JudikaturOLG Wien

30Bs107/25t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 1. April 2025, GZ **-20, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** vier Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von zwei Jahren und sieben Monaten.

Dem Vollzug liegen zwei im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehende (ON 7) Schuldsprüche des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. August 2023, rechtskräftig am selben Tag, AZ ** (ON 5) wegen § 107 Abs 1 StGB und des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Juni 2023, rechtskräftig am 10. Oktober 2023, AZ ** (ON 6) wegen §§ 107 Abs 1; 15, 105 Abs 1 StGB sowie im Zuge dessen ergangene Beschlüsse auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht, und zwar in Bezug auf die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Jänner 2017, rechtskräftig am selben Tag, AZ ** wegen §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB und die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. November 2017, rechtskräftig am selben Tag, AZ **, wegen §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1; 270 Abs 1 StGB verhängten, ursprünglich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen, zugrunde (ON 3, ON 4).

Das errechnete Strafende fällt auf den 12. November 2025. Die zeitlichen Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen seit 28. Juli 2024 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG seit 2. Jänner 2025(ON 3).

Nachdem die bedingte Entlassung des A* zum Zwei-Drittel-Stichtag mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. Oktober 2024, AZ ** (ON 8), rechtskräftig durch Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 15. November 2024, AZ 30 Bs 180/24a (ON 9), abgelehnt wurde, beantragte der Verurteilte neuerlich seine bedingte Entlassung (ON 2).

Die darüber ergangene Entscheidung des Erstgerichts (ON 13) wurde durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 18. März 2025, AZ 30 Bs 67/25k, (ON 16) aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung in Form der Beischaffung und Einsichtnahme in zumindest sämtliche dem Vollzug zugrundeliegende Urteile aufgetragen.

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des A* aus spezialpräventiven Gründen ab und stützte sich begründend auf das einschlägig getrübte Vorleben des Strafgefangenen sowie die Wirkungslosigkeit bisher gewährter bedingter Strafnachsichten.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Verurteilten (ON 21).

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm nach § 46 Abs 1 StGB der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.

Nach Abs 2 leg cit ist für den Fall, dass ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat, dieser trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um strafbaren Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit ( Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 15/1).

Dabei ist nach § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzuges begonnene freiwillige Behandlung im Sinne von § 51 Abs 3 StGB, die der Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen. Die Anwendung des Rechtsinstituts der bedingten Entlassung soll nach erkennbarer Intention des Gesetzgebers der Regelfall sein, der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe hingegen auf (Ausnahme-)Fälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben.

Wie schon in der Vorentscheidung AZ 30 Bs 180/24a ausgeführt, ist den vollzugsgegenständlichen Urteilen bzw Protokolls- und Urteilsvermerken (ON 5, 6, 17 und 18) und der Strafregisterauskunft (ON 4) zu entnehmen, dass der Strafgefangene vor den letzten beiden, dem nunmehrigen Vollzug zugrundeliegenden Verurteilungen beginnend mit dem Jahr 2015 bereits weitere sieben Mal – teils einschlägig - gerichtlich verurteilt wurde. Dabei wurde ihm bereits mehrmals die Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht - teils unter Anordnung von Bewährungshilfe - gewährt, andererseits hat er auch das Haftübel bereits mehrfach verspürt. Keine dieser Maßnahmen vermochte ihn jedoch bislang nachhaltig davon abzuhalten, neuerlich zu delinquieren und ihn zu einem rechtstreuen Verhalten zu bewegen.

An diesem negativen Kalkül hat sich seit der letzten Entscheidung über die bedingte Entlassung nichts Wesentliches geändert, wenngleich dem Beschwerdeführer zugute zu halten ist, dass er derzeit laufend an wöchentlichen Einzeltherapiegesprächen teilnimmt (ON 2, 3). Insgesamt vermag der Beschwerdeführer allein dadurch und durch die vorgelegte Zusage für einen ambulanten Therapieplatz (ON 19.3) seine schlechte Prognose jedoch nicht ausreichend zu entkräften, zumal ein konkreter Arbeitsplatz weiterhin nicht in Aussicht steht (ON 2, 3 und ON 21, 2).

Wenngleich seine Führung während der Anhaltung ohne Beanstandung verlief (ON 11, 3), ergibt sich schon aus seinem massiv getrübten Vorleben in Verbindung mit der gänzlichen Wirkungslosigkeit sämtlicher bisher erfahrener Sanktionen und Rechtswohltaten, dass die für eine bedingte Entlassung geforderte Annahme, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung auch unter Berücksichtigung begleitender Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werde, derzeit nicht gerechtfertigt ist und weiterhin von einem evidenten Rückfallsrisiko auszugehen ist.

Angesichts der Einbindung von Institutionen innerhalb und außerhalb des Strafvollzugs (ON 11) – wobei die Anstaltsleitung weiterhin Bedenken gegen eine Entlassung äußert (ON 11.1, 4) – wird es unter Berücksichtigung seiner Beschwerdeausführungen daher am Strafgefangenen selbst liegen, die betreuenden und zur Äußerung berechtigten Stellen von der Ernsthaftigkeit und Beständigkeit seiner erkennbar vorhandenen Bemühungen zu überzeugen, um allenfalls eine bedingte Entlassung unter den als sinnvoll erachteten Begleitmaßnahmen (ON 11.4, ON 11.5) doch noch zu ermöglichen.

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das Erstgericht von der beantragten Anhörung des Strafgefangenen zu Recht mangels Zweckmäßigkeit Abstand nehmen konnte, weil er bereits am 14. Oktober 2024 im Verfahren AZ ** vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien seinem Antrag entsprechend persönlich angehört wurde und der persönliche Eindruck in Anbetracht gravierender erwiesener Umstände keine Änderung des Kalküls herbeiführen hätte können (vgl Pieber in WK² StVG § 152a Rz 1).

Der Beschwerde gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss war daher ein Erfolg zu versagen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG).