Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen § 133 StVG, über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 22. August 2025, GZ ** 30, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Stein eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 4. September 2024, AZ ** (rechtskräftig seit 3. Dezember 2024), wegen §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und acht Monaten (ON 6) mit errechnetem Strafende am 6. Juli 2027 (ON 4).
Mit am 22. Jänner 2025 eingelangtem Schreiben beantragte der Strafgefangene den nachträglichen Aufschub des Strafvollzugs wegen Vollzugsuntauglichkeit gemäß § 133 StVG mit der Begründung, er sei aus gesundheitlicher Sicht nicht in der Lage, seine restliche Haft „gesund zu überstehen“, er habe eine Lungenembolie gehabt und einen Harnkatheter, wobei er um Bestellung eines Gutachters ersuche, um seinen schlechten Gesundheitszustand zu bestätigen.
Nach Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Gerichtsmedizin (ON 19), einer Stellungnahme der Krankenabteilung der Justizanstalt Stein (ON 26) sowie eines Ergänzungsgutachtens des gerichtsmedizinischen Sachverständigen vom 21. August 2025 (ON 29) wies das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht mit dem bekämpften Beschluss den Antrag des Strafgefangenen ab (ON 30).
Dagegen richtet sich die fristgerechte, inhaltlich jedoch unsubstantiierte Beschwerde des Strafgefangenen (ON 35), der keine Berechtigung zukommt.
Gemäß § 133 Abs 1 StVG ist der Strafvollzug in sinngemäßer Anwendung des § 5 StVG nachträglich aufzuschieben, wenn sich nach dem Strafantritt herausstellt, dass die Einleitung des Strafvollzugs wegen Vollzugsuntauglichkeit schon vor Beginn des Strafvollzugs aufzuschieben gewesen wäre, und die dafür maßgeblichen Umstände fortbestehen. Der Zustand der Vollzugsuntauglichkeit muss daher seit der Aufnahme andauern. Eine bei Strafantritt vorhanden gewesene Krankheit rechtfertigt einen nachträglichen Strafaufschub daher nur dann, wenn sie schon beim Strafantritt Vollzugsuntauglichkeit nach § 5 StVG begründet hätte ( Drexler/Weger, StVG 5§ 133 Rz 2). Von der Regelung sind jene Fälle erfasst, in denen ein den Zwecken der Freiheitsstrafe (§ 20 StVG) entsprechender Strafvollzug aus Gründen der Gesundheit des Strafgefangenen trotz Berücksichtigung der Möglichkeiten einer Strafvollzugsortsänderung nicht durchführbar ist (§ 5 Abs 1 StVG; Pieber, WK² StVG § 133 Rz 3).
Der Strafvollzug ist gemäß § 133 Abs 2 StVG auch dann nachträglich aufzuschieben, wenn ein Strafgefangener während der Haft schwer erkrankt, einen Unfall mit schweren Folgen erleidet oder in einen sonstigen schweren körperlichen oder geistigen Schwächezustand verfällt und anzunehmen ist, dass sein Zustand mit naher Lebensgefahr verbunden ist oder für immer oder lange Zeit fortbestehen wird, wobei § 5 StVG dem Sinne nach anzuwenden ist. Erfasst werden hier jene Fälle, in denen ein Strafgefangener nach Antritt der Freiheitsstrafe, also während des Vollzugs, infolge Erkrankung, Unfall oder eines sonstigen körperlichen oder geistigen Verfalls in einen solchen gravierenden Zustand gerät, der einem dem Wesen der Freiheitsstrafe () entsprechenden Strafvollzug entgegensteht und deshalb – wäre er vor Strafantritt vorgelegen – Anlass für einen Strafaufschub nach geboten hätte (
Vollzugstauglichkeit ist demnach dann gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, den Verurteilten von der Außenwelt abzuschließen, ihn sonstigen Beschränkungen der Lebensführung zu unterwerfen und ihn erzieherisch zu beeinflussen, somit zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung zu verhelfen und ihn abzuhalten, schädlichen Neigungen nachzugeben, sowie ihm den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzuzeigen. Somit kommt es bei Beurteilung der Vollzugstauglichkeit nicht auf die Schwere der Krankheit allein, sondern auf die im Einzelfall zu beurteilende Vereinbarkeit des Zustands des Verurteilten mit dem Wesen der Freiheitsstrafe an ( Pieberin WK² StVG § 5 Rz 12).
