JudikaturOLG Wien

19Bs168/25g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Baumgartner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Wilder und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen § 5 Abs 1 StVG und § 6 Abs 1 Z 1 lit c StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. Juli 2025, GZ **-132, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

B e g r ü n d u n g :

A* wurde mit (am 11. April 2025 rechtskräftigem [ON 113.2]) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Juni 2024, GZ **-94b, - hier relevant - des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt und hierfür nach § 147 Abs 3 StGB zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Verurteilten vom 30. April 2025auf Aufschub des Strafvollzugs wegen Vollzugsuntauglichkeit (§ 5 Abs 1 StVG) und aus anderen Gründen (§ 6 Abs 1 Z 1 lit c StVG) ab und erkannte dem Beschluss keine aufschiebende Wirkung zu. Mit eingehender Begründung führte der Erstrichter auf Grundlage des eingeholten und am 17. Juni 2025 (der erste Begutachtungstermin am 27. Mai 2025entfiel [vgl ON 126.2 iZm ON 128.1, S 1 „Einladung zu spät erhalten.“]) - erstatteten Sachverständigengutachtens Dr.isB* (ON 128.1) aus, dass - zusammengefasst – der/die diagnostizierte Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie und Hyperlipidämie keine Vollzugsuntauglichkeit bewirke, die notwendige Diabetesoptimierung (Insulinisierung) sei – auch unter Haftbedingungen - in zwei Wochen zu erreichen. Andere Gründe iSd § 6 Abs 1 Z 1 lit c StVG lägen nicht vor, da sich schon dem Vorbringen des Verurteilten nach weder der ins Treffen geführte Wohnungswechsel noch die Vorkehrungen für den Unterhalt der Familienangehörigen und die ins Treffen geführten Arbeitsbelange regeln ließen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene, schriftlich ausgeführte Beschwerde des Verurteilten (ON 134).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat im bekämpften Beschluss den bisherigen Verfahrensgang, die Eingaben des Verurteilten (ON 117), die gutachterlichen Ausführungen zum Krankheitsbild des Verurteilten und der sich daraus ergebenden notwendigen Insulinsierung, die in Replik auf das Sachverständigengutachten erfolgte Stellungnahme des Verurteilten (ON 131.1), aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen (§§ 5 Abs 1, 6 Abs 1 StVG) zutreffend in der bekämpften Entscheidung dargestellt (Seiten 2 ff). Hierauf wird identifizierend verwiesen (RIS-Justiz RS0124017 [T2]).

Es ergibt sich schon aus dem Gesetzestext, dass nicht jede physische oder psychische körperliche Einschränkung oder Erkrankung eine Vollzugsuntauglichkeit bewirkt. Haftfähigkeit setzt in erster Linie voraus, dass der Verurteilte nach seinen körperlichen und geistigen Dispositionen erzieherisch betreut und beeinflusst werden kann. Es gilt den Vorrang der Strafvollzugsortänderung zu beachten (vgl hiezu Pieber , WK 2StVG § 5 Rz 11; vgl § 71 StVG).

Das erstrichterliche Kalkül zur Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ist einwandfrei. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist der in die Sachverständigenliste für Innere Medizin eingetragene Experte ( Spezialisierung : ua Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen [ Diabetes mellitus und Schilddrüse]) in seinem Gutachten sehr wohl von (einem aktuell) durchschnittlichen Blutzuckerwert von über 350 mg/dl ausgegangen (S 6 unten f des Gutachtens) und hat ergänzend auf (selbständig) gemessene Blutzuckerwerte in den letzten Jahren von nüchtern 200 und mehr verwiesen, aber auch – wie aus der Diagnose erhellt (S 6 des Gutachtens) - die Arterielle Hpertonie und Hyperlipidämie in seine Expertise einbezogen.

Für die begehrte Verfahrensergänzung (Rückfrage beim Sachverständigen) mangelt es sohin an einem ausreichenden Tatsachensubstrat, zumal schon dem Vorbringen des Beschwerdeführers nach die Insulinisierung mit 25. Juni 2025 begonnen hat [insoweit unverständlich die vom Beschwerdeführer unbeachtet gelassene Empfehlung seines eigenen Facharztes vom bereits 22. April 2025 (ON 117.2)]. Der vorliegenden Expertise nach kann die (allfällig benötigte) weitere Einstellung jedenfalls im Strafvollzug vorgenommen werden (S 7 des Gutachtens ON 128.1).

Mit seinem Vorbringen einer nur unzureichenden medizinischen Versorgung in der Justizanstalt Simmering verkennt der Verurteilte die Aufgabe der Justizverwaltung für die Gesundheitspflege der Strafgefangenen in (hier:) der zu bestimmenden Strafvollzugsanstalt (§ 9 StVG) zu sorgen (§ 66 StVG [subjektiv-öffentliches Recht des Insassen]). Der Beschwerdeführer übersieht weiters den Vorrang der Vollzugsortsänderung bis hin zur Aufnahme in eine Krankenabteilung (“Anstaltsspital“) oder Überstellung in ein öffentliches Krankenhaus, aber auch der Möglichkeit der Beiziehung eines anderen Arztes umfänglich § 70 StVG.

In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Erstgericht ist von der Vollzugstauglichkeit des Verurteilten auszugehen.

Der begehrte Strafaufschub aus anderen Gründen(§ 6 Abs 1 Z 1 lit c StVG) kommt nicht in Betracht. Denn die in § 6 Abs 1 Z 1 zweiter Satz StVG normierte Aufschubshöchstfrist von einem Monat ( Pieberin WK² StVG § 6 Rz 25) ist mit Blick auf die Zustellung der Strafvollzugsantrittsaufforderung an den Verurteilten am 18. April 2025 (vgl Zustellnachweis zu Punkt 8 der Endverfügung ON 144) am 20. Juni 2025abgelaufen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das zu § 6 Abs 1 StVG erstattete Beschwerdevorbringen.

Die Abweisung des Begehrens auf vorläufige Hemmung des Strafvollzugs (§ 7 Abs 3 StVG) ist nicht anfechtbar ( Drexler/Weger StVG 5 § 7 Rz 4; Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2StVG § 7 Rz 14).

Der Beschwerde war somit ein Erfolg zu versagen.

Das Sachverständigengutachten wird der Justizanstalt Simmering zu übermitteln sein.