JudikaturOLG Wien

8Ra50/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
29. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Zacek als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Zechmeister und die Richterin Dr. Heissenberger, LL.M., (Dreiersenat gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, **, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , **, Deutschland, vertreten durch Edthaler Leitner-Bommer Schmieder Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen EUR 30.252,37 brutto samt Anhang, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.4.2025, **-21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.884,12 (darin enthalten EUR 314,02 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Zwischen den Streitteilen bestand seit 01.06.2016 ein Dienstverhältnis, welches seitens der Beklagten mit Schreiben vom 13.02.2024 beendet wurde.

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in ** in Österreich, die Beklagte ihren Sitz in ** in Deutschland. Der Kläger war bei der Beklagten als Key Account Manager für medizintechnische Schleifringe beschäftigt. Seine Tätigkeit bestand vorrangig darin, international Kunden zu betreuen und zu akquirieren.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger EUR 30.252,37 brutto sA an offenen Forderungen aus diesem Dienstverhältnis. Er brachte im Wesentlichen vor, dass das Dienstverhältnis durch Kündigung der Beklagten unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist zum 31.05.2024 geendet habe. Die Beklagte schulde daher die Monatsgehälter für März 2024, April 2024 und Mai 2024 á EUR 8.500,- brutto und einen Urlaubsersatzanspruch von EUR 4.752,37 brutto für nicht verbrauchte Urlaubstage aus dem Jahr 2024 im Ausmaß von 12,46 Tagen.

Die Beklagte erhob die Einrede der internationalen Unzuständigkeit. Sie brachte zusammengefasst vor, der gewöhnliche Arbeitsort des Klägers sei nicht in Österreich gelegen. Der Kläger habe dort nicht zumindest 60 % seiner Arbeitszeit geleistet.

Der Kläger replizierte, dass sein gewöhnlicher Arbeitsort in Österreich gelegen sei. Er habe den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen in Österreich erfüllt. Er habe in seiner Wohnung in Österreich über ein eingerichtetes Büro verfügt. Dessen Infrastruktur, insbesondere ein Dienstlaptop, sei von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden. Er habe seine Tätigkeit einschließlich aller Dienstreisen von Österreich aus organisiert. Er habe jede Dienstreise aus Österreich angetreten und und sei nach jeder Dienstreise wieder nach Österreich zurückgekehrt. Die Dienstreisen habe die Beklagte ausdrücklich angeordnet.

Das Erstgericht stellte folgenden (weiteren) Sachverhalt fest:

„Der Kläger leistete nicht zumindest 60 % seiner gesamten Arbeitszeit in Österreich. Der Kläger betreute vorrangig Kunden aus China. Arbeitete der Kläger nicht im Home Office an seinem Wohnsitz, übte der Kläger seine Tätigkeit entweder beim Kunden, auf internationalen Messen oder in Deutschland aus, wobei er, wenn er nicht gerade persönlichen Kundenkontakt hatte, dieselbe Tätigkeit ausübte wie im Home Office. Die beklagte Partei stellte dem Kläger jedenfalls einen Laptop, ein Handy einschließlich der Nutzung von mobilem Internet, einschließlich Roaming, und Druckerpatronen zur Verfügung. Ob der Kläger auch Monitore, einen Drucker und einen Schreibtisch von der beklagten Partei für sein Büro an seinem Wohnsitz zur Verfügung gestellt bekam, kann nicht festgestellt werden.“

Rechtlich begründete das Erstgericht seine Entscheidung wie folgt:

