11R192/24x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Primus als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Fidler und den Richter des Oberlandesgerichts Dr. Futterknecht, LL.M., BSc, in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH Co KG , **, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich , vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 16.165,24 samt Nebengebühren, über den Antrag der klagenden Partei auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der Revision im Urteil vom 21. März 2025, B*, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Der im Berufungsurteil vom 21. März 2025, B*, enthaltene Zulässigkeitsausspruch wird dahin abgeändert, dass die ordentliche Revision doch nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist.
Der beklagten Partei wird die Erstattung einer beim Berufungsgericht einzubringenden Revisionsbeantwortung freigestellt.
Text
Begründung:
Die Klägerin macht in ihrer Zulassungsvorstellung u.a. geltend, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine (Leistungs-)Klage, mit welcher der Abschluss eines Fördervertrags im Gefolge einer ablehnenden Entscheidung der COFAG auf Grundlage der VO Fixkostenzuschuss I (samt Anhang) geltend gemacht wird, ein „Rettungsmittel“ iSd § 2 Abs 2 AHG darstelle, fehle.
Zutreffend ist, dass sich der Oberste Gerichtshof bis dato nicht mit der Frage auseinander zu setzen hatte, ob ausgehend von der Organisationsstruktur der COFAG und der nach der Rechtsprechung – bei ablehnender Entscheidung auf Abschluss eines Fördervertrags – bestehenden Möglichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung der Förderung, die darauf gerichtete Leistungsklage ein „Rechtsmittel“ iSd § 2 Abs 2 AHG darstellt.
Rechtliche Beurteilung
Nach der Rechtsprechung unterliegen nicht nur die Gebietskörperschaften selbst, sondern – schon wegen ihrer ausschließlich staatlichen Trägerstruktur – auch privatrechtlich agierende Körperschaften und Unternehmen öffentlichen Rechts der Grundrechtsbindung via Fiskalgeltung (vgl. 6 Ob 162/20x). Daraus leitet der Oberste Gerichtshof auch in Zusammenhang mit den infolge der Corona-Pandemie geschaffenen Förderungen für Betroffene einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf ab, dass ihnen solche Förderungen in gleichheitskonformer Weise und nach sachlichen Kriterien ebenso wie anderen Förderungswerbern gewährt werden (vlg zuletzt 2 Ob 50/24b unter Verweis auf VfGH G 202/2020 ua, V 408/2020 ua Pkt 2.4.2.3. = VfSlg 20.397/2020).
Zutreffend argumentiert die Klägerin, dass eine Rechtsmittelmöglichkeit gegen eine ablehnende Entscheidung der COFAG nach der VO Fixkostenzuschuss I nicht vorgesehen ist und sie folglich der Zurückweisung ihres Individualantrags vom 7.6.2021 durch den VfGH auf die gerichtliche Geltendmachung ihres Anspruchs verwiesen war.
Wenngleich nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Maßnahmen zur Ingangsetzung neuer, selbstständiger Verfahren, eben so wenig wie die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof Rettungsmaßnahmen im Sinne des § 2 Abs 2 AHG darstellen, von deren Ergreifung das Entstehen eines Amtshaftungsanspruchs abhinge, beurteilte der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 9/03k die dort gegenständliche Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als Rettungsmaßnahme anderer Art mit der Wirkung, dass die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs erst mit Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs beginnen konnte.
Da noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu vorliegt, ob - mit Blick auf die Verpflichtung ordentlicher Gerichte nach § 89 Abs 2 B-VG - die gerichtliche Geltendmachung von Förderungen gegen den (damals) vom Bund mit der Verteilung der Förderungen betrauten Rechtsträger als - abstrakt taugliche - Rettungsmaßnahme anderer Art zu verstehen ist, mit der Wirkung, dass die Verjährung vor dem rechtskräftigen Abschluss des Zivilverfahrens nicht eintreten kann, und da sich diese Frage auch in anderen gleichgelagerten Fällen stellen wird, wird nachträglich die Zulässigkeit der Revision ausgesprochen.
Dem auf § 508 Abs 1 ZPO gestützten Zulassungsantrag der Klägerin wird deshalb gemäß § 508 Abs 3 ZPO stattge-
geben, und dem Beklagten wird gemäß § 508 Abs 5 ZPO eine
Revisionsbeantwortung freigestellt.