3R89/25t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Müller und Mag. a Kulka in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wider die beklagte Partei B* AG , FN **, **, vertreten durch Dr. Peter Lindinger, Dr. Andreas Pramer GesbR in Linz, wegen Kosten, über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse: EUR 4.233,18) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 6.5.2025, ** 12, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 402,86 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten EUR 67,14 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Kläger hat bei der Beklagten einen Gebäudeversicherungsvertrag für sein Haus in ** abgeschlossen. Der Kläger hat gegen die Beklagte Ansprüche wegen eines Sturmschadens vom 22.12.2023 geltend gemacht, die Beklagte hat aber mit Schreiben vom 21.5.2024 eine Versicherungsleistung abgelehnt.
Mit einem E Mail vom 23.12.2024 an die Beklagte nahm die Klagevertreterin namens des Klägers auf diesen Schadensfall Bezug und bat um die „Übermittlung folgender Unterlagen:
Letztgültiger Versicherungsantrag,
Letztgültige Versicherungspolizze,
Das gesamte, letztgültige Wording, wie insbesondere die ABS, ABSD, sämtliche Polizzenklauseln etc,
Die Schadenmeldung
Allenfalls ihnen zur Verfügung stehende Gutachten.“
Für das Tätigwerden der Beklagten merke sich die Klagevertreterin den 7.1.2025 vor.
Am 30.1.2025 brachte der Kläger durch die Klagevertreterin eine Klage gegen die Beklagte beim Erstgericht ein, worin er begehrte, die Beklagte zu verpflichten, hinsichtlich des Sturmschadenfalles vom 22.12.2023 den letztgültigen Versicherungsantrag und die Schadenmeldung herauszugeben. 24 Minuten nach dem Einbringen der Klage beim Handelsgericht Wien im Elektronischen Rechtsverkehr übermittelte die Beklagte an die Klagevertreterin mittels Mail als PDF Anhang den letzten Versicherungsantrag und die Schadenmeldung.
Der Kläger schränkte sein Begehren daraufhin auf Kosten ein.
Die Beklagte wendete ein, der Kläger habe seinen Herausgabeanspruch nicht ausreichend konkretisiert. Außerdem sei die in der Klage ausdrücklich geforderte Herausgabe etwas anderes als die Übermittlung einer Kopie oder die Vorlage einer Urkunde. § 3 Abs 3 Satz 1 VersVG gewähre aber nur einen Anspruch auf Übermittlung von Kopien, nicht aber auf die in der Klage geltend gemachte Herausgabe der Urkunde selbst.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte, dem Kläger dessen Prozesskosten von EUR 3.225,43 zu ersetzen. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sei nach § 3 Abs 3 VersVG berechtigt gewesen, die eingeräumte Frist bis zum 7.1.2025 sei auch angemessen gewesen. Die Übermittlung von Original Dokumenten sei gar nicht verlangt worden.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie derart abzuändern, dass nicht die Beklagte zum Kostenersatz an den Kläger verpflichtet werden, sondern umgekehrt der Kläger zum Kostenersatz an die Beklagte, und zwar im Ausmaß von EUR 1.007,75.
Der Kläger beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Die Beklagte argumentiert in ihrem Rekurs, der Kläger habe zwar einen Anspruch auf Herausgabe von Abschriften gehabt, aber ausdrücklich auf Herausgabe der Schadenmeldung und des Versicherungsantrags geklagt. Dem Urteilsantrag sei nicht zu entnehmen, dass der Kläger seinen Herausgabeanspruch schon mit Übermittlung von Kopien als erfüllt ansehe.
2. Diese Ansicht wird vom Rekursgericht nicht geteilt: Der Kläger hat (durch die Klagevertreterin) per E Mail am 23.12.2024 die Übermittlung zahlreicher Unterlagen gefordert, nämlich den letztgültigen Versicherungsantrag, die letztgültige Versicherungspolizze, die gesamten Versicherungsbedingungen, die Schadenmeldung und allenfalls der Beklagten vorliegende Gutachten. Da die Klagevertreterin ihr Ersuchen per Mail gestellt hat war davon auszugehen, dass die Beklagte, wenn sie dem Ersuchen entsprechen sollte, auch per Mail antworten und schon deshalb die Unterlagen nicht im Original übermitteln wird. Abgesehen davon gibt es von den Versicherungsbedingungen überhaupt keine (unterschriebene) Original Urkunde; bezüglich der anderen Unterlagen war und ist kein Grund ersichtlich, warum der Kläger unbedingt die Original Urkunde (etwa seiner Schadenmeldung) statt bloß eine Kopie wollen sollte. Ein redlicher Erklärungsempfänger des Aufforderungsschreibens musste es also so verstehen, dass - Gegenteiliges steht darin ja nicht - (bloß) die Übermittlung von Abschriften der Unterlagen gefordert wird, zumal sowohl der Absender - eine Rechtsanwaltskanzlei - als auch der Empfänger des Schreibens - eine Versicherung - weiß, dass der Versicherungsnehmer nur darauf einen Anspruch hat (§ 3 Abs 3 erster Satz VersVG).
3. Gleiches gilt auch für das Klagebegehren, gerichtet auf „Herausgabe“ des letztgültigen Versicherungsantrags und der Schadenmeldung: Beide Urkunden stammen vom Kläger und wurden nur von ihm unterfertigt; es ist kein Grund vorstellbar, warum der Kläger unbedingt diese Original Urkunden von der Beklagten haben will statt bloßer (ihm nach § 3 Abs 3 erster Satz VersVG tatsächlich auch zustehender) Abschriften. Betrachtet man das kurze Klagsvorbringen, worin der Kläger referiert, welche Unterlagen er von der Beklagten herausgegeben haben wollte, und dass ihm die Beklagte dann mit E Mail vom 30.12.2024 (bloß) das Sachverständigengutachten übermittelt habe, dass die Übersendung anderer Unterlagen aber ausgeblieben sei, dann zeigt sich, dass der Kläger eindeutig auch nur die Übermittlung von Abschriften (laut dem Urteilsbegehren des letztgültigen Versicherungsantrags und der Schadenmeldung) begehren wollte. Schließlich war er auch mit dem elektronisch übermittelten Gutachten zufrieden und hat diesbezüglich kein Klagebegehren mehr erhoben.
4. Ein Klagebegehren ist aber so zu verstehen, wie es im Zusammenhang mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist; ein versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren hätte das Gericht richtig zu fassen (RS0037440; 1 Ob 112/23m MietSlg 75.511).
5. Somit war das Klagebehren aber von Anfang an berechtigt und wurde von der Beklagten erst (wenn auch ganz knapp) nach dem Einbringen der Klage beim Erstgericht erfüllt, was bei der Beurteilung der Kostenentscheidung als Obsiegen des Klägers anzusehen ist. Das Erstgericht hat dem Kläger daher völlig zu Recht vollen Kostenersatz zuerkannt, dem Rekurs ist keine Folge zu geben.
6. Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.