Gemäß Art 21 Abs 1 lit b (i) EuGVVO könne ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats habe, vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz habe, verklagt werden, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte oder zuletzt gewöhnlich verrichtet habe. Wenn der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses bisweilen in verschiedenen Staaten arbeite bzw gearbeitet habe, sei als gewöhnlicher Arbeitsort jener Ort anzusehen, den der Arbeitnehmer zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit gemacht habe oder an dem er oder von dem aus er den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber erfüllt habe. Er liege also dort, wo der Schwerpunkt der Leistungen des Arbeitnehmers erbracht werde bzw worden sei. Entscheidendes Kriterium sei dabei die Zeit, die der Arbeitnehmer in Ausübung seiner vertraglichen Tätigkeit an bestimmten Orten oder in bestimmten Staaten verbringe. Der gewöhnliche Arbeitsort liege demnach an jenem Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit für den Arbeitgeber geleistet habe. Zur Bestimmung des Ortes, an dem der Arbeitnehmer den bedeutendsten Teil seiner Arbeit geleistet habe, sei grundsätzlich der gesamte Zeitraum der Tätigkeit des Arbeitnehmers heranzuziehen. Als Faustregel gelte, dass der Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Arbeitsort an jenem Ort habe, an dem er 60% seiner Arbeitszeit und mehr verbringe bzw vertragsgemäß verbringen solle. Daher stelle, wenn der Arbeitnehmer etwa ein Drittel seiner Arbeitszeit auch in anderen Mitgliedstaaten tätig sei, das Büro des Arbeitnehmers, wohin er auch nach Arbeitsaufenthalten im Ausland immer wieder zurückkehre und den größten Teil seiner Arbeitszeit (mindestens 60%) verbringe, seinen gewöhnlichen Arbeitsort dar.

Nach dem Sachverhalt habe der Kläger jedoch nicht mindestens 60 % seiner Arbeitszeit in Österreich verbracht. Demnach liege der gewöhnlichen Arbeitsort nicht in Österreich und damit keine internationale Zuständigkeit Österreichs vor. Die Klage sei daher zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich rechtlicher Feststellungsmängel mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, „dass die Einrede der internationalen Zuständigkeit der beklagten Partei verworfen wird und das Landesgericht Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht international zuständig ist“. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

Der Kläger führt in seinem Rekurs aus, das Erstgericht ziehe aus der Feststellung, dass er nicht zumindest 60% seiner gesamten Arbeitszeit in Österreich geleistet habe, den rechtlich unrichtigen Schluss, dass sein gewöhnlicher Arbeitsort nicht in Österreich gelegen sei. Der EuGH habe zum Begriff des gewöhnlichen Arbeitsorts mehrfach entschieden, dass dieser nicht einer starren, prozentuellen Bewertung zugänglich sei, sondern autonom und funktional auszulegen sei (vgl. EuGH 10.4.2003, C 437/00). Die vom Erstgericht ins Treffen geführten 60% entrichteter Arbeitszeit im Inland seien lediglich eine von der Lehre entwickelte Faustformel, aber keine starre Hürde, die für die Begründung des gewöhnlichen Arbeitsortes zwingend überschritten werden müsse. Werde die 60-Prozent-Hürde überschritten, sei von einem gewöhnlichen Arbeitsort im Inland auszugehen. Werde sie unterschritten, bedeute dies aber noch nicht automatisch, dass kein gewöhnlicher Arbeitsort im Inland vorliege. Als gewöhnlicher Arbeitsort sei dann richtigerweise jener Ort anzusehen, an dem der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber erfülle (vgl. 8 ObA 33/08y). Das sei jener Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit geleistet habe (vgl. EuGH 27.2.2002, C-37/00).

Als Kriterien für die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts seien auch zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben von einem Büro in einem Vertragsstaat aus erfüllt habe, wo er seinen Wohnsitz begründet habe, von wo er seinen Tätigkeiten nachgegangen und wohin er nach jeder Geschäftsreise zurückgekehrt sei (vgl. 8 Ob 33/08y). Indem das Erstgericht diese heranzuziehenden Kriterien nicht berücksichtigt habe, sondern lediglich darauf abgestellt habe, dass der Kläger nicht zumindest 60% seiner Arbeitszeit in Österreich geleistet habe, sei der Beschluss rechtlich unrichtig beurteilt worden.

