31Bs190/25f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Richter Mag. Weber LL.M. als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Spreitzer LL.M. und die Richterin Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 13. Juni 2025, GZ **-10, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene türkische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Stein mehrere Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von elf Jahren und fünfzig Monaten. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 15. Oktober 2032. Die zeitlichen Voraussetzungen (ebenso zu berechnen wie jene für eine Anwendung des § 133a StVG, siehe Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2StVG § 133a Rz 16) nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG waren am 15. März 2025 gegeben, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 23. September 2027 erfüllt sein.
Den Schuldsprüchen liegt insbesondere zugrunde, dass A* am 15. August 2017 in ** B* vorsätzlich am Körper verletzte und dadurch fahrlässig dessen Tod herbeiführte, indem er ihm einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser das Gleichgewicht verlor und rücklings mit dem Kopf auf die asphaltierte Straße aufschlug, wofür eine Freiheitsstrafe von elf Jahren verhängt wurde (Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. März 2018, AZ **; Einsicht in VJ-Register). Die übrigen vollzugsgegenständlichen Verurteilungen ergingen wegen (teils qualifizierter) Sachbeschädigung, Widerstands gegen die Staatsgewalt, (teils qualifizierter) Körperverletzung und Verleumdung (Strafregisterauskunft ON 3 und IVV Auszug ON 4).
Aufgrund eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2. September 2019 besteht hinsichtlich des Strafgefangenen ein unbefristetes Einreiseverbot, wobei auch festgestellt wurde, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig ist (ON 7). Ob bzw wann dieser Bescheid in Rechtskraft erwuchs, lässt sich dem Akt nicht entnehmen.
Mit Eingabe vom 22. April 2025 beantragte A* sinngemäß das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes gemäß § 133a StVG und erklärte sich (ebenso sinngemäß) bereit, seiner Ausreiseverpflichtung umgehend nachzukommen (ON 2.1, 1).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen aus generalpräventiven Gründen sowie wegen des Fehlens eines Reisedokumentes ab.
Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Zustellung erhobene (ON 11.2, 2) und zu ON 13, 3 näher ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen.
Rechtliche Beurteilung
Hat ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist nach § 133a Abs 1 StVG vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn 1. gegen ihn ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht, 2. er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen, und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird, und 3. der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegen stehen.
Unabhängig von der Frage, ob das gegen den Strafgefangenen verhängte Einreiseverbot in Rechtskraft erwachsen ist (wovon aufgrund des Bescheiddatums 2. September 2019 mangels anderer Anhaltspunkte auszugehen ist), ist im konkreten Fall der Ausnahmesatz des § 133a Abs 2 StVG zu prüfen. Nach jener Bestimmung ist vor Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potenziellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 46 Rz 16).
Im konkreten Fall hat der Strafgefangene neben anderen Gewaltdelikten und einem Rechtspflegedelikt insbesondere massive körperliche Gewalt gegen das Opfer B* mit tödlichem Ausgang zu verantworten. Insgesamt ist aus diesem besonders gravierenden Delikt sowie der im konkreten Fall vorliegenden Häufung von mehreren Gewaltdelikten ein auffallend hoher Handlungs und Erfolgswert abzuleiten. Daher bedarf es mit Blick auf die Untolerierbarkeit derartiger strafbarer Handlungen ausnahmsweise des weiteren Vollzuges auch über die Hälfte der zu verbüßenden Strafzeit hinaus, um potenzielle weitere Straftäter von der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen abzuhalten. Nur so kann dieser besonders schädlichen Kriminalitätsform angemessen entgegengetreten werden.
Einer Anwendung des § 133a StVG stehen somit massive generalpräventive Hindernisse entgegen. Da schon deswegen der Beschluss des Erstgerichtes zu Recht erfolgte, kann die zwischenzeitig im Beschwerdeverfahren erfolgte Bescheinigung des Antragstellers, tatsächlich über einen nicht abgelaufenen türkischen Reisepass zu verfügen (ON 14, 5), an diesem Ergebnis nichts ändern.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.