JudikaturVfGH

G55/2015 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. Juni 2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich macht in seinen Anträgen auf Aufhebung des §52 Abs3 GlücksspielG - GSpG idF BGBl I 13/2014 - über die bereits im E v 10.03.2015, G203/2014 ua, geltend gemachten Bedenken hinausgehend - geltend, dass §52 Abs3 leg cit (auch) Art11 Abs2 B-VG widerspreche, weil diese Bestimmung eine von den Verwaltungsverfahrensgesetzen abweichende Regelung enthalte, die jedoch nicht iSd Art11 Abs2 B-VG erforderlich sei. Über dieses Bedenken wurde im Vorerkenntnis noch nicht abgesprochen, weshalb den Anträgen nicht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegensteht.

Zulässigkeit auch der Anträge auf Aufhebung der Wortfolge "des Landes" in §50 Abs1 GSpG idF BGBl I 70/2013.

Es besteht kein Zweifel, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich trotz Nennung einer anderen Fassung die Aufhebung der Wortfolge "des Landes" in §50 Abs1 GSpG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH in Kraft stehenden - und vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in seinen Anträgen auch wörtlich wiedergegebenen - Fassung BGBl I 70/2013 begehrt.

Zurückweisung des zu G138/2015 protokollierten Antrags auf Aufhebung des §52 Abs3 GSpG mangels denkmöglicher Anwendung in einem Verfahren betr Nichterteilung von Auskünften.

§50 Abs4 GSpG normiert eine umfassende Auskunfts- und Mitwirkungspflicht gegenüber den Organen der öffentlichen Aufsicht. Diese Bestimmung stellt jedoch nicht auf das Vorliegen eines Verdachts einer strafbaren Handlung (einer Verwaltungsübertretung nach §52 GSpG oder einer Straftat gemäß §168 StGB) ab. §52 Abs3 GSpG, der sich nur auf das Verhältnis von gerichtlicher und verwaltungsstrafbehördlicher Zuständigkeit bei Begehung einer Handlung, welche sowohl den Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach §52 GSpG als auch den Tatbestand des §168 StGB verwirklicht, bezieht, ist daher in dem beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich anhängigen Verfahren denkmöglich nicht anzuwenden.

Die gegen die Verfassungsmäßigkeit des §52 Abs3 GSpG idF BGBl I 13/2014 unter dem Blickwinkel des Art11 Abs2 B-VG erhobenen Bedenken treffen nicht zu.

Die in §22 Abs1 VStG enthaltene Subsidiaritätsregel (Vorrang des gerichtlichen Strafrechts gegenüber dem Verwaltungsstrafrecht) kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine Verwaltungsvorschrift nicht eine andere Subsidiaritätsregelung oder eine andere Regelung in Bezug auf eine (verwaltungs- und gerichts)strafrechtliche Gesetzeskonkurrenz enthält. In §52 Abs3 GSpG idF BGBl I 13/2014 macht der Materiengesetzgeber von dieser Möglichkeit in §22 Abs1 VStG Gebrauch und sieht für eine Tat, die sowohl den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach §52 GSpG als auch den Tatbestand des §168 StGB verwirklicht, vor, dass sie nach §52 GSpG zu verfolgen ist. Entgegen der Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich handelt es sich allerdings bei §52 Abs3 GSpG idF BGBl I 13/2014 nicht um eine von §22 Abs1 VStG abweichende Regelung, die hinsichtlich der Erforderlichkeit der Abweichung an Art11 Abs2 B-VG zu messen wäre, weil §22 Abs1 VStG ausdrücklich von einer einheitlichen Regelung Abstand nimmt und dem Materiengesetzgeber die Erlassung abweichender Regelungen überlässt.

Entgegen der Ansicht des antragstellenden Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich liegt in den von §50 Abs1 GSpG idF BGBl I 70/2013 erfassten Rechtssachen keine unmittelbare Bundesverwaltung vor (vgl VfSlg 19755/2013).

Der Bundesgesetzgeber hat die durch Art102 Abs2 B-VG eingeräumte Möglichkeit, Angelegenheiten des Kompetenztatbestands "Monopolwesen" in Art10 Abs1 Z4 B-VG unmittelbar durch Bundesbehörden zu vollziehen, nicht wahrgenommen und für die Vollziehung von Strafverfahren nach dem Glücksspielgesetz keine eigenen Bundesbehörden geschaffen. Bei der Vollziehung von Angelegenheiten des Glücksspielwesens durch die Bezirksverwaltungsbehörden bzw die Landespolizeidirektionen handelt es sich daher um keine Vollziehung des Bundes, die iSd Art131 Abs2 B-VG unmittelbar von Bundesbehörden besorgt wird. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder für Beschwerden gegen einen Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde bzw der Landespolizeidirektion, der auf Grund der Zuständigkeitsregelung des §50 Abs1 GSpG ergangen ist, richtet sich daher unmittelbar nach Art131 Abs1 B-VG. Diese Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder wird klarstellend in §50 Abs1 GSpG wiederholt. Aus diesem Grund bedurfte die Kundmachung des §50 Abs1 GSpG idF BGBl I 70/2013 keiner Zustimmung der Länder.

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