Aus den vom Vollzugsgericht eingeholten Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. B* (ON 19) - im welchem die Stellungnahme der Anstaltsärztin sowie die beigeschaffte Krankengeschichte berücksichtigt wurde - sowie dessen Ergänzungsgutachten vom 21. August 2025 (ON 29) ergibt sich, dass der Beschwerdeführer neben einer (psychiatrisch zu beurteilenden Persönlichkeitsstörung mit ausgeprägtem querulatorisch und aggressivem Verhaltensmuster) an einem Bluthochdruckleiden, einer Blutzuckerkrankheit, Bandscheibenvorwölbungen der Lendenwirbelsäule mit Schmerzen der Wirbelsäulenregion und eingeschränkter Mobilität, einem Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose und Lungenembolie, einer Vergrößerung der Vorsteherdrüse mit zwischenzeitlich Ende März durchgeführter Operation der Vorsteherdrüse sowie einem Zustand nach mehrfachen Harnverhaltungen mit Ausweitung und der Nierenbecken und rezidivierend auftretenden entzündlichen Veränderungen der Harnwege und Nebenhoden leidet.
Während der vergangenen Monate sei A* zu zahlreichen spitalsärztlichen Untersuchungen in verschiedenen Krankenhäusern ausgeführt worden, wobei Behandlungen immer wieder aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten des Patienten abgebrochen werden mussten, wobei auch in den Justizanstalten durchgeführte ärztliche bzw fachärztliche Behandlungen, Untersuchungen sowie pflegerische Maßnahmen nur unter äußerst erschwerten Bedingungen bzw in eingeschränkter Form hätten durchgeführt werden können. Ungeachtet des Umstandes, dass der Strafgefangene empfohlene Behandlungsmaßnahmen immer wieder abgelehnt habe, habe sich der Gesundheitszustand selbst unter diesen erschwerten Bedingungen als im Wesentlichen stabil dargestellt. Sowohl die Blutgerinnselablagerungen in den Beinblutadern als auch in den Lungenschlagadern als auch die Beschwerden des Harntraktes hätten mit Erfolg behandelt werden können. Der Strafgefangene werde laufend an der Krankenabteilung betreut, wobei ihm die Teilnahme an Aktivitäten des Strafvollzugs aus ärztlicher Sicht zwar nicht möglich seien, durch den Aufenthalt in der Justizanstalt und in der Krankenabteilung jedoch eine sehr engmaschige ärztliche Untersuchung gewährleistet sei. Ein Risiko für das Auftreten von Komplikationen der Grunderkrankungen – sowohl was die Zuckerkrankheit als auch was die Harnverhaltung bzw Blutgerinnselablagerungen in den Beinblutadern und Lungenschlagadern anbelange, bestehe weiterhin, wobei jedoch eine Risikoerhöhung für das Auftreten und die mögliche Behandlung derartiger Komplikationen durch den Strafvollzug nicht gegeben sei. Aus medizinischer Sicht bestehe daher kein Einwand gegen eine Fortsetzung des Strafvollzugs, zumal in Anbetracht der Verhaltensauffälligkeiten des Strafgefangenen auch gegenüber Spitalspersonal während der stationären Aufenthalte eine umfassendere Behandlung auch unter geänderten äußeren Lebensumständen keineswegs als wahrscheinlich anzusehen sei. Aus ärztlicher Sicht sei daher unter der Voraussetzung einer weiteren Anhaltung in einer Justizanstalt mit kontinulierlicher ärztlicher Betreuung Strafvollzugstauglichkeit gegeben.
Ausgehend vom schlüssig begründeten Sachverständigengutachten sowie der Stellungnahme der Anstaltsärztin hat bereits das Erstgericht zutreffend dargelegt, dass in casu die Voraussetzungen eines nachträglichen Strafaufschubs gemäß § 133 StVG nicht gegeben sind.
Der inhaltlich nicht begründeten Beschwerde des Strafgefangenen war daher ein Erfolg zu versagen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG).
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