Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 2, 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 zweiter Fall, 15 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. September 2025, GZ ** 109, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der am ** geborene staatenlose A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Jänner 2025, GZ **42.1, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 2, 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 zweiter Fall und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.
Nach Beischaffung des Gutachtens des Univ.Doz.Dr. B* (ON 48.1) gewährte das Landesgericht für Strafsachen Wien dem Verurteilten mit Beschluss vom 14. Jänner 2025 (ON 55) gemäß § 39 Abs 1 SMG Strafaufschub bis 3. Jänner 2027, um sich den notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen (§ 11 Abs 2 SMG), und zwar einer ärztlichen Überwachung des Gesundheitszustandes, einer ärztlichen Behandlung einschließlich der Entzugsbehandlung, einer Psychotherapie, einer klinisch psychologischen Beratung und Betreuung, zunächst für eine Dauer von sechs Monaten in stationärer und anschließend in ambulanter Form, zu unterziehen. Als Beginn für den Aufschub wurde die Übernahme des Verurteilten aus der Justizanstalt Josefstadt in die stationäre Behandlung des C* am 15. Jänner 2025, 09:00 Uhr, festgesetzt. Ferner wurde dem Verurteilten aufgetragen, über den Beginn der gesundheitsbezogenen Maßnahme binnen einem Monat und über den Verlauf alle drei Monate unaufgefordert Bestätigungen vorzulegen.
Nach seiner Enthaftung am 15. Jänner 2025 (ON 60) befand sich der Verurteilte nur kurz in Vorbetreuung beim C* und legte der Therapieeinrichtung am 20. Jänner 2025 die für die ursprünglich innerhalb von zwei bis drei Wochen ab Haftentlassung geplante (siehe ON 53) stationäre Aufnahme notwendigen Dokumente vor, musste jedoch an das D* verwiesen werden, weil er aufgrund des Geburtstags seines Bruders am 11. Februar 2025 eine weitere Verschiebung des stationären Aufnahmetermins wünschte (ON 65 und ON 77).
Das D* teilte über Anfrage am 6. März 2025 mit, dass der Verurteilte am 17. Februar 2025 ein Erstgespräch mit der Vorbetreuung geführt habe und daraufhin zu weiteren regelmäßigen psychosozialen Gesprächsterminen zugewiesen worden sei, allerdings seit dem 18. Februar 2025 kein Kontakt mehr zu ihm bestehe (ON 71).
Die sodann mit 20. März 2025 an den Verurteilten ergangene förmliche Mahnung (ON 78) wurde von diesem am 3. April 2025 persönlich behoben.
Mit E Mail vom 14. April 2025 (ON 84) entschuldigte sich der Verurteilte, die gerichtlich angeordnete Therapie bislang nicht begonnen zu haben und begründete dies im Wesentlichen damit, dass er sich aufgrund des Todes eines nahen Freundes in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe. Weiters erklärte er seine Bereitschaft, nunmehr die notwendige Therapie zu beginnen. Nachweise, dass er zwischenzeitig die Therapie angetreten hätte, wurden der E Mail nicht beigelegt.
Mit E Mail vom 22. April 2025 (ON 86.2) wurde der Verurteilte daher neuerlich aufgefordert, unverzüglich eine Bestätigung über die Aufnahme oder Vorbetreuung in einer Therapieeinrichtung dem Gericht vorzulegen.
Am selben Tag langte ein Vorbetreuungsbericht des D* (ON 87) ein, in dem mitgeteilt wurde, dass sich der Verurteilte am 3. April 2025 erneut um eine stationäre Therapie in deren Einrichtung beworben habe und sich bemüht zeige, den Vereinbarungen im Rahmen der Vorbetreuung zuverlässig nachzukommen, sodass eine stationäre Aufnahme in das Therapieprogramm zugesichert werden könne.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2025 (ON 92) berichtete das D*, dass ein Aufnahmetermin in die stationäre Therapie im Mai 2025 nicht vereinbart haben könne, weil der Verurteilte den Vereinbarungen im Rahmen der Vorbetreuung nicht nachgekommen sei.
Mit Schreiben vom 5. August 2025 (ON 97) informierte das D* das Erstgericht, dass seit dem 10. Juni 2025 kein Kontakt mehr mit dem Verurteilten bestehe.
Am 5. August 2025 beantragte die Staatsanwaltschaft Wien den Widerruf des dem Verurteilten gewährten Strafaufschubs (ON 100.2).
Mit Note vom 6. August 2025 ersuchte das Landesgericht für Strafsachen Wien den im Verfahren ausgewiesenen Verteidiger Mag. Kreiner um Mitteilung, ob das Vollmachtsverhältnis zum Verurteilten im gegenständlichen Verfahren noch aufrecht sei (ON 101). Dieser gab mit Eingabe vom 11. August 2025 (ON 104) die Vollmachtsauflösung bekannt und ersuchte, sämtliche Zustellungen zu Handen des Verurteilten vorzunehmen.
Daraufhin räumte das Landesgericht für Strafsachen Wien dem Verurteilten persönlich die Möglichkeit ein, zu dem von der Staatsanwaltschaft Wien beantragten Widerruf des gewährten Strafaufschubes gemäß § 39 SMG binnen 14 Tagen Stellung zu beziehen (ON 105). Das bezughabende Schreiben wurde dem Verurteilten per Adresse **, am 14. August 2025 durch Hinterlegung zugestellt, von diesem jedoch nicht behoben (ON 108).
Mit Eingabe vom 2. September 2025 gab der Verurteilte bekannt, dass er erneut Rechtsanwalt Mag. Kreiner mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt habe, und stellte einen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht (ON 106). Die Freischaltung der Akteneinsicht erfolgte am 2. September 2025 (ON 107).
Mit dem angefochtenen Beschluss widerrief das Erstgericht den Strafaufschub gemäß § 39 Abs 4 Z 1 SMG (ON 109).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten (ON 113), die im Wesentlichen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs mangels Gelegenheit zur Stellungnahme durch den ausgewiesenen Verteidiger moniert und mit dem Hinweis auf die weiterhin bestehende Therapiewilligkeit die Aufhebung des Beschlusses anstrebt.
Gemäß § 39 Abs 4 Z 1 SMG ist der Aufschub zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, zu der er sich gemäß Abs 1 Z 1 leg. cit. bereit erklärt hat, nicht unterzieht oder es unterlässt, sich ihr weiterhin zu unterziehen, und der Vollzug der Freiheitsstrafe geboten erscheint, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.
Voraussetzung für den Widerruf ist die Therapieunwilligkeit, die sich nach außen hin durch konsequente Weigerung des Antritts der Therapie (erster Fall) oder einen dauerhaften Abbruch der gesundheitsbezogenen Maßnahme nach begonnener Behandlung (zweiter Fall) zeigen muss, wobei in beiden Fällen eine gewisse Beharrlichkeit der Therapieverweigerung zu verlangen ist ( Schweighofer in Höpfel/Ratz, WK² SMG § 39 Rz 40; Oshidari in Hinterhofer (Hrsg), Suchtmittelgesetz 2(2018) zu § 39 SMG Rz 46). Zusätzlich muss der Vollzug der Freiheitsstrafe im konkreten Einzelfall auch spezialpräventiv geboten sein.
Vereinzelte und vorübergehende Rückfälle, die für Suchtgiftabhängige geradezu typisch sind und daher in Maßen, wie auch bei anderen chronischen Erkrankten akzeptiert werden müssen, verwirklichen nicht einmal die Grundvoraussetzung der Therapieunwilligkeit und machen daher den Widerruf auch spezialpräventiv nicht erforderlich ( Schweighofer aaO Rz 46). Allenfalls ist der Betroffene vom Gericht zu ermahnen und ihm die Fortsetzung der gesundheitsbezogenen Maßnahme nachdrücklich nahezulegen ( Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 39 Rz 34). Erst wenn dieser Appell erfolglos bleibt, kann von einem dauerhaften Abbruch gesprochen werden ( Schweighofer aaO Rz 41 mwN).
Unter Berücksichtigung der Chronologie der Ereignisse seit Gewährung des Strafaufschubs ist gegenständlich allerdings von einem solchen Fall konsequenter Verweigerung der Absolvierung der erforderlichen (stationären) Suchtgiftentwöhnungsbehandlung auszugehen. Denn der Beschwerdeführer trat die stationäre Therapie ungeachtet der mehr als neun Monate zurückliegenden Haftentlassung und des Auftrags, binnen einem Monat über den Beginn eine Bestätigung vorzulegen, überhaupt nicht an und begründete dies zunächst mit persönlichen Gründen (Geburtstagsfeier des Bruders; Tod eines nahen Freundes), brach jedoch sodann trotz vorangegangener förmlicher Mahnung neuerlich das Vorbetreuungsprogramm zur stationären Therapieaufnahme mit
An diesem Kalkül vermögen auch die unbelegten Behauptungen des Beschwerdeführers, er habe aufgrund seines Gesundheitszustandes keinen Kontakt mit der Therapieeinrichtung halten können, befinde sich „ derzeit bzw. seit Längerem “ in der Klinik E* und es sei zwischenzeitlich neuerlich mit dem D* Kontakt aufgenommen worden, um die Vorbetreuung des Verurteilten fortzusetzen, nichts zu ändern.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat auch das Erstgericht dem zum damaligen Zeitpunkt anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt (siehe ON 104 und ON 105), sich zu dem von der Staatsanwaltschaft Wien beantragten Widerruf des Strafaufschubs zu äußern. Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer auch im Rahmen des keinem Neuerungsverbot unterliegenden Beschwerdeverfahrens Gelegenheit, ausführlich zum Widerrufsantrag Stellung zu beziehen (vgl RISJustiz RS0129510), sodass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vorliegt.
Im Hinblick auf die in seinem Gesamtverhalten zum Ausdruck gebrachte mangelnde Bereitschaft des Verurteilten, sein Suchtproblems (Polytoxikomanie [ICD 10, F 19]) mit Hilfe einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme zu bewältigen, sowie der bereits wiederholt einschlägigen Vermögensdelinquenz (vgl. Strafregisterauskunft ON 5 des Bs Akts) teilt das Beschwerdegericht die Einschätzung des Erstgerichts, dass es auch des Vollzugs der Freiheitsstrafe bedarf, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Straftatensowohl nach dem SMG als auch zwecks Beschaffung von Suchtmitteln abzuhalten.
Der Beschwerde gegen den der Sach und Rechtslage entsprechenden Beschluss war somit der Erfolg zu versagen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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