21Bs96/25h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. Februar 2025, GZ ** 11.1, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am ** geborene albanische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt ** eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. November 2023, rechtskräftig seit 25. November 2023, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs 4 Z 3 SMG und weiterer Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren.
Das errechnete Strafende fällt unter Berücksichtigung des § 148 Abs 2 StVG auf den 6. April 2027 (ON 2, 1). Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit werden am 6. April 2025, jene nach zwei Dritteln der Strafzeit am 6. Dezember 2025 vorliegen (ON 2, 2).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Wiener Neustadt als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Genannten zum Hälftestichtag nach dessen Anhörung am 27. Februar 2025 (ON 9) - in Übereinstimmung mit der Äußerung der Staatsanwaltschaft (ON 1.2), jedoch entgegen der aufgrund des guten Führungsverhaltens des Verurteilten einer bedingten Entlassung nicht entgegentretenden Stellungnahme des Leiters der Justizanstalt Wiener Neustadt (ON 3) - zusammengefasst aus spezial- sowie generalpräventiven Gründen ab.
Dagegen richtet sich die nach Verkündung dieses Beschlusses angemeldete (ON 9, 2) und zu ON 12 rechtzeitig ausgeführte Beschwerde des A*, mit der er unter