22Bs156/25i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Hahn und die Richterin Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* wegen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gemäß § 39 ff EU JZG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. April 2025, GZ ** 7, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
Text
Beim Landesgericht für Strafsachen Wien ist gegen den am ** geborenen österreichischen Staatsbürger A* ein Verfahren wegen Übernahme der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach den §§ 39 ff EU JZG anhängig (ON 1.1).
Dem Verfahren liegt eine von der Staatsanwaltschaft München I ausgestellte Bescheinigung vom 4. Februar 2025 gemäß Art 4 des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 (ON 2.2) zugrunde, wonach der Betroffene mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts München vom 24. Mai 2024, AZ ** (ON 2.3, vervollständigt in ON 6, 4 ff)), wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 1 Abs 1 deutsches Betäubungsmittelgesetz iVm Anlage III zum deutschen Betäubungsmittelgesetz, §§ 3 Abs 1 Nr 1, 30 Abs 1 Nr 4 deutsches Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war, weil er am 20. Oktober 2023 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und hierbei in seinem Rucksack wissentlich und willentlich einen Kokainziegel mit einem Gewicht von 979,8 Gramm Kokain, welcher einen Mindestgehalt von 58,2 % Cocain Hydrochlorid (570 Gramm Reinsubstanz) aufwies (vgl ON 6, 1). Wie der Verurteilte wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
Unter einem wurde gemäß § 64 deutsches StGB seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Mit dem angefochtenen Beschluss übernahm das Erstgericht die Vollstreckung der mit genanntem Urteil verhängten Freiheitsstrafe und setzte die im Inland zu vollstreckende Freiheitsstrafe unter Anrechnung der seit 20. Oktober 2023, 11:00 Uhr erlittenen Vorhaft mit 4 Jahren und sechs Monaten fest (ON 7).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des Betroffenen, in der er moniert, eine Überstellung in eine Entziehungsanstalt und nicht in eine Justizanstalt beantragt zu haben und deshalb mit einer Übernahme der Vollstreckung durch Österreich nicht einverstanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt im Sinn des implizit gestellten Aufhebungsbegehrens Berechtigung zu.
Gemäß § 39 Abs 1 EU-JZG wird – soweit hier relevant - eine über eine natürliche Person, die sich entweder im Ausstellungsstaat oder im Inland befindet, von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats nach Durchführung eines Strafverfahrens rechtskräftig verhängte lebenslange oder zeitliche Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme nach den Bestimmungen dieses Unterabschnitts vollstreckt
1. unabhängig von der Zustimmung des Verurteilten, wenn dieser
a) die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Inland hat.
Zutreffend hat das Erstgericht zunächst dargelegt, dass A* österreichischer Staatsbürger ist und seinen ständigen Aufenthalt vor seiner Inhaftierung im Inland hatte. Zuletzt verfügte er über eine Hauptwohnsitzmeldung beim Verein Neustart (ON 2.5). Nach den Angaben des Betroffenen hat er in Österreich einen Sohn, für den er das alleinige Sorgerecht hat, während er in Deutschland keine Angehörigen hat. Auch seine Mutter, seine Tante und seine Lebensgefährtin leben in ** (ON 2.4, 11).
Die dem deutschen Urteil zugrundeliegende Tat ist auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar. Sie wäre unter § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG zu subsumieren und mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren bedroht. Auch sind noch mehr als sechs Monate der verhängten Freiheitsstrafe zu vollstrecken.
Ebenfalls grundsätzlich zutreffend hat das Erstgericht die im Inland zu vollstreckende Freiheitsstrafe gemäß § 41b Abs 2 EU JZG in der Art und Dauer festgesetzt, die in dem zu vollstreckenden Urteil ausgesprochen wurde und auch die bereits erlittene Vorhaft aktenkonform angerechnet.
Gänzlich unberücksichtigt und damit unvollständig sowohl im Spruch als auch in der Begründung blieb jedoch der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit dem bezughabenden Urteil nicht nur zu einer Freiheitsstrafe, sondern daneben auch zu einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme verurteilt wurde, indem gemäß § 64 deutsches StGB seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde, wobei ausgesprochen wurde, dass 12 Monate der verhängten Strafe vor der Maßregel zu vollziehen seien (ON 6, US 3 und 36 ff).
Vor diesem Hintergrund wäre neben den Erwägungen zur Übernahme der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aber auch eine Auseinandersetzung mit der allfälligen Übernahme der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme erforderlich gewesen, insbesondere dahingehend, ob diese in Österreich vollstreckt werden kann (§ 40 Z 10 EU-JZG) und ob eine Anpassung gemäß § 41b Abs 4 EU-JZG erforderlich ist.
Aufgrund des unvollständigen Spruchs und der mangelhaften Begründung im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO war der angefochtene Beschluss gemäß § 89 Abs 2a Z 3 StPO aufzuheben und dem Erstgericht – erforderlichenfalls nach Durchführung ergänzender Erhebungen (vgl § 41a Abs 4 Z 2 EU-JZG) - die neuerliche Beschlussfassung aufzutragen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 1 Abs 2 EU-JZG iVm § 9 Abs 1 ARHG iVm § 89 Abs 6 StPO).