z2 ZTG 2019 ua dazu berechtigt, im Rahmen einer Rechtmäßigkeitskontrolle gesetzwidrige Beschlüsse und Anordnungen der Ziviltechnikerkammer zu beheben.
Die Beschlüsse des Vorstandes der beschwerdeführenden Ziviltechnikerkammer betrafen die Beauftragung eines Medienunternehmens für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf eine geplante Novelle des Ziviltechnikergesetzes 2019 bzw die Freigabe der entsprechenden finanziellen Mittel aus Budgetmitteln der Beschwerdeführerin. Mit der genannten Willensbildung fasste die Beschwerdeführerin Beschlüsse zu privatrechtlichen Rechtsgeschäften im Dienste der Interessenvertretung. Aus Art120b Abs1 B‑VG folgt, dass die Gebietskörperschaften nicht berechtigt sind, mit den Mitteln des Aufsichtsrechtes Einfluss auf diese inhaltliche Willensbildung und -artikulation im Zuge der Interessenvertretung zu nehmen.
§39 (bzw §57) ZTG 2019 sieht für diesen Bereich der Interessenvertretung keine Zuständigkeitsverteilung vor, die es der Länderkammer verwehren würde, Maßnahmen wie die hier strittigen zu treffen.
Mit der Anknüpfung an den Kanzleisitz bzw Hauptwohnsitz der Ziviltechniker in §39 Abs1 iVm §42 Abs2 und 3 ZTG 2019 hat der Gesetzgeber unzweifelhaft einen örtlichen Bezug für den Wirkungsbereich der Ziviltechnikerkammer hergestellt. Gemäß §38 Abs2 ZTG 2019 erstreckt sich der örtliche Wirkungsbereich jeder Länderkammer auf die jeweils in §38 Abs1 ZTG 2019 angeführten Bundesländer. Mitglieder einer Länderkammer sind gemäß §42 Abs2 ZTG 2019 jene Ziviltechniker, die im örtlichen Wirkungsbereich der jeweiligen Länderkammer ihren Kanzleisitz, subsidiär ihren Wohnsitz haben. Gemäß §39 Abs1 ZTG 2019 sind die Länderkammern dazu berufen, "innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ziviltechniker wahrzunehmen und zu fördern, für die Wahrung des Standesansehens zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Ziviltechniker zu überwachen". In §39 Abs2 ZTG 2019 werden diese Aufgaben als solche des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet. In den örtlichen Wirkungsbereich der Bundeskammer fallen jene Angelegenheiten, die die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder von zwei oder mehr Länderkammern berühren. Mitglieder der Bundeskammer sind die Länderkammern.
Angesichts der nicht auf einzelne Bundesländer beschränkten Berechtigung zur Ausübung der Ziviltechnikertätigkeit wird die Repräsentation und Förderung der Interessen jener Mitglieder, die das personelle Substrat der beschwerdeführenden Länderkammer bilden, die Interessen von Angehörigen anderer Länderkammern oftmals berühren. Die Zuständigkeit der Länderkammer ist insoweit nicht auf die Vertretung solcher Interessen des Berufstandes begrenzt, die ausschließlich innerhalb des örtlichen Bereichs der Länderkammer zum Tragen kommen können. Andernfalls wäre die Zuständigkeit der Länderkammer auf eine Informations- und Servicefunktion in Bezug auf die betreffenden Dienststellen der Landesverwaltung beschränkt. Dies wäre mit der vom Gesetzgeber intendierten "dualistisch-föderalen" Zuständigkeit zur Interessenvertretung nach außen nicht in Einklang zu bringen. In den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Begriffs "örtlicher Wirkungsbereich" im Ingenieurkammergesetz, BGBl 71/1969, wird vielmehr ausgeführt, dass der "föderalistische Aufbau der Kammern in der bisherigen Weise gewahrt und zur Vertretung der gemeinsamen Interessen auf Bundesebene zusätzlich die Bundeskammer der Ziviltechniker geschaffen" werde.
Aus §39 Abs2 und §57 Abs2 ZTG 2019 ergibt sich, dass für bestimmte Aufgabenbereiche der Ziviltechnikerkammern ausschließliche Zuständigkeiten bestehen. So werden zum Beispiel für hoheitlich zu vollziehende Aufgaben, wie die Überwachung der Standespflichten, eine Zuständigkeit der Länderkammern und für die Erlassung von Standesregeln eine Zuständigkeit der Bundeskammer festgelegt. Eine derart klare Abgrenzung der Zuständigkeiten ist zur Vermeidung von einander widersprechenden rechtlichen Anordnungen gegenüber den Mitgliedern auch geboten.
Die Beschlüsse zur Beauftragung eines Medienunternehmens zur Erstellung eines Kommunikationskonzeptes und die entsprechende Freigabe von Budgetmitteln stellen nun aber Maßnahmen der Interessenvertretung dar, die in den zentralen Bereich der Interessenvertretung gegenüber dem Staat fallen. Im Lichte der Bestimmungen über die Selbstverwaltung nach Art120a bis 120c B‑VG kann das Ziviltechnikergesetz 2019 daher nicht dahingehend interpretiert werden, dass es eine der staatlichen Aufsicht unterliegende Regelung über die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundeskammer und Länderkammern trifft, der zufolge Beschlüsse wie die hier strittigen nur von der Bundeskammer getroffen werden dürften, wenn eine Maßnahme der Interessenvertretung zugleich auch die Interessen der Mitglieder der anderen Länderkammern betrifft. Eine solche Interpretation der Bestimmungen der §39 und §57 ZTG 2019 würde die Autonomie der Interessenvertretung bzw die Möglichkeit zur effektiven Interessenvertretung durch die Länderkammern in einer Weise beschränken, die dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zugesonnen werden kann.
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