E3434/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Das BVwG legt §1 Z1 VertriebenenVO dahingehend aus, dass nur jene Staatsangehörigen der Ukraine ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet hätten, die am (oder nach dem) 24.02.2022 in der Ukraine anwesend waren. Damit verkennt das BVwG die Rechtslage in einem entscheidenden Punkt (E v 15.03.2023, E3249/2022): §1 Z1 VertriebenenVO gewährt Staatsangehörigen der Ukraine mit Wohnsitz in der Ukraine, die auf Grund des bewaffneten Konflikts vertrieben wurden, die also nicht an ihrem Wohnsitz bleiben können bzw die nicht an diesen Wohnsitz zurückkehren können, Schutz in Form eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet. Ob eine Person am oder nach dem 24.02.2022 in der Ukraine anwesend war, ist für die Frage des Wohnsitzes in der Ukraine nicht entscheidend. Ein ukrainischer Staatsangehöriger hat seinen Wohnsitz auch dann in der Ukraine, wenn er diesen Ort kurzzeitig verlässt, um zB einen Urlaub im Ausland zu verbringen. Auch Personen wie der Beschwerdeführer, welche die Ukraine nicht lange vor dem 24.02.2022 (hier: am 23.02.2022) verlassen haben, sind von §1 Z1 VertriebenenVO erfasst, weil sie am 24.02.2022 einen Wohnsitz in der Ukraine hatten und durch den Ausbruch des bewaffneten Konflikts aus der Ukraine vertrieben wurden.
Des Weiteren fehlt im Erkenntnis jegliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach dieser auf Grund seiner Erkrankungen von seiner Mutter, der in Österreich ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach der VertriebenenVO erteilt worden sei und mit der der Beschwerdeführer in der Ukraine und nun auch in Österreich im gemeinsamen Haushalt gelebt habe bzw lebe, finanziell und persönlich abhängig sei. Gemäß §1 Z3 iVm §2 Z3 VertriebenenVO kommt engen Verwandten der in §1 Z1 und 2 angeführten Personen, die mit diesen vor der Vertreibung in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und vollständig oder größtenteils von diesen abhängig waren, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht iSd VertriebenenVO zu.
(Vgl E v 15.03.2023, E238/2023; E v 13.06.2023, E214/2023 ua).