Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache der A*wegen Erwirkung der Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat gemäß § 42 EU-JZG über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. Mai 2025, GZ ** 238, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die am ** geborene slowakische Staatsangehörige A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Dezember 2022, GZ **138, im Strafausspruch korrigiert durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 3. August 2023, AZ 23 Bs 184/23m (ON 186), wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt, welche sie derzeit in der Justizanstalt Schwarzau verbüßt.
Mit Schreiben vom 9. September 2024 ersuchte das Amtsgericht Tyrnau (Trnava) anlässlich des Ersuchens der österreichischen Behörden um Übernahme der Strafvollstreckung vom 19. Jänner 2024 um Zustimmung zur (richtig:) Strafverfolgung der Betroffenen wegen des Vergehens der „illegalen Verwahrung eines Rauschgiftstoffs und psychotropen Stoffs“ nach § 172 Abs 2 und 3 des slowakischen Strafgesetzbuchs (ON 227 samt unjournalisiertem Anhang).
Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht die Erweiterung der Strafverfolgung der Verurteilten A* aufgrund des im genannten Ersuchens angeführten Tatverdachts betreffend den Besitz der angeführten Stoffe bis zum 30. September 2021 bis vier Uhr Früh in **.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde der nach wie vor in österreichischer Strafhaft befindlichen Betroffenen, welche den Tatvorwurf insofern bestreitet, als sie das Suchtgift bloß für den Eigenkonsum besessen habe (ON 244).
Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.
Vorweg ist zur Rechtsmittellegitimation auszuführen, dass § 42f EU-JZG im Gegensatz zu den §§ 41b Abs 5 und 42b Abs 7a leg cit keine Rechtsmittelmöglichkeit enthält, jedoch angesichts der gerichtlichen Entscheidung und deren Tragweite aufgrund der subsidiären Geltung der Strafprozessordnung eine Beschwerde an das übergeordnete Oberlandesgericht möglich ist ( Hinterhofer in WK 2EU-JZG § 1 Rz 17; OLG Wien AZ 22 Bs 117/14p, 22 Bs 156/22k).
Weiters ist klarzustellen, dass gemäß § 42f Abs 2 EU-JZG das Ersuchen der zuständigen Behörde des Vollstre- ckungsstaats die in Betracht kommenden Angaben eines Europäischen Haftbefehls nach Anhang II des EU-JZG zu enthalten hat ( Hinterhofer aaO § 42f Rz 8).
Entgegen § 30 Abs 1 EU-JZG ist die Verwendung des Formblatts laut Anhang II jedoch nicht zwingend geboten (vgl. auch Hinterhofer aaO § 30 Rz 3 im Umkehrschluss; OLG Wien, AZ 22 Bs 156/22k).
Inhaltlich ist auszuführen, dass § 42f EU-JZG grundsätzlich der Umsetzung des Spezialitätsgrundsatzes nach Artikel 18 Abs 1 RB FS - Vollstreckung dient, wonach das Gericht, dessen Urteil bei Einlangen des Ersuchens voll- streckt wird, über Ersuchen der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats seine Zustimmung zur Verfolgung oder Verurteilung des Betroffenen wegen einer vor der Übergabe begangenen anderen strafbaren Handlung als derjenigen, die der Überstellung zugrundeliegt, erteilen kann ( Hin- terhofer aaO § 42f Rz 1 ff).
In Übereinstimmung mit der Oberstaatsanwaltschaft Wien ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen nach § 42f Abs 1 und 2 EU-JZG vorliegen, weil - von der Beschwerdeführerin nicht kritisiert - beiderseitige Strafbarkeit gegeben ist und das slowakische Ersuchen die notwendigen Angaben eines Europäischen Haftbefehls nach Anhang II./ des EU-JZG enthält.
Darüber hinaus ist der Oberstaatsanwaltschaft Wien darin beizupflichten, dass im Hinblick auf die den gleichen Sachverhalt betreffende bewilligte Übergabe seitens des Erstgerichts vom 8. November 2022, AZ **, von einem identen Entscheidungsgegenstand auszugehen ist bzw. im Hinblick auf die bereits bewilligte Übergabe bei objektiver Betrachtung die Durchbrechung des Grundsatzes der Spezialität bereits seitens des damals zuständigen österreichischen Gerichts bewilligt wurde.
Jedoch ist im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 25. Juli 2018, AZ C-268/17 (zwar betreffend den Fall eines Europäischen Haftbefehls, inhaltlich aber übertragbar), festzuhalten, dass bei europarechtskonformer Interpretation des Artikels 8 des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Urteilen in Strafsachen, durch die eine Freiheitsentziehung der Strafe oder Maßnahme verhängt wird - gleich wie Artikel 1 Abs 2 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl - eine Entscheidungspflicht über einen entsprechenden Antrag auslöst, wobei eine Ablehnung nur bei Vorliegen eines in Artikel 9 genannten Grundes für die Versagung der Anerkennung gegeben ist.
Ausgehend davon lag daher - trotz der bereits bewilligten Übergabe zur Strafverfolgung - eine Entscheidungspflicht des Erstgerichts im Sinne des § 42f EU-JZG vor.
Die im Rechtsmittel angeführten substanzlosen Behauptungen hinsichtlich des Motivs für den Besitz der Suchtmittel in der Slowakei stellen jedoch kein Übergabehindernis dar, weil von jenem Sachverhalt auszugehen ist, der im Ersuchen zur Darstellung gebracht wurde.
Darüber hinaus ist anzumerken, das vorliegend erst ein Strafverfahren in der Slowakei abgeführt werden soll, in dem es noch zu klären gilt, ob bzw. welches strafbare Verhalten von der Rechtsmittelwerberin gesetzt wurde (Strafverfolgung).
Dem Rechtsmittel gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Rechtsmittelbelehrung :
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden