G606/2015 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Zulässigkeit der Individualanträge (einer Modeschmuckerzeugerin, eines Taxiunternehmers und einer Tischlerei) auf Aufhebung des §131b BAO idF des SteuerreformG 2015/2016, BGBl I 2015/118, samt den Inkrafttretensbestimmungen in §323 Abs45 leg cit.
Von den mit 01.01.2016 in Kraft getretenen gesetzlichen Bestimmungen sind die Antragsteller unmittelbar und aktuell betroffen, da diesen bereits vor dem Zeitpunkt ihrer formellen Anwendbarkeit entsprechende technische und administrative Vorkehrungen abverlangt werden, um sich gesetzeskonform zu verhalten. Dies gilt unabhängig davon, wie §131b Abs3 BAO auszulegen ist. Auch die angefochtenen Regelungen, die erst am 01.01.2017 in Kraft treten, zeitigen bereits vor ihrem Inkrafttreten insoweit Vorwirkungen, als die Antragsteller entsprechende Maßnahmen zur Einführung elektronischer Aufzeichnungssysteme zu treffen haben, die eine Bedachtnahme auf die mit BGBl I 118/2015 bereits kundgemachten, ab 01.01.2017 geltenden Spezifikationen erfordern.
Da nicht auszuschließen ist, dass die Erfüllung dieser Verpflichtungen angesichts der Vielfalt und Komplexität an technisch möglichen Lösungen mit ins Gewicht fallenden Aufwendungen verbunden ist, ist die aktuelle und unmittelbare Betroffenheit der Antragsteller zu bejahen.
Den Antragstellern steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken offen.
Die vorsätzliche Verletzung der Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems ist als Finanzordnungswidrigkeit nach §51 Abs1 litc FinStrG strafbar. Den Antragstellern ist somit nicht zumutbar, sich durch Nichtbefolgung der Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems der Gefahr einer finanzstrafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, um in weiterer Folge einen bekämpfbaren Bescheid zu erwirken.
Den Antragstellern ist zu folgen, wenn sie davon ausgehen, dass eine Aufhebung allein der Z2 des §131b Abs1 BAO die Bedenken betreffend eine Registrierkassenpflicht für Kleinunternehmer verschärfen würde, weil dann die Pflicht zur Verwendung von Registrierkassen für alle Kleinunternehmer unabhängig vom Überschreiten bestimmter Umsatzgrenzen gelten würde. Die Absätze 2 bis 5 des §131b BAO betreffen die nähere Ausgestaltung der Registrierkassenpflicht sowie die Manipulationssicherheit von Registrierkassen und stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit §131b Abs1 BAO. Soweit sich die Anträge gegen die Inkrafttretensbestimmung des §323 Abs45 BAO richten, stehen diese ebenso in einem untrennbaren Zusammenhang mit §131b BAO, zumal §131b Abs3 BAO eine Sonderregelung für den Eintritt der Verpflichtung zur Verwendung von Registrierkassen bei erstmaligem Überschreiten der Umsatzgrenzen enthält.
Kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung; keine Verletzung des Gleichheits- und des Eigentumsrechts.
Die in §131b Abs1 BAO angeordnete Einzelerfassung von Bareinnahmen durch ein elektronisches Aufzeichnungssystem ermöglicht im Zeitpunkt des Umsatzes sowohl die Erfassung von Bargeschäften als auch die Erstellung eines Beleges iSd §132a BAO. Damit werden Manipulationsmöglichkeiten verringert, zumal solche gerade durch zeitliche Verzögerungen zwischen dem Geschäftsvorfall und seiner Aufzeichnung eröffnet werden. Durch die technischen Anforderungen an den Manipulationsschutz von Registrierkassen, die eine nicht überprüfbare Veränderung von Daten nach deren Eingabe verhindern sollen, werden Manipulationsmöglichkeiten weiter reduziert.
Der Gesetzgeber geht zulässigerweise davon aus, dass bei Durchführung von Bargeschäften besondere Aufzeichnungs- und Erfassungspflichten geeignet sein können, Abgabenverkürzungen hintanzuhalten. Umsätze, bei denen der Zahlungsvorgang für sich keine für die Abgabenbehörden nachvollziehbare Dokumentation in den Geschäftsunterlagen nach sich zieht, tragen nämlich offenkundig ein höheres Risiko einer Abgabenverkürzung in sich als unbare Zahlungsvorgänge.
Vor diesem Hintergrund liegt die in §131b BAO vorgesehene Verpflichtung zur Verwendung einer Registrierkasse im öffentlichen Interesse und ist diese zur Zielerreichung geeignet.
Dem Gesetzgeber kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn er die Pflicht zur Verwendung einer Registrierkasse derart an Umsatzgrenzen knüpft, dass die Einbeziehung einer möglichst großen Zahl von Unternehmen gewährleistet ist. Der Gesetzgeber kann eine solche Pflicht - ungeachtet der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung - auch für Unternehmer mit Umsätzen von weniger als € 30.000,- vorsehen, zumal damit ein durch Umsatzverkürzungen bedingtes Unterschreiten dieser Grenze überprüfbar ist. Im Übrigen dient die Registrierkassenpflicht nicht allein der Vermeidung von Umsatzsteuerverkürzungen, sondern allgemein von Umsatzverkürzungen, wobei solche auch zu Ertragsteuerausfällen führen können.
Auch wenn Kleinunternehmen angesichts ihres geringeren Geschäftsvolumens von der Einführung abgabenrechtlicher Verpflichtungen, wie der Pflicht zur Führung einer Registrierkasse, verhältnismäßig stärker mit Aufwendungen belastet sein mögen als große Unternehmen, vermag dies in Anbetracht der Zielsetzung der Regelung nicht ihre Unverhältnismäßigkeit darzutun.
Der Eintritt der Verpflichtung zur Verwendung einer Registrierkasse ist an die Bedingung geknüpft, dass die Umsatzgrenzen (erstmalig) in einem Voranmeldungszeitraum überschritten werden, der nach dem Inkrafttreten des Gesetzes liegt. Insofern ist daher nach dem klaren Wortlaut des §131b BAO iVm §323 Abs45 BAO für den Eintritt der Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems (einer Registrierkasse) das Überschreiten der Umsatzgrenzen nach Inkrafttreten der oben genannten Bestimmungen (somit nach 01.01.2016) maßgeblich. Den insoweit entgegenstehenden Materialien kommt vor diesem Hintergrund keine Bedeutung zu.
Die Rechtsfolge der Verpflichtung zur Verwendung einer Registrierkasse tritt daher - im Falle des Überschreitens der Umsatzgrenzen im Voranmeldungszeitraum Jänner 2016 - frühestens mit 01.05.2016 ein. Die behauptete "Rückwirkung" liegt daher nicht vor.
Vor diesem Hintergrund gehen auch die von den Antragstellern gegen die Inkrafttretensbestimmung des §323 Abs45 BAO vorgebrachten Bedenken einer zu kurzen Legisvakanz des §131b BAO ins Leere.
Kein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip.
Der Begriff "Barumsätze" ist in §131b Abs1 Z3 BAO definiert als Umsätze, bei denen die Gegenleistung (Entgelt) durch Barzahlung erfolgt. Die Bundesregierung weist zutreffend darauf hin, dass der Begriff des Umsatzes an das Umsatzsteuerrecht angelehnt ist und das Vorliegen eines Leistungsaustausches beinhaltet. Dagegen ist der Begriff "Bareinnahmen" umfassender, da er auch den Zugang von Barzahlungen außerhalb eines Leistungsaustausches, wie zB Mitgliedsbeiträge oder Zuschüsse, die nicht als Gegenleistung aufgewendet werden, erfasst. Vor diesem Hintergrund erweisen sich der Begriff "Bareinnahmen" (für die gemäß §131b Abs1 Z1 BAO Registrierkassenpflicht besteht) und der Begriff "Barumsätze" (an den die Barumsatzgrenze des §131b Abs1 Z2 BAO anknüpft) als hinreichend bestimmt.
Dem Gesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er im Hinblick auf Manipulationsmöglichkeiten Bankomat- und Kreditkartenumsätze hinsichtlich der Registrierkassenpflicht und der Belegerteilungspflicht (vgl §132a Abs1 BAO) mit Barzahlungen gleichstellt.
Umsätze, bei denen die Zahlung durch Bankomat- oder Kreditkarte erfolgt, werden zwar auf einem Bankkonto des Zahlungsempfängers erfasst. Dies schließt aber nicht aus, dass es zu Manipulationen des Leistenden kommen kann, die zu einer Verschleierung der Bankverbindung führen. Die Registrierkassenpflicht für Bankomat- und Kreditkartenumsätze bedingt deren Aufnahme im Datenerfassungsprotokoll der Registrierkasse, womit für diese Umsätze Manipulationen - in Zusammenschau mit der Belegerteilungspflicht des §132a Abs1 BAO - durch "Verschleierung" von Bankkonten ausgeschlossen werden können. Insofern unterscheiden sich diese Umsätze auch von Banküberweisungen, bei denen - wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat - durch Referenzdokumente regelmäßig auf die Bankverbindung hingewiesen wird und daher ein Aufdecken von derartigen Manipulationen leichter möglich ist.