JudikaturOLG Wien

20Bs97/25y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 21. März 2025, GZ ** 6, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche begründete Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der am ** geborene kroatische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** nunmehr in der Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests (ON 8)eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 21.5.2024 wegen § 12 dritter Fall StGB, §§ 28a Abs 1 erster Fall, 28a Abs 4 Z 3 SMG verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren (ON 3) mit errechnetem Strafende vom 23. Februar 2026.

Der Stichtag für eine bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG war der 23. Februar 2025, zwei Drittel der Sanktion werden am 23. Juni 2025 verbüßt sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss versagte das Landesgericht Korneuburg als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Verurteilten zum Zwei DrittelStichtag aus spezialpräventiven Gründen und verwies auf eine einschlägige Vorstrafe des Strafgefangenen sowie die Tatbegehung der nunmehrigen Anlassverurteilung in offener Probezeit, welche „bereits auf fünf Jahre verlängert werden musste“. Im Übrigen hätten die Zwecke des Strafvollzugs gemäß § 20 StVG bisher nicht erreicht werden können, wobei das Erstgericht davon Abstand nahm, diese Behauptung zu begründen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Strafgefangenen (ON 7), mit der er moniert, dass eine einzige Vorstrafe der gesetzlich geforderten günstigen Prognose nicht entgegenstehe, wobei er sich nicht nur während des Strafvollzugs in der Justizanstalt, sondern auch während des nicht unerheblich langen Zeitraums im elektronisch überwachten Hausarrest bis dato vorbildlich verhalten habe. Dieses Wohlverhalten sei bei der Entscheidung des Erstgerichts in keiner Weise berücksichtigt worden.

Das Erstgericht habe sich auch nicht mit einer Änderung der Verhältnisse, unter denen er die Tat begangen habe, auseinandergesetzt, wobei er sich darüber hinaus im Erstvollzug befinde.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit (Jerabek/Ropper, WK 2StGB § 46 Rz 15/1). Dabei ist wie vom Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigtgemäß § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassungallenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen. Die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe soll aus Sicht des Gesetzgebers der Regelfall sein und die vollständige Verbüßung auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallsrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben (Jerabek/Ropper aaO Rz 17).

In diesem Zusammenhang stützte sich das Vollzugsgericht unsubstantiiert und zum Teil unrichtig auf das einschlägig getrübte Vorleben des Entlassungswerbers, wobei klarzustellen ist, dass er die dem aktuellen Vollzug zugrundeliegenden Taten nicht während der bereits verlängerten Probezeit beging, sondern die Probezeit mit dem nunmehr in Vollzug stehenden Urteil AZ ** verlängert wurde (ON 3).

Im Übrigen sind die Ausführungen des Erstgerichts, wonach die Zwecke des Strafvollzugs gemäß § 20 StVG bisher nicht erreicht werden konnten, nur schwer mit dem Umstand in Einklang zu bringen, dass der Strafgefangene mittlerweile im elektronisch überwachten Hausarrest (§ 156b StVG) angehalten wird, wobei aus der Äußerung des Anstaltsleiters darüber hinaus hervorgeht, dass dem Strafgefangenen im Zeitraum vom 11. Juni 2024 bis 24. August 2024 sechs Ausgänge ohne Beanstandung bewilligt wurden. Der Stellungnahme des Anstaltsleiters sind auch keinerlei Anhaltspunkte für einen Missbrauch der Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests zu entnehmen.

§ 152 Abs 2 erster Satz StVG verpflichtet das Gericht, vor der Entscheidung über eine bedingte Entlassung Einsicht in die Akten über das Strafverfahren und in den Personalakt des Strafgefangenen zu nehmen.

Zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage wird daher der Bescheid über die Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrests beizuschaffen und anschließend begründetdarzulegen sein, ob die für eine bedingte Entlassung erforderliche günstige Prognose getroffen werden kann. Dabei wird insbesondere auf § 46 Abs 4 StGB Bedacht zu nehmen und die Substituierbarkeit des Strafvollzugs durch Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB zu erörtern sein.