G199/2014 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Keine Aufhebung des §29 VwGVG, BGBl I 33/2013.
§82 Abs1 zweiter Satz VfGG idF BGBl I 33/2013 war verfassungswidrig.
Der VfGH bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss geäußerten Ansicht, dass der zweite Satz des §82 Abs1 VfGG idF BGBl I 33/2013, in seinem Zusammenwirken mit §29 VwGVG den strengen, aus dem Legalitätsprinzip des Art18 Abs1 iVm Art83 Abs2 B-VG erfließenden Anforderungen, die an die Klarheit und Verständlichkeit von Regelungen anzulegen sind, die Zuständigkeitsfestlegungen oder vergleichbar zentrale Fragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Inhalt haben, nicht entsprochen hat.
Der Gesetzgeber hat mittlerweile mit der Novelle BGBl I 92/2014 jenen zweiten Satz des §82 Abs1 VfGG einer neuerlichen Änderung unterzogen, dessen vorangehende Fassung Gegenstand dieses Prüfungsverfahrens ist. Mit dieser Änderung wurde die Sonderregel hinsichtlich des Fristenlaufes von nur mündlich verkündeten Erkenntnissen wieder aus dem Rechtsbestand entfernt. Die Materialien enthalten zwar keinen Hinweis auf die Beweggründe des Gesetzgebers, die um den aufgehobenen Satz des §82 Abs1 VfGG bereinigte Rechtslage weist angesichts des Wortlautes des §29 VwGVG nun aber nicht mehr jene Unklarheit auf, die den VfGH zu seinem Prüfungsbeschluss veranlasst hat.
Der VwGH hat mittlerweile mit E v 15.12.2014, Ro 2014/04/0068, mit näherer Begründung entschieden, dass §29 VwGVG ebenso zu verstehen sei wie die für die UVS geltende Vorgängerbestimmung des §67g AVG. Der VwGH hegt keine Zweifel, dass eine ordentliche Revision gegen einen zunächst nur mündlich verkündeten Bescheid zulässig ist.
Angesichts dessen sieht der VfGH seine Bedenken ob der hinreichenden Determinierung des §29 VwGVG zerstreut: Liest man nämlich den ersten Satz dieser Bestimmung in dem Sinne, dass damit nicht der Begriff der "Erlassung" einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung umschrieben werden sollte, sondern dass diese Bestimmung - analog zu Art82 Abs2 B-VG - lediglich eine Formvorschrift darstellt, wonach die Erlassung eines Erkenntnisses sowohl mündlich als auch schriftlich "Im Namen der Republik" vorzunehmen ist, dann liegt die vom VwGH vorgenommene Interpretation des §29 VwGVG analog zum früheren §67g AVG nahe. Damit sind die Bedenken ausgeräumt.
Im Ergebnis hat sich daher nur der in Prüfung gezogene Satz in §82 Abs1 VfGG idF BGBl I 33/2013 als Sitz der Verfassungswidrigkeit erwiesen.
(Anlassfall E163/2014, B v 20.06.2015, Ablehnung der Beschwerde).