JudikaturOLG Wien

21Bs233/25f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseoder Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 27. Juni 2025, GZ ** 9, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folgegegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Antrag des A* auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug nach Vollzug von zwei Dritteln der über ihn verhängten Freiheitsstrafe wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG abgewiesen .

Text

Begründung:

Der am ** in ** geborene Staatsangehörige der Russischen Föderation A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von sieben Jahren und sieben Monaten, die über ihn mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ **, AZ **, AZ **, AZ B* und aufgrund gleichzeitig erfolgter Widerrufe der bedingten Strafnachsichten zu AZ ** und zu AZ ** des Landesgerichts Linz verhängt wurden.

Die Verurteilungen erfolgten neben anderen Delikten vorwiegend wegen massiver Vermögensdelikte.

Das errechnete Strafende fälltunter Berücksichtigung einer vierwöchigen Nichteinrechnung nach § 115 StVG auf den 3. August 2027, die Hälfte der Strafzeit war am 19. Oktober 2023, jene nach zwei Dritteln der Strafzeit am 23. Jänner 2025 verbüßt.

Gegen den Strafgefangenen besteht aufgrund des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12. Oktober 2018, Zahl ** und **, gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren (ON 6).

Mit Schreiben vom 23. Juni 2025 (ON 2) beantragte der Strafgefangene, nachdem seiner Beschwerde gegen den abweisenden Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 25. September 2024, GZ C*21, mit Beschluss des OLG Wien vom 8. November 2024, AZ *, nicht Folge gegeben worden war, erneut das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 133a StVG und erklärte sich unter anderem dazu bereit seiner Ausreiseverpflichtung in sein Herkunftsland umgehend nachzukommen.

Mit dem angefochtenen Beschluss ordnete das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht nach Einholung einer ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau (ON 1.2) das vorläufige Absehen vom weiteren Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an.

Gegen den Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 10), in der sie vorbringt, dass der Strafgefangene sich seit 2016 trotz bestehenden Aufenthaltsverbots unrechtmäßig in Österreich aufhalte, weshalb es wahrscheinlich sei, dass er nach der Ausreise wieder in das Bundesgebiet zurückkehren werde.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 133a Abs 1 StVG ist, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen, und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2), und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3).

Aus dem in der Absicherung der fremdenbehördlichen Maßnahme liegenden Normzweck erschließt sich, dass neben der Glaubhaftmachung eines ernsthaften Ausreisewillens auch zu erwarten sein muss, dass der Rechtsbrecher nicht gegen das Einreise und Aufenthaltsverbot verstoßen wird ( Pieber , WK 2StVG § 133a Rz 11, 13).

Der Strafgefangene erklärte sich zwar bereit, seiner Ausreiseverpflichtung aufgrund eines zehnjährigen Einreiseverbotes umgehend nachzukommen (ON 2), doch bestehen wie von der Staatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt an der Bereitschaft des Verurteilten, sich an das Einreiseverbot zu halten, erhebliche Zweifel.

Mit obzitierten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl wurde gegen A* ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen und verfügt der Strafgefangene nach den Feststellungen seit 8. August 2015 über keinerlei Aufenthaltsberechtigung in Österreich. Nach eigenen Angaben kehrte er im August 2015 nach Russland zurück und reiste Anfang Juni 2016 illegal unter Schlepperassistenz erneut in Österreich ein, wo er sich seither unrechtmäßig aufhielt (ON 6, 3f).

Da sich der Strafgefangene nach Kenntniserlangung dieses Bescheids dem Strafvollzug durch Flucht am 22. Jänner 2020 entzog und erst am 6. November 2020 nach neuerlicher Begehung strafbarer Handlungen im Inland festgenommen (ON 3, 2 und ON 10 zu C* des Landesgerichts Krems an der Donau) und mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ B* zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde, ist aufgrund des Zuwiderhandelns nicht davon auszugehen, dass er sich in Zukunft an das Einreise und Aufenthaltsverbot halten werde (vgl Pieber , aaO Rz 33). Sein erklärter Ausreisewille und seine Bereitschaft zur Beachtung des Einreiseverbots ist daher nicht glaubhaft.

Es ist daher weiterhin davon auszugehen, dass aufgrund der beharrlichen Nichtbefolgung der fremdenbehördlichen Maßnahmen und dem erheblich getrübten Vorleben sich eine ausgeprägte Gleichgültigkeit des A* gegenüber staatlichen Normen manifestiert hat, die der erforderlichen Paktfähigkeit klar entgegen steht. Da ihm das Verspüren des Haftübels auch bisher nicht von der Begehung weiterer Vermögensdelinquenz abzuhalten vermochte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Androhung der Verbüßung der Reststrafe im Fall einer neuerlichen Einreise eine hinreichende Wirkung zur Akzeptanz des Aufenthalts- bzw Einreiseverbots zu entfalten vermag (vgl Drexler/Weger, StVG 5 § 133a Rz 13).

Da somit nicht sämtliche Voraussetzungen des § 133a Abs 1 StVG vorliegen, war der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und der Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug (wegen Einreiseverbots und Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG) abzuweisen.