JudikaturOLG Wien

21Bs111/25i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 28. Februar 2025, GZ **-10, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene und zu den Tatzeitpunkten somit jugendliche österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** eine mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 29. April 2024, rechtskräftig seit 3. Mai 2024, AZ **, wegen §§ 142 Abs 1 erster Fall, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie § 27 Abs 1 Z 1 siebenter und achter Fall, Abs 3, Abs 5 SMG gemäß §§ 31, 40 StGB über ihn verhängte Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten.

Das errechnete Strafende (§ 148 Abs 2 StVG) fällt auf den 8. Oktober 2026 (ON 5, 1), die Hälfte der Strafzeit wird er am 26. Mai 2025 verbüßt haben, zwei Drittel der Strafzeit werden am 28. November 2025 vollzogen sein (ON 5, 2).

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des A* nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit - in Übereinstimmung mit den ablehnenden Äußerungen der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) sowie der Leiterin der Justizanstalt ** (ON 3, 2) - aus spezialpräventiven Gründen ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Empfang des Beschlusses sofort erhobene und in weiterer Folge (entgegen der Ankündigung) nicht weiter ausgeführte Beschwerde des A* (ON 11), der keine Berechtigung zukommt.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 17 JGG ist einem wegen als Jugendlicher begangenen Straftat Verurteilten der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, wenn er die Hälfte der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, mindestens jedoch einen Monat, verbüßt hat, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.

Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 15/1). Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird und ihr somit zumindest gleiche Wirksamkeit zugebilligt werden kann, ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.

Angesichts der Begehung der dem vollzugsgegenständlichen Urteil zugrunde liegenden Taten als Jugendlicher, bleibt es für die bedingte Entlassung gemäß § 17 Abs 1 JGG außer Betracht, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Zunächst ist positiv hervorzuheben, dass der Strafgefangene - wie aus seinem Antrag auf bedingte Entlassung hervorgeht (ON 2) - angibt, zu bereuen, mit seinem „Handeln Menschen verletzt, getäuscht und geschadet“ zu haben. Zudem ist dem Antrag zu entnehmen, dass er erkannt hat, dass es für seine Zukunft wichtig ist, ein straffreies Leben zu führen und auf diesem Weg eine Ausbildung abzuschließen und einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit in einem stabilen familiären Umfeld nachzugehen. Allerdings ist ihm zu widersprechen, dass er erst „das erste Mal gefallen“ sei. Denn es scheitert eine bedingte Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt - wie das Erstgericht zutreffend unter gründlicher Auseinandersetzung mit sämtlichen dafür wesentlichen Umstände ausgeführt hat - derzeit noch an massiven spezialpräventiven Bedenken.

Der Strafregisterauskunft des A* ist zu entnehmen, dass er erstmalig wegen mehrfacher im Alter von gerade einmal 14 Jahren begangener Verbrechen des schweren Raubes, des Betrugs und der Nötigung zunächst zu einer unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde. Ungeachtet dieser in Schwebe stehenden hohen Freiheitsstrafe sowie der zusätzlichen Beigebung von Bewährungshilfe musste er wegen einer während der Probezeit begangenen Tat am 26. März 2021 vom Landesgericht Korneuburg wegen des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15 Abs 1, 144 Abs 1 StGB mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 2. Juni 2021, rechtskräftig seit 8. Juni 2021 (AZ **), neuerlich zu einer unter Bestimmung eines Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt werden. Völlig unbeeindruckt von mittlerweile zwei Verurteilungen zu in Schwebe gehaltenen Freiheitsstrafen von insgesamt zwei Jahren und zehn Monaten sowie der Anordnung von Bewährungshilfe wurde er am 6. Oktober 2023 neuerlich straffällig und dafür vom Landesgericht Korneuburg am 29. November 2023, rechtskräftig seit 5. Dezember 2023, AZ **, wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Noch während des zu diesem Urteil führenden Ermittlungsverfahrens, und zwar noch bis zu einem Tag vor Beginn der Hauptverhandlung, beging der Strafgefangene schließlich die dem vollzugsgegenständlichen Urteil zugrunde liegenden schweren Tathandlungen. Dem zuletzt gegen A* ergangenen Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 29. April 2024, rechtskräftig seit 3. Mai 2024, ist zu entnehmen, dass A* gemeinsam mit einem weiteren Mittäter das Verbrechen des schweren Raubes beging, indem er gemeinsam mit einem weiteren Mittäter (der das Opfer mehrfach mit der Faust schlug und es auch trat) seinem Opfer anlässlich eines geplanten Verkaufs von Suchtgift mit einem Schlagring und mehrmals mit den Fäusten auf den Kopf schlug, wodurch sie beim Opfer eine Gehirnerschütterung mit Bewusstlosigkeit, eine Rissquetschwunde rechtsseitig an der Stirn, ein Hämatom in der Augenregion, ein Hämatom am Nasenrücken, eine Weichteilschädigung an der linken Gesichtshälfte sowie Beschädigungen von vier Zähnen verursachten und ihm dadurch eine Geldbörse mit etwa 12 Euro Bargeld und ein iPhone 11 abnötigten, und A* alleine im Zeitraum von 1. September bis zum 28. November 2023 in 19 Angriffen Suchtgift in Form von Cannabis, Kokain, Speed und Ecstasy an andere überlassen bzw zu überlassen versucht hat.

