JudikaturOLG Wien

21Bs239/25p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 27. Mai 2025, GZ ** 10, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Sonnberg eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ **, vom 20. November 2023, rechtskräftig seit 24. November 2023, wegen §§ 146; 15, 269 Abs 1 dritter Fall; 83 Abs 1, 84 Abs 2; 107 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten sowie infolge gleichzeitig ergangenen Widerrufs einer ihm zunächst mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt, AZ **, vom 27. März 2019, rechtskräftig seit 2. April 2019, wegen Straftaten nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2; 107 Abs 1 StGB gewährten bedingten Nachsicht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie weiters eine mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. Mai 2024, rechtskräftig seit diesem Tag, AZ **, wegen § 84 Abs 4 StGB gemäß §§ 31, 40 StGB verhängte Zusatzfreiheitsstrafe von einem Jahr, wodurch er insgesamt Freiheitsstrafen im Ausmaß von 33 Monaten zu verbüßen hat.

Das unter Berücksichtigung des § 148a Abs 2 StVG errechnete Strafende fällt auf den 17. Juni 2026 (ON 2, 4). Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit liegen seit 2. Februar 2025 vor, jene nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit seit 17. Juli 2025 (ON 2, 6).

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Korneuburg als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG in Übereinstimmung mit den negativen Stellungnahmen sowohl der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) als auch jener des Leiters der Justizanstalt Sonnberg (ON 2, 2) zusammengefasst aus spezialpräventiven Erwägungen ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Verkündung dieses Beschlusses im Anschluss an die Anhörung des Strafgefangenen (ON 9) von diesem erhobene, jedoch in weiterer Folge nicht ausgeführte Beschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Nach § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Besonderes Augenmerk ist nach Abs 4 leg cit darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch die Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 50 StGB ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung in Bezug auf künftige Straffreiheit voraus ( Jerabek/Ropper, WK² StGB § 46 Rz 15/1). Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose ist insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussicht auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe sind generalpräventive Erwägungen ausnahmslos nicht mehr zu berücksichtigen. Allein die spezialpräventiv geprägte Annahme nicht geringerer Wirksamkeit der bedingten Entlassung ist maßgebliches Entscheidungskriterium ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 17).

Wenngleich die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe nach erkennbarer Intention des StRÄG 2008 der Regelfall sein soll, steht dieser jedoch beim Beschwerdeführer nach wie vor ein – die Ausnahme dazu darstellendes – evidentes Rückfallrisiko (erneut Jerabek/Ropper , aaO Rz 17) unüberwindbar entgegen.

Dieses ergibt sich bereits aus dem der Strafregisterauskunft (ON 4) zu entnehmenden massiv getrübten Vorleben des Strafgefangenen. Abgesehen von den nunmehr in Vollzug stehenden Verurteilungen weist der Beschwerdeführer weitere vier Verurteilungen auf, wobei sich die - sämtlichen sechs Vorstrafen zugrundeliegenden - Tathandlungen überwiegend gegen die körperliche Integrität anderer, aber auch gegen fremdes Vermögen, die Freiheit und zwei Mal gegen die Staatsgewalt richteten. Dem Strafgefangenen wurden bereits mehrfach die Rechtswohltaten der bedingten Nachsicht von Freiheitsstrafen, die Verlängerung von Probezeiten und die bedingte Entlassung gewährt und ihm immer wieder Bewährungshilfe zur Seite gestellt. Ungeachtet dessen wurde er immer wieder in raschem Rückfall während offener Probezeiten rückfällig, wobei ihn zuletzt auch das Verspüren des Haftübels und die offene Probezeit aufgrund seiner bedingten Entlassung nicht davon abhielt, die der vollzugsgegenständlichen Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ ** zugrundeliegenden Tathandlungen des Betrugs nach § 146 StGB, des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB, (mehrfach) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB sowie das dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** zugrundeliegende Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB zu begehen.

In der kontinuierlichen Delinquenz des Strafgefangenen in regelmäßigen Abständen und in Verletzung verschiedenster Rechtsgüter manifestiert sich eine beharrliche kriminelle Energie, die Erfolglosigkeit ihm gewährter Resozialisierungshilfen und chancen sowie die Wirkungslosigkeit bisheriger staatlicher Reaktionen. Der Einschätzung des Erstgerichts, wonach aufgrund des wiederholt einschlägig getrübten Vorlebens auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass auch das Verspüren des Haftübels keinen deliktabhaltenden Effekt auf den Strafgefangenen zu entfalten vermochte, nicht davon auszugehen sei, dass der Strafgefangene durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, ist daher beizutreten.

Bei einer Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände ist daher nicht davon auszugehen, dass die bedingte Entlassung des Strafgefangenen selbst unter Auferlegung von Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB geeigneter wäre, ihn von weiterer Straffälligkeit abzuhalten als der weitere Strafvollzug. Ausgehend von dem sich im dargelegten Verhalten des Strafgefangenen manifestierenden massiven Charakterdefizit, das sich auch in der Erfordernis der Durchführung von insgesamt bereits 24 Ordnungsstrafverfahren zeigt (ON 5), kann derzeit auch nicht angenommen werden, dass der bisherige Strafvollzug eine nachhaltig verhaltenssteuernde Wirkung entfalten konnte. Die vom Strafgefangenen angegebene Wohnmöglichkeit (vgl. ON 3) vermag an dieser deutlich negativ geprägten Zukunftsprognose nichts zu ändern.

Vielmehr ist aus den genannten Umständen genau das die Ausnahme zum Regelfall der bedingten Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln darstellende evidente Rückfallrisiko abzuleiten, das einer Entlassung zum Zwei Drittel Stichtag unüberwindbar entgegensteht.

Das Ziel des Strafvollzugs, Verurteilte durch Bekämpfung von Charakterdefiziten zukünftig zur Abstandnahme von Straftaten zu veranlassen, kann beim Strafgefangenen daher nur durch den weiteren Vollzug erreicht werden, um ihn mit einiger Aussicht auf Erfolg von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.

Der gegen den der Sach und Rechtslage entsprechenden Beschluss gerichteten Beschwerde ist somit ein Erfolg zu versagen.