JudikaturVfGH

KI1/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. September 2023

Aufhebung der Beschlüsse des Bezirksgerichtes Josefstadt (BG) vom 16.04.2021 und des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (LG) vom 14.06.2021.

Das LG sieht die ausdrückliche Zuordnung der Zuerkennung von Mobilitätsstipendien in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung durch §56d Abs5 Satz 2 StudFG ("Die Zuerkennung erfolgt im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung.") deswegen nicht für maßgeblich an, weil der Gesetzgeber in derselben Bestimmung in Satz 1 angeordnet hat, dass die Berechnung und die Zuerkennung der Mobilitätsstipendien nach den Bestimmungen der §§26 bis 51 StudFG (mit der Maßgabe, dass generell von einem erhöhten Grundbetrag der Studienbeihilfe gemäß §56 Abs2 StudFG auszugehen ist und andere Ausbildungsförderungen anzurechnen sind) erfolgt. Indem der Gesetzgeber in §56d Abs5 Satz 1 StudFG für die Zuerkennung von Mobilitätsstipendien ausdrücklich auch auf die Bestimmungen über das Verfahren zur hoheitlichen, bescheidförmigen Zuerkennung von Studienbeihilfen in den §§39 ff StudFG verwiesen habe, habe er eine entsprechende hoheitliche Zuerkennung auch der Mobilitätsstipendien angeordnet.

Damit nimmt das LG aber der Anordnung des §56d Abs5 Satz 2 StudFG jede Bedeutung und berücksichtigt nicht, dass §56d Abs5 Satz 1 StudFG - im Kontext mit Abs4 dieser Bestimmung - vor allem einmal bezweckt, für die "Berechnung" und in der Folge die Zuerkennung von Mobilitätsstipendien jene "sonstigen Voraussetzungen" für maßgeblich zu erklären, die auch für die Zuerkennung von Studienbeihilfen gelten. §56d Abs5 Satz 1 und 2 StudFG lassen sich systematisch auch dahingehend verstehen, dass Mobilitätsstipendien zwar entsprechend §56d Abs5 Satz 2 StudFG im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuerkennen sind, dafür aber die sonstigen Voraussetzungen für Studienbeihilfen ebenso maßgeblich sind wie sinngemäß die Bestimmungen über eine Antragstellung bei der (zuständigen Stipendienstelle der) Studienbeihilfenbehörde, die Verpflichtung zur Erbringung von Nachweisen über die Erfüllung der Voraussetzungen oder über die Zuerkennung der Förderung jeweils für ein Ausbildungsjahr. Wie die Berechnungsvorschriften der §§26 ff StudFG sollen erkennbar im Weiteren auch Regelungen wie diejenigen über Auszahlungstermine und über weitere Modalitäten (der Erfüllung) des Anspruches, wie sie für Studienbeihilfen geregelt sind, auch für Mobilitätsstipendien zur Anwendung kommen. Dass §56d Abs5 Satz 1 StudFG insoweit überschießend auch Bestimmungen, die ausschließlich für das behördliche Verfahren über die bescheidförmige Zuerkennung von Studienbeihilfen relevant sind, wie insbesondere die §§42 bis 45 StudFG, in seine pauschale Verweisung miteinbezieht, ist widerspruchsfreier bedeutungsreduzierend zu verstehen als §56d Abs5 Satz 2 StudFG jede Bedeutung abzusprechen.

Der VfGH hat bereits in der Vergangenheit im Zusammenhang mit nach dem StudFG zu gewährenden Stipendien klargestellt, dass bei "staatlichen Förderungen, die nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung geleistet werden, [...] die Rechtsbeziehung zwischen dem Rechtsträger des zur Gewährung solcher Förderungen [...] ermächtigten Organs und dem Bewerber um eine solche Förderung als bürgerliche Rechtssache iSd §1 JN anzusehen" ist.

Das Mobilitätsstipendium nach §56d StudFG wurde mit BGBl I 47/2008 eingeführt. Den Gesetzesmaterialien zufolge bildet es "[e]ine neue Maßnahme im Studienförderungsgesetz [...], ausgehend von der Tatsache, dass in zunehmendem Maße Studierende ein ganzes Studium außerhalb Österreichs absolvieren und dafür weder von Österreich noch von dem Staat des Studienortes eine Förderung erhalten. Außerdem berücksichtigt es die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes, wonach Studierende die für das Inland vorgesehene Studienförderung auch ins Ausland mitnehmen können sollen". Die Gesetzesmaterialien führen weiters dazu aus: "Das Verfahren (Zuerkennung über die Studienbeihilfenbehörde mit Antrag) entspricht grundsätzlich jenem für die Gewährung der Studienbeihilfe, allerdings mit dem Unterschied, dass die Zuerkennung im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung und nicht mittels Bescheid erfolgt. Die näheren Details sind daher in Richtlinien des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung zu regeln." Im Zuge weiterer Novellen des StudFG thematisieren die Gesetzesmaterialien abermals "Mobilitätsstipendien [...], die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung vergeben werden" und weisen auf den "privatrechtlichen Charakte[r] der Mobilitätsstipendien" hin.

§1 Abs1 StudFG räumt Studierenden, die ein Vollzeitstudium betreiben, einen Rechtsanspruch auf diverse Stipendien bzw Zuschüsse ein. Abs2 nennt ebenfalls zahlreiche Unterstützungsleistungen, darunter auch gemäß §1 Abs2 Z2 StudFG das Mobilitätsstipendium, deren Gewährleistung jedoch im Ermessen ("können") der Studienbeihilfenbehörde liegen. Diese Unterscheidung nach Art der Fördervergabe geht bereits auf die Stammfassung des StudFG zurück. Ihr liegt folgende Systematik zugrunde: Abs1 enthält all jene Förderungen, auf die das StudFG einen öffentlich-rechtlichen Anspruch einräumt und die deshalb im Rahmen der Hoheitsverwaltung gewährt werden. Abs2 umfasst hingegen all jene Leistungen, die in Form privatrechtlicher Vereinbarungen gewährleistet werden können. Das Mobilitätsstipendium gemäß §56d StudFG ist seit BGBl I 54/2016 in §1 Abs2 Z2 StudFG enthalten. Diese Systematik spiegelt sich auch in §35 StudFG wider, der die Zuständigkeit der Studienbeihilfenbehörde regelt. Während Abs1 die Zuständigkeit für die Erledigung von Anträgen regelt, sieht Abs2 die Zuständigkeit für die Zuerkennung für diverse Beihilfen (ua auch gemäß Z1 für das Mobilitätsstipendium) vor. Die Aufteilung der einzelnen in §35 genannten Stipendien deckt sich dabei auch weitestgehend mit deren Einteilung in §1 StudFG.

Auch der VwGH geht davon aus, dass das Mobilitätsstipendium nach §56d StudFG im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zuerkannt wird (VwSlg 18.124 A/2011).

Das BG und das LG hätten jeweils ihre Entscheidung darüber, ob dem Antragsteller Verfahrenshilfe für das von ihm formulierte Klagebegehren zu gewähren ist, unter Zugrundelegung der privatrechtlichen Qualität des Mobilitätsstipendiums treffen müssen und hätten die Abweisung des Verfahrenshilfeantrages mangels Aussicht auf Erfolg nicht unter den Annahmen aussprechen bzw bestätigen dürfen, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit schlechthin für eine solche Klage nicht zuständig sei.

Rückverweise