Wenngleich der Strafgefangene nach seiner bedingten Entlassung aus der aufgrund des Bedachtnahmeurteils über ihn verhängten Freiheitsstrafe und somit seit 22. März 2024 bis zum Antritt des Vollzugs der über ihn mit dem vollzugsgegenständlichen Urteil verhängten Freiheitsstrafe keine strafbaren Handlungen begangen hat, so zeigt nicht nur die regelmäßige Abfolge von Verurteilungen seit seiner Strafmündigkeit die Unbeeindruckbarkeit des Strafgefangenen von staatlichen Reaktionen auf, sondern auch die Art der von A* verübten Taten, wobei er die ihm zweifach gewährten Resozialisierungschancen in Form von bedingten Strafnachsichten unter Beigebung von Bewährungshilfe nicht zu nutzen wusste. Sämtliche der von ihm verübten Taten haben als gemeinsames Merkmal die Bedrohung von Personen und die rücksichtslose Verletzung des Rechtsgutes der körperlichen Unversehrtheit im Wesentlichen zum Zweck der Abnötigung von zumeist geringwertigen Wertgegenständen, wobei er seine kriminelle Energie bis zuletzt noch steigerte.

Aus all dem erhellt deutlich, dass bisher weder bedingte Strafnachsichten noch die Anordnung von Bewährungshilfe die erhoffte deliktsabhaltende Wirkung auf den Strafgefangenen hatten und nicht einmal ansatzweise eine nachhaltige Verhaltensänderung zu bewirken vermochten.

Wie das Erstgericht ebenfalls zutreffend festhielt, sind auch die bloße Wohnmöglichkeit des Strafgefangenen bei seiner Mutter angesichts diesbezüglich unveränderter Verhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt der Begehung der dem vollzugsgegenständlichen Urteil zugrunde liegenden Taten und die bloßen - wenngleich positiv zu bewertenden - Bestrebungen des Strafgefangenen, die Ausbildung zum Elektriker absolvieren zu wollen, nicht geeignet, der bedingten Entlassung zumindest gleiche Wirksamkeit wie dem weiteren Vollzug attestieren zu können.

Vor dem Hintergrund dieser individual-präventiv negativ geprägten Zukunftsprognose ist auch nicht ersichtlich, mit welchen Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB diesem negativen Kalkül wirksam begegnet werden könnte.

Wenngleich der Rechtsmittelsenat nicht unberücksichtigt lassen will, dass sich Jugendliche im Alter des Strafgefangenen notorisch in einem ständigen Entwicklungsprozess befinden und sie daher nicht ausschließlich an früheren Verfehlungen zu messen sind, und erste Anzeichen positiver Entwicklung Beachtung finden sollten, so wäre es im vorliegenden Fall angesichts einer aus den Taten hervorgehenden gewissen Verfestigung krimineller Energie verfrüht, bereits von einer in Gang gesetzten Verhaltensänderung auszugehen.

Hinzu tritt, dass über den Strafgefangenen bereits eine Ordnungsstrafe verhängt werden musste, weil er „rund um den 29.12.2024 in der Freigängerabteilung Kokain konsumiert“ und von einem anderen Strafgefangenen eine Grammwaage übernommen hat (ON 6, 7), was aufzeigt, dass es dem Strafgefangenen nicht einmal unter den kontrollierenden Bedingungen der Haft gelingt, sich regelkonform zu verhalten. Auch dies zeigt auf, dass beim Verurteilten bisher noch kein ausreichender Umdenkprozess stattgefunden hat.

Es wird daher am Beschwerdeführer liegen, durch ein hausordnungsgemäßes Verhalten unter Beweis zu stellen, dass einer bedingten Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit kein evidentes Rückfallrisiko entgegensteht.

Da der angefochtene Beschluss der Sach- und Rechtslage entspricht, ist der dagegen gerichteten Beschwerde der Erfolg zu versagen.