E948/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten und dem Zugang des Beschwerdeführers zur benötigten Medikation in Bezug auf seine posttraumatische Belastungsstörung sowie seine mittelgradige depressive Episode verweist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) auf veraltete Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation. Zudem hat es nur Erhebungen betreffend zwei der fünf vom Beschwerdeführer benötigten Medikamente getätigt, die nach den erwähnten Anfragebeantwortungen in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat erhältlich seien. Zwei neueren - zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits vorhandenen - Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation ist dagegen zu entnehmen, dass mindestens eines der vom Beschwerdeführer benötigten Medikamente weder in Herat noch in Mazar-e Sharif verfügbar sei.
Das BVwG kommt zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar sei. Nach der maßgeblichen Berichtslage ist jedoch nur leistungsfähigen Männern und verheirateten Paaren im erwerbsfähigen Alter, die jeweils keine spezifischen Vulnerabilitäten aufweisen, auch ohne Unterstützungsnetzwerk am Neuansiedelungsort eine innerstaatliche Fluchtalternative möglich und zumutbar. Solche Umstände treffen jedoch nach den Feststellungen und Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis im Hinblick auf den Beschwerdeführer gerade nicht zu: Dieser verfügt zwar über Schulbildung und Berufserfahrung, jedoch leidet er, wie das BVwG feststellt, an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer mittelgradigen depressiven Episode. Zudem ist der Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen nicht feststellbar. Weiters ist für den Beschwerdeführer mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten (Juli 2019) eine gerichtliche Erwachsenenvertretung für die Vertretung im Asylverfahren sowie vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern angeordnet worden. Die gerichtliche Erwachsenvertretung wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten zwar wieder beendet, jedoch einzig mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer von einer Bezugsbetreuerin und im Asylverfahren durch den Verein Menschenrechte Österreich unterstützt werde und er dadurch in der Lage sei, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen. Wie daher das BVwG zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig sei sowie den Geschäften des täglichen Lebens nachkommen könne, ist aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht nachvollziehbar.