G164/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Wortfolge "oder seine Vertragserklärung" in §4 Abs1, des §14 Abs1 erster Satz, §15 Abs4 letzter Satz, §16 Abs2 sowie der Wortfolge "- auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung - " in §18 Abs1 Z1 des BG über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz - FAGG), BGBl I 33/2014.
Unmittelbare und aktuelle Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaft (Betreiberin eines Maler- und Anstreichergewerbes) gegeben; bewusster Verstoß gegen eine strafbewehrte Bestimmung und Provokation eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens nicht zumutbar; auch Provozierung eines Zivilverfahrens durch Verstoß gegen eine konsumentenschutzrechtliche Pflicht bzw Provokation eines Wettbewerbsprozesses nicht zumutbar.
Dadurch, dass die antragstellende Gesellschaft zwar §16 Abs2 FAGG und in §18 Abs1 Z1 FAGG die Wortfolge "- auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung - " angefochten hat, nicht aber (zumindest auch) die Bestimmungen des §16 Abs1 FAGG und §10 FAGG, die einen Entfall des Entgeltanspruches bereits dann vorsehen, wenn zwar die Aufklärungspflichten des §4 Abs1 Z8 und 10 FAGG erfüllt wurden, jedoch das ausdrückliche Verlangen auf vorzeitige Vertragserfüllung fehlt, hat die antragstellende Gesellschaft jedenfalls nicht alle Bestimmungen angefochten, die für die Zwecke der Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Regelungen über die Rücktrittsfolgen bei Verträgen außerhalb der Geschäftsräume eine untrennbare Einheit bilden.
Ein untrennbarer Zusammenhang besteht ferner zwischen §16 Abs2 FAGG und §15 Abs4 FAGG. Zwar behandelt §15 Abs4 FAGG die Rücktrittsfolgen bei Warenverträgen im Unterschied zu §16 Abs2 FAGG, der die Rücktrittsfolgen bei Dienstleistungsverträgen regelt, doch besteht ein untrennbarer Zusammenhang insoweit, als sich die verfassungsrechtlichen Bedenken der antragstellenden Gesellschaft auf die überschießende zivilrechtliche Rechtsfolge insgesamt richten, die durch eine fehlerhafte bzw fehlende Aufklärung auch dann entsteht, wenn - den Antragsbehauptungen zufolge wie im Fall der antragstellenden Gesellschaft - bei der Erfüllung von Dienstleistungsverträgen Waren mitverkauft werden (vgl §32 Abs1 Z10 GewO). Der zu enge Anfechtungsumfang führt daher auch zur Unzulässigkeit des Antrages, soweit er sich gegen §15 Abs4 FAGG richtet.
Der Antrag erweist sich aber auch als unzulässig, soweit er sich gegen die im Antrag bezeichnete Wortfolge "oder seine Vertragserklärung" in §4 Abs1 FAGG richtet. Aus den im Antrag geäußerten Bedenken gegen diese Wortfolge wird deutlich, dass die antragstellende Gesellschaft die behauptete Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen sowohl in der Anordnung des (aus ihrer Sicht zu frühen) Zeitpunkts der Informationspflicht als auch in den verschiedenen Rechtsfolgen des Unterbleibens einer rechtzeitigen Information des Verbrauchers in den übrigen angefochtenen Bestimmungen erblickt. Diese Rechtsfolgen treten dem Antragsvorbringen zufolge selbst dann ein, wenn der Unternehmer keine Möglichkeit hatte, den Verbraucher ordnungsgemäß aufzuklären, da eine Information nach Anbotstellung durch den Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume auf Grund der Bindung an die Offerte, nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann. Damit besteht auch zwischen §4 Abs1 FAGG und den übrigen angefochtenen Bestimmungen ein untrennbarer Zusammenhang.
Darüber hinaus hätte die antragstellende Gesellschaft nicht nur den ersten Satz, sondern den §14 Abs1 FAGG insgesamt anzufechten gehabt. Der angefochtene erste Satz des §14 Abs1 FAGG ist für das Verständnis des gesamten §14 FAGG insgesamt unentbehrlich. Der nach der Aufhebung verbleibende Rest dieser Bestimmung wäre als unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar. Die Verpflichtung zur Rückzahlung an den Verbraucher durch den Unternehmer könnte aufgehoben werden, nicht jedoch die im zweiten Satz bestimmten Modalitäten der Rückzahlung. §14 Abs1 zweiter Satz steht daher mit §14 Abs1 erster Satz FAGG in untrennbarem Zusammenhang.