JudikaturOLG Wien

31Bs174/25b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
05. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 18. Juni 2025, GZ **-12.1, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die bedingte Entlassungdes A* gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG abgelehnt .

Text

Begründung:

Der am ** geborene dominikanische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt * zwei wegen § 12 zweiter und dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG, § 15 StGB; §§ 288 Abs 1, 15, 299 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von sechs Jahren und sechs Monaten. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 11. November 2027. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen seit 11. August 2024 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 11. September 2025 erfüllt sein.

Mit dem angefochtenen Beschlusssprach das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit ab 11. September 2025 aus, bestimmte die Probezeit mit drei Jahren und ordnete für die Dauer der Probezeit die Bewährungshilfe an.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die auf eine Aufhebung des Beschlusses und eine Abweisung des auf bedingte Entlassung gerichteten Antrages des Strafgefangenen abzielt (ON 13).

Rechtliche Beurteilung

Nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.

Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Taten, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit (vgl Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 46 Rz 15/1). Dabei ist gemäß § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eintrat, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.

Zwar trifft es zu, dass die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe der Regelfall sein (und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben) soll ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 17). Doch ist der Staatsanwaltschaft zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall gravierende spezialpräventive Bedenken eine bedingte Entlassung ausgeschlossen erscheinen lassen.

Wenn der Strafgefangene sich auch nunmehr erstmals im Strafvollzug befindet, so weist er doch einen nachhaltig getrübten bisherigen Lebenswandel auf. Vor den nunmehr in Vollzug befindlichen Freiheitsstrafen war er zunächst wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe und in der Folge wegen Gewaltdelikten zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden (Punkt 1. und 2. der Strafregisterauskunft ON 5). Ungeachtet dieser Sanktionen wurde er rasch neuerlich rückfällig und setzte erstmals Suchtmitteldelikte, für die er im August 2010 zu einer Geldstrafe verurteilt wurde (Punkt 3 der Strafregisterauskunft). Nur ein Jahr später musste er erneut verurteilt werden, diesmal wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe. In der Folge beging er einige Jahre lang jeweils geringfügige Suchtmitteldelikte (Punkt D/III in AZ ** des Landesgerichtes Linz) und wurde in der Folge insbesondere wegen eines Beitrages zum Transport von rund 400 Gramm Kokain zu einer unbedingten Geldstrafe sowie einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Auch die zuletzt genannte strafrechtliche Reaktion konnte aber keine nachhaltige Verhaltensänderung herbeiführen, sodass er wegen zahlreichen Lieferungen von Kokain aus der Dominikanischen Republik (insgesamt rund 7 kg Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 55 % Cocain, transportiert mit speziell präparierten Rollkoffern und Schlüsselanhängern) zu der nunmehr in Vollzug stehenden Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt werden musste (ON 9). Doch selbst während des aufrechten Strafvollzuges vermochte sich A* nicht regelkonform zu verhalten, sodass er wegen im Jänner 2022 gesetzter Rechtspflegedelikte zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde (ON 10). Die trotz zahlreicher Verurteilungen immer wiederkehrende und in enorm gesteigerter Intensität getätigte Delinquenz des A* spricht insgesamt für eine besonders hohe kriminelle Energie und Resozialisierungsresistenz.

Zwar konnte der Strafgefangene das Vorliegen eines sozialen Empfangsraums durch Bestätigungen über Wohn und Arbeitsmöglichkeiten (ON 3, 5 bis 7) bescheinigen. Doch stehen einer positiven Verhaltensprognose, die aber für eine bedingte Entlassung unerlässlich wäre, die oben genannten massiven negativen Kriterien entgegen. Darüber hinaus bringt die Beschwerdeführerin zutreffend vor, dass die vom Strafgefangenen angegebenen Schulden (zuletzt anlässlich der Verurteilung vom Oktober 2022 30.000 Euro, siehe ON 10, 1) offenbar nach wie vor bestehen und daher ein Anreiz für neuerliche strafbare Handlungen mit unrechtmäßiger Bereicherung vorliegt, wobei der Beschwerdeführer selbst vorbringt, die Taten aus eigennützigem Kalkül, ohne selbst süchtig zu sein, begangen zu haben (ON 3, 3). Das weitere Vorbringen des A*, er habe nunmehr „zum ersten Mal Gefängnis erlebt“ (erneut ON 3, 3), trifft nicht zu: Zwar befindet sich der Strafgefangene im Erstvollzug, doch war er bereits anlässlich des im Jahr 2019 durchgeführten Strafverfahrens rund zwei Wochen in Untersuchungshaft gewesen (S 6 des Urteils des Landesgerichtes Linz vom 8. August 2019, AZ **).

Daher kommt insgesamt eine bedingte Entlassungauch unter Berücksichtigung allfälliger unterstützender Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB derzeit noch nicht in Betracht.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.