Es lägen auch rechtliche Feststellungsmängel vor. Aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung habe das Erstgericht keine Feststellung getroffen, wo der Kläger den größten Teil seiner Arbeitszeit geleistet habe, von wo er seinen Tätigkeiten nachgegangen sei, wohin er nach jeder Geschäftsreise zurückgekehrt sei und an oder von welchem Ort der Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten tatsächlich erfüllt habe. Im Hinblick auf den gewöhnlichen Arbeitsort des Klägers wären diese Feststellungen für eine abschließende rechtliche Beurteilung notwendig gewesen, weil sich aus ihnen ergeben hätte, dass der Kläger den größten Teil seiner Arbeitszeit in Österreich geleistet habe. Der Mangel dieser Feststellung führe dazu, dass das Erstgericht nicht abschließend beurteilen habe können, dass der gewöhnliche Arbeitsort des Klägers in Österreich gelegen sei. Außerdem habe das Erstgericht nicht festgestellt, welchen Anteil seiner Arbeitszeit der Kläger in Österreich, in Deutschland oder im Ausland geleistet habe. Diese Feststellung sei aber deshalb notwendig gewesen, weil das Erstgericht für die prozentuale Berechnung der geleisteten Arbeit des Klägers ausschließlich auf das Verhältnis der geleisteten Arbeit zwischen Österreich und Deutschland abzustellen gehabt hätte. Im Anstellungsvertrag (Beilage ./2) sei zwar festgehalten worden, dass der Arbeitsort des Klägers in ** (Deutschland) sei und der Kläger an seinen Wohnstandorten in Österreich und China zu Home Office berechtigt sei, jedoch habe das Erstgericht zutreffend festgestellt, dass der Kläger seinen Wohnsitz in ** in Österreich und nicht auch – wie im Anstellungsvertrag unrichtig angeführt – in China gehabt habe. Seine Tätigkeiten in China seien daher keine Home Office-Tätigkeiten, sondern von der Beklagten angeordnete Dienstreisen gewesen, die keine Änderung des Arbeitsorts bewirkt hätten und daher für die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts nicht zu berücksichtigen seien, vom Erstgericht aber zu Unrecht berücksichtigt worden seien.

Ein Vergleich zwischen der geleisteten Arbeit in Österreich und der geleisteten Arbeit in Deutschland zeige ein klares Bild: Nach dem Vorbringen der Beklagten habe der Kläger 994 Tage seiner Arbeit in Österreich und 378 Tage seiner Arbeit in Deutschland geleistet. Dies entspreche einem Verhältnis von rund 72% an geleisteter Arbeit in Österreich zu rund 28% an geleisteter Arbeit in Deutschland. Hätte das Erstgericht diese Feststellung getroffen, wäre es rechtlich zu dem Schluss gekommen, dass der gewöhnliche Arbeitsort des Klägers in Österreich gelegen und die internationale Zuständigkeit Österreichs begründet sei.

Die Beklagte führt in ihrer Rekursbeantwortung zusammengefasst aus, dass das Erstgericht den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt habe. Der Kläger habe weniger als 60% seiner Arbeitszeit in Österreich verrichtet. Auch sonst finde sich kein Anknüpfungspunkt für eine internationale Zuständigkeit in Österreich. Das Landesgericht Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht sei international unzuständig. Dem Kläger stehe es weiterhin offen, den Gerichtsstand des Art 21 Abs 1 lit a EuGVVO 2012 in Anspruch zu nehmen und seine ehemalige Arbeitgeberin, die Beklagte, am zuständigen Arbeits- und Sozialgericht in Deutschland zu klagen.

Das Rekursgericht hat dazu Folgendes erwogen:

Die wesentliche Rechtsfrage des Rekursverfahrens ist, ob das Erstgericht international zuständig ist, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des Gerichtsstands des § 21 Abs 1 lit b (i) der Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden kurz: EuGVVO 2012) erfüllt sind.

Nach dieser Bestimmung kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats (wie hier die Beklagte in Deutschland) hat, in einem anderen Mitgliedsstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, „verklagt“ werden.

Soweit ersichtlich, gibt es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung dieser Bestimmung. Jedoch gibt es Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Vorgängerbestimmung des Art 21 EuGVVO 2012, nämlich zu Art 19 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden kurz: EuGVVO alt).

Gemäß Art 19 Nr 1 EuGVVO alt kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, vor den Gerichten des Mitgliedsstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, „verklagt“ werden. Gemäß Art 19 Nr 2 EuGVVO alt kann der Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (lit a).

Ein Vergleich der wiedergegebenen Bestimmungen der EuGVVO 2012 und der EuGVVO alt zeigt, dass diese beiden Bestimmungen im wesentlichen inhaltsgleich sind. Die Judikatur zu Art 19 Nr 2 lit a EuGVVO alt kann somit unmittelbar herangezogen werden, zumal nach der Rechtsprechung des EuGH und des OGH zu Art 19 Nr 2 lit a EuGVVO alt auch auf den Ort abgestellt wurde, „von dem aus“ die Arbeit gewöhnlich verrichtet wurde, und es damit insofern durch Art 21 Abs 1 lit b (i) EuGVVO 2012 zu keiner Änderung der Rechtslage kam (Näheres dazu siehe unten sowie Simotta in Fasching / Konecny 3 V/1 Art 21 EuGVVO 2012 Rz 22 ff mwN [Stand 30.6.2022, rdb.at]; vgl auch 8 ObA 33/08y und 9 ObA 52/08z sowie die dort jeweils zitierte EuGH-Judikatur).

Soweit für das Berufungsgericht ersichtlich, gibt es hinsichtlich der Bestimmung des Art 19 Nr 2 EuGVVO alt zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, und zwar 8 ObA 33/08y und 9 ObA 52/08z .

Nach dieser Rechtsprechung bestimmt sich der autonom auszulegende Begriff des gewöhnlichen Arbeitsortes im Sinne des Art 19 Nr 2 lit a EuGVVO alt nach jenem Ort, an dem der Arbeitnehmer die mit seinem Arbeitgeber vereinbarten Tätigkeiten tatsächlich ausübt. Erfüllt der Arbeitnehmer die Verpflichtungen aus seinem Arbeitsvertrag in mehreren Staaten, so ist als maßgeblicher Ort jener anzusehen, an dem oder von dem auser unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen („mindestens 60%“) gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt (RIS-Justiz RS0123859; 8 ObA 33/08y; 9 ObA 52/08z). Dabei ist grundsätzlich die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Bestimmung des Ortes, an dem der Betroffene im Sinne der genannten Vorschrift gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat, zu berücksichtigen. Mangels anderer Kriterien ist das der Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit geleistet hat (RS0123859 [T2]; 9 ObA 52/08z).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung zeigt sich, dass die Faustregel, wonach der Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Arbeitsort an jenem Ort hat, an dem er 60% seiner Arbeitszeit und mehr verbringt bzw. vertragsgemäß erbringen soll, nicht nur eine „Faustregel der Lehre“ ist, sondern auch vom Obersten Gerichtshof herangezogen wird (vgl. RS0123859). Nach den erstgerichtlichen Feststellungen leistete der Kläger nicht zumindest 60% seiner gesamten Arbeitszeit in Österreich. Damit kann ein gewöhnlicher Arbeitsort des Klägers in Österreich mit der Begründung, dass er hier den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt hat, nicht begründet werden.

Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts kann auch nicht damit begründet werden, dass das „Home Office“ des Klägers an seinem Wohnsitz in **, als „Büro“ zu qualifizieren ist, von dem aus er seine Arbeit für seinen Arbeitgeber organisiert und von dem aus er seine Geschäftsreisen unternimmt und wohin er danach wieder zurückkehrt (Näheres dazu siehe Simotta aaO Rz 24 ff mwN).

Zunächst ist dazu klarstellend nochmals festzuhalten, dass nach den erstgerichtlichen Feststellungen der Kläger in seinem Home Office in ** nicht den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt hat. Darüber hinaus ist trotz dieser Home Office-Tätigkeit des Klägers an seinem Wohnsitz in ** dieser Wohnsitz nicht als sein „Büro“ und daraus resultierend auch nicht als sein gewöhnlicher Arbeitsort zu qualifizieren. Es wird zwar vertreten, dass dann, wenn bei internationaler Tätigkeit eines Arbeitnehmers die Arbeit mit Hilfe eines Computers (Laptops) von zu Hause aus verrichtet und danach die Ergebnisse dem Arbeitgeber digital übermittelt werden, der Arbeitnehmer (Telearbeiter) am Standort des Computers seinen gewöhnlichen Arbeitsort, das heißt in seiner eigenen Wohnung hat (Näheres dazu Simotta aaO Rz 51 mwN). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht vor.

Vielmehr ist hier ein Fall eines sogenannten „mobilen Arbeitnehmers“ gegeben, der seine Arbeit vom Notebook aus und über mobiles Internet verrichtet. Solche „mobilen Arbeitnehmer“ haben nach herrschender Auffassung keinen gewöhnlichen Arbeitsort, ihnen bleibt nur der Gerichtsstand der einstellenden Niederlassung gemäß Art 21 Abs 1 lit b (ii) EuGVVO 2012 (vgl Simotta aaO Rz 52 mwN). Beim Kläger handelte es sich nach den erstgerichtlichen Feststellungen um einen solchen „mobilen Arbeitnehmer“ und nicht um einen „Telearbeiter“ im aufgezeigten Sinn. In diesem Zusammenhang sind folgende erstgerichtlichen Feststellungen besonders hervorzuheben:

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in **, somit in Österreich, die Beklagte ihren Sitz in ** in Deutschland. Der Kläger war als Key Account Manager für medizintechnische Schleifringe beschäftigt. Seine Tätigkeit bestand vorrangig darin, international Kunden zu betreuen und zu akquirieren. Der Kläger leistete nicht zumindest 60% seiner gesamten Arbeitszeit in Österreich. Er betreute vorrangig Kunden aus China. Arbeitete der Kläger nicht im Home Office an seinem Wohnsitz, übte er seine Tätigkeit entweder beim Kunden, auf internationalen Messen oder in Deutschland aus, wobei er, wenn er nicht gerade persönlichen Kundenkontakt hatte, dieselbe Tätigkeit ausübte wie im Home Office . Die Beklagte stellte dem Kläger jedenfalls einen Laptop, ein Handy einschließlich der Nutzung von mobilem Internet, einschließlich Roaming, und Druckerpatronen zur Verfügung. Ob der Kläger auch Monitore, einen Drucker und einen Schreibtisch von der Beklagten für sein Büro an seinem Wohnsitz zur Verfügung gestellt bekam, kann nicht festgestellt werden.

Ausgehend von diesen Feststellungen zeigt sich, dass der Kläger – lässt man seine persönlichen Kundenkontakte außer Betracht - in seinem Home Office an seinem Wohnsitz in ** keine anderen Tätigkeiten ausübte wie bei seinen sonstigen Tätigkeiten außerhalb Österreichs. Vom Erstgericht konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte dem Kläger Monitore, einen Drucker und einen Schreibtisch für sein Home Office an seinem Wohnsitz zur Verfügung gestellt hätte. Es liegen somit keine Kriterien vor, die dafür sprechen würden, dass durch die Home Office-Tätigkeiten des Klägers an seinem Wohnsitz in C* dieses als „Büro“, von dem aus der Kläger gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hätte, anzusehen wäre. Demzufolge kann daraus nicht abgeleitet werden, dass sein Wohnsitz als sein gewöhnlicher Arbeitsort anzusehen wäre.

Vielmehr lag hier ein Fall eines – wie oben näher beschrieben - „mobilen Arbeitnehmers“ vor, der seine Arbeit vom Notebook aus und über mobiles Internet verrichtete, weshalb der Kläger über keinen gewöhnlichen Arbeitsort im Sinne des Art 21 Abs 1 lit b EuGVVO 2012 verfügte. Ausgehend davon liegen auch die vom Rekurswerber monierten Feststellungsmängel nicht vor.

Auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen ist der Wohnsitz des Klägers in ** auch nicht als sogenannte „base rule“ zu qualifizieren. Nach Art 21 Abs 1 lit b (i) EuGVVO 2012 kann, wenn sich der Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (hat), nicht ermitteln lässt, zur Begründung der Zuständigkeit in Arbeitssachen subsidiär auch an den Ort, von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (sogenannte „base rule“), angeknüpft werden. Diese Regelung spielt vor allem im Transportwesen eine Rolle (Näheres dazu siehe Simotta aaO Rz 22 ff mwN). Da der Kläger nicht im Transportwesen tätig war, sind die vom EuGH in diesem Zusammenhang für das Transportwesen entwickelten Kriterien nicht passend. Vielmehr handelte es sich beim Kläger – wie oben bereits näher aufgezeigt wurde – um einen sogenannten „mobilen Arbeitnehmer“, der seine Arbeit vom Notebook aus und über mobiles Internet verrichten konnte und der nach herrschender Auffassung keinen gewöhnlichen Arbeitsort hat (Näheres dazu siehe Simotta aaO Rz 52 mwN). Bei dem Wohnsitz des Klägers in ** handelt es sich somit zusammengefasst auch unter Berücksichtigung dieses Aspekts nicht um den Ort, von dem aus der Kläger gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat.

Auch aus den vom Rekurswerber zitierten Entscheidungen des EuGH C-37/00 und C-437/00 ergeben sich keine Argumente, die seinen Rechtsstandpunkt stützen könnten. Vielmehr wurden die in diesen beiden Entscheidungen enthaltenen Rechtsgrundsätze – soweit für das gegenständliche Verfahren aussagekräftig – dem Beschluss des Rekursgerichts ohnehin zugrunde gelegt.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt und dem Vorbringen des Klägers ist auch kein sonstiger Gerichtsstand des Art 21 EuGVVO 2012 gegeben. Da sich in Österreich keine Niederlassung der Beklagten, die den Kläger eingestellt hat, befindet oder befand, kann sich der Kläger auch nicht erfolgreich auf den Gerichtsstand der einstellenden Niederlassung nach Art 21 Abs 1 lit b (ii) EuGVVO 2012 stützen (Näheres dazu siehe Simotta aaO Rz 52 mwN ua).

Dem unberechtigten Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 2 Abs 1 ASGG, 41 Abs 1 und 50 ZPO. Der Kläger hat der Beklagten die tarifmäßig verzeichneten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen. Ein Kostenzuspruch – wie in der Rekursbeantwortung beantragt – zu Handen der Beklagtenvertreterin hatte nicht zu erfolgen, weil es für einen solchen Kostenzuspruch keine gesetzliche Grundlage gibt (3 Ob 30/04i mit ausführlicher Begründung; in diesem Sinne auch Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.74 mwN).

Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO waren nicht zu lösen, da das Rekursgericht von eindeutiger Rechtslage und von einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Vorläuferbestimmung des Art 21 Abs 1 lit b (i) EuGVVO 2012 (und zwar Art 19 Nr 2 lit a EuGVVO) alt ausgegangen ist und hier überdies eine Einzelfallentscheidung vorliegt. Der ordentliche Revisionsrekurs war daher nicht zuzulassen.

Ungeachtet des Umstands, dass ein zur Gänze bestätigender Beschluss des Rekursgerichts vorliegt, ist der Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig. Dem Kläger wird nämlich durch den von ihm angefochtenen Beschluss die Fortsetzung des Verfahrens verweigert und sein Rechtsschutzanspruch, eine Sachentscheidung zu erlangen, endgültig verneint, sodass die Ausnahmebestimmung des zweiten Fall des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zum Tragen kommt (vgl. 4 Ob 219/17k mwN ua).