JudikaturVfGH

U73/2014 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. September 2014

Der AsylGH ist der im E v 29.06.2013, U706/2012, (VfSlg 19777/2013) geäußerten, auf die Judikatur des EuGH gestützten Rechtsanschauung des VfGH nur insoweit gefolgt, als er in seiner Ersatzentscheidung die Vorlage der Registrierungskarte der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) durch den Beschwerdeführer als Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA ausreichen ließ.

Indem der AsylGH seiner Ersatzentscheidung keine über die bereits im ersten Verfahrensgang zur Beantwortung der Frage des Vorliegens eines Asylgrundes nach §3 AsylG 2005 gewürdigten Ermittlungen hinausgehenden Ermittlungen zur Frage des Wegfalles des Schutzes des Beschwerdeführers durch UNRWA zugrunde legt, verkennt er jedoch die vom VfGH im E v 29.06.2013, U706/2012, Rz 17, in Anlehnung an den EuGH in der Rechtssache El Kott ausdrücklich zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung, wonach es bei der Beurteilung des Wegfalles des Schutzes der UNRWA gerade nicht ausschließlich auf das Vorliegen einer individuellen Verfolgung iSd Art1 Abschnitt A der GFK ankommt. Ein Zwang zum Verlassen des Einsatzgebietes einer Organisation iSd Art12 Abs1 lita zweiter Satz Status-RL liegt nach den Ausführungen des EuGH in der Rechtssache El Kott vielmehr dann vor, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befand und es der betreffenden Organisation oder Institution unmöglich war, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der dieser Organisation oder Institution obliegenden Aufgabe im Einklang stehen. In dieser Unterscheidung von individuellen Verfolgungsgründen iSv Art1 Abschnitt A GFK liegt geradezu das Wesen des "ipso facto"-Schutzes nach Art1 Abschnitt D GFK bzw Art12 Abs1 lita Status-RL.

Weiters unterlässt es der AsylGH in der Begründung der angefochtenen Ersatzentscheidung darzutun, wie die Zumutbarkeit der Rückkehr des Beschwerdeführers in das Einsatzgebiet der UNRWA vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, zu begründen ist.

Auch hat es der AsylGH unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, ob in Bezug auf den konkreten Fall ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zur weiteren Klärung insbesondere der Abgrenzung der Gründe für das Eintreten des "ipso facto"-Schutzes nach Art12 Abs1 lita Satz 2 Status-RL bzw Art1 Abschnitt D GFK von einerseits asylrelevanten Fluchtgründen iSv Art1 Abschnitt A GFK und andererseits den Gründen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes einzuleiten wäre.

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