JudikaturOLG Wien

22Bs206/25t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
22. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen Wiederaufnahme des Strafverfahrens über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 23. Mai 2025, AZ **, GZ *-642, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 2 StPO haftet A* für die durch sein erfolgloses Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Geschworenengericht vom 30. November 2009, GZ *-312, wurde A* der Verbrechen des schweren Raubs und des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall; 75, 15 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 75 StGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, welche er derzeit in seiner Heimat Bulgarien verbüßt.

Nach dem Schuldspruch hat er am 1. Juni 2009 in **

I. mit Gewalt gegen Personen und unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer Pistole mit dem Kaliber 9 mm, C* und D* E* Bargeld in unbestimmter Höhe mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II. C* E* vorsätzlich getötet, indem er ihm durch Abgabe von vier gezielten Schüssen in den Oberkörper Verletzungen zufügte, die zum sofortigen Tod führten;

III. D* E* vorsätzlich getötet, indem er ihr durch die Abgabe eines gezielten Schusses in das Herz Verletzungen zufügte, die zum sofortigen Tod führten;

IV. versucht, F* E* vorsätzlich zu töten, indem er ihr durch Abgabe eines gezielten Schusses in den Rücken Verletzungen der Gallenblase, der Leber und des Zwölffingerdarms zufügte, die zum Tod durch Verbluten geführt hätten, wenn sie nicht unverzüglich notfallmedizinisch behandelt worden wäre.

Dieses Urteil erwuchs durch Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vom 20. Jänner 2010, GZ 15 Os 1/10a-5, und des Oberlandesgerichts Wien vom 15. Februar 2010, AZ 19 Bs 30/10s, in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom 25. Jänner 2025 beantragte der Verurteilte nach „§ 41 Abs 2 Z 1 Z 2 Gesetze und internationale Vereinbarungen unter den Mitgliedsländern der Europäischen Union – ЗЕЕЗА“ (bulgarisches Gesetz über den Europäischen Haftbefehl) „die Nachprüfung der über ihn am 30.11.2009 zu ** des Landesgerichts Korneuburg verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe“ sohin bei inhaltlicher Betrachtung die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, wobei er – auf das Wesentliche reduziert – moniert, die österreichische Polizei und Justiz hätten seine Verurteilung willkürlich herbeigeführt und sei er entgegen den bezughabenden Bestimmungen über den Europäischen Haftbefehl überstellt worden. Zu den einzelnen Details wird auf den Antrag verwiesen, dem eine Vielzahl von Beilagen (aus dem Erkenntnisverfahren) angeschlossen sind (ON 636; Übersetzung ON 639).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht dieses Begehren mit der Begründung ab, dass es dem Antragsteller – unter Wiederholung von Behauptungen wie im Wiederaufnahmeantrag vom 20. Juni 2022 (ON 579) - erneut nicht gelungen wäre, neue Beweismittel bzw. einen der Wiederaufnahmsgründe nach § 353 StPO anzuführen, sondern würde vielmehr wiederum die Beweiswürdigung des Geschworenengerichts in Frage gestellt. Die Kritik an der Übernahme des Strafvollzugs durch Bulgarien könne keinen Wiederaufnahmegrund darstellen.

Dagegen richtet sich die (zumindest im Zweifel) fristgerechte Beschwerde des Verurteilten, worin er im Wesentlichen seine Täterschaft abstreitet und behauptet, er hätte gar keinen Wiederaufnahmeantrag gestellt, sondern einen Antrag „nach den Bestimmungen des § 41 Abs 2 Z 1 und 2 sowie Abs 3 Gesetze und Internationale Vereinbarungen unter den Mitgliedsländern der Europäischen Union“ (ON 643; Übersetzung ON 644).

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 353 StPO kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens selbst nach vollzogener Strafe verlangen, wenn dargetan ist, dass seine Verurteilung durch Urkundenfälschung oder durch falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlasst worden ist (Z 1); wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen (Z 2); oder wenn wegen derselben Tat zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurteilt worden sind und bei der Vergleichung dieser Erkenntnisse sowie der ihnen zugrundeliegenden Tatsachen die Nichtschuld einer oder mehrerer dieser Personen notwendig anzunehmen ist (Z 3).

Vorauszuschicken ist, dass die Übernahme der Strafvollstreckung durch Bulgarien nicht Gegenstand eines Wiederaufnahmeantrags gegen das Urteil vom 30. November 2009 sein kann, sondern nur die angeführte rechtskräftige Verurteilung ( Lewisch , WK-StPO § 353 Rz 3).

Richtig ist, dass der Antrag des Verurteilten vom 25. Jänner 2025 auf eine „Nachprüfung der über ihn verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe“ im Sinne des „§ 41 Abs 2 Z 1 und 2 sowie Abs 3 Gesetze und Internationale Vereinbarungen unter den Mitgliedsländern der Europäischen Union“ des bulgarischen EUHB Gesetzes (S 3 ff in ON 639) gerichtet ist, inhaltlich aber das Urteil des Geschworenengerichts in Frage gestellt wird, weil ausschließlich Beilagen zum österreichischen Erkenntnisverfahren vorgelegt wurden (vgl. ON 636).

Demgemäß ist die inhaltliche Wertung dieses Antrags des anwaltlich unvertretenen A* durch das Erstgericht als Wiederaufnahmeantrag nicht zu kritisieren, zumal das Landesgericht Korneuburg keine Kompetenz hat, Entscheidungen bulgarischer Gerichte nach bulgarischem Recht (vgl. S 4 in ON 639 [Kreisgericht Montana; Berufungsgericht Sofia]) zu überprüfen.

In der Sache selbst ist dem Schluss der Erstrichter, dass vom Rechtsmittelwerber keine Wiederaufnahmsgründe im Sinne des § 353 Z 1 und 2 StPO, insbesondere keine konkrete Straftat einer dritten Person oder neue Beweismittel, prozessordnungsgemäß dargetan wurden, beizupflichten (vgl. Lewisch , aaO Rz 17), inhaltlich wird dazu auf die Ausführungen des Beschwerdegerichts vom 24. Jänner 2023, AZ * (ON 594), verwiesen.

Das überwiegend auf Kritik an seiner „Auslieferung“ nach Bulgarien bezugnehmende Beschwerdevorbringen erweist sich als verfehlt, weil damit das Urteil des Geschworenengerichts vom 30. November 2009 nicht in Frage gestellt werden kann.

Letztlich trifft es zwar zu, dass dem Rechtsmittelwerber keine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Korneuburg (ON 641) zugestellt wurde, jedoch hatte die genannte Anklagebehörde inhaltlich gar keine Stellung bezogen, sondern retournierte den Antrag des Verurteilten (ON 639) bloß mit dem Vermerk „+ ABL. STELLUNGNAHME“, der einer inhaltlichen Erwiderung gar nicht zugänglich ist.

Der angefochtene Beschluss entspricht daher der Sach- und Rechtslage, weshalb der Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.