JudikaturVfGH

E671/2019 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
11. Juni 2019

Eine Entscheidung wird mit der mündlichen Verkündung unabhängig von der in §29 Abs4 VwGVG geforderten Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung rechtlich existent, wenn sowohl der Inhalt einer Entscheidung als auch die Tatsache ihrer Verkündung in der Niederschrift festgehalten werden. Bereits an die Verkündung einer Entscheidung knüpfen sich daher deren Rechtswirkungen. Dazu zählt insbesondere ihre Unwiderrufbarkeit, weshalb nach der stRsp des VwGH die schriftliche Entscheidungsausfertigung nicht in einem wesentlichen Spruchelement von der verkündeten Entscheidung abweichen darf.

Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien (VGW - LVwG) vom 17.10.2018 ist eindeutig zu entnehmen, dass Gegenstand dieser Verhandlung die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die abweisende Entscheidung des Landeshauptmannes von Wien vom 08.05.2018 war und ein Erkenntnis samt Entscheidungsinhalt verkündet sowie Entscheidungsgründe dargelegt wurden. Weiters ist dieser zu entnehmen, dass die belangte Behörde als Partei anwesend war und auch der Vertreter des Beschwerdeführers, der vom VGW in der Niederschrift ausdrücklich als solcher anerkannt wurde, anwesend war. Somit wurde mit der Verkündung im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine meritorische - die Beschwerde abweisende - Entscheidung des VGW erlassen, womit auch deren Unwiderrufbarkeit einhergeht.

Auch mit dem - nach dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ausfertigung des verkündeten Erkenntnisses ergangenen und nunmehr angefochtenen - Beschluss vom 10.01.2019 sprach das VGW ausdrücklich über die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die abweisende Entscheidung des Landeshauptmannes von Wien vom 08.05.2018 ab. Dieser Beschluss weicht jedoch von der am 17.10.2018 verkündeten Entscheidung insoweit wesentlich ab, als die Beschwerde nunmehr nicht mehr abgewiesen, sondern als unzulässig zurückgewiesen wurde, weil es dem Vertreter des Beschwerdeführers (dessen Eigenschaft als Vertreter des Beschwerdeführers noch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich vom Verhandlungsleiter anerkannt worden war) an der Vertretungsbefugnis im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mangle bzw er einem entsprechenden Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen sei. Der angefochtene Beschluss ist daher nicht als schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses des VGW vom 17.10.2018 zu qualifizieren, sondern als selbständige Entscheidung zu werten.

Einer solchen neuerlichen Entscheidung steht jedoch mit dem mündlich verkündeten Erkenntnis vom 17.10.2018 dessen Unwiderrufbarkeit und Unabänderlichkeit entgegen, zumal mit diesem bereits über die Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 08.05.2018 entschieden wurde. Das VGW hat somit eine neuerliche, wesentlich abweichende Entscheidung getroffen, in der sich keine Hinweise darauf finden, dass das VGW davon ausgegangen wäre, die mündliche Verkündung des Erkenntnisses sei nicht rechtswirksam gewesen oder es liege ein Fall vor, in dem die Abänderung bereits erlassener Entscheidungen (etwa nach §32 VwGVG) zulässig wäre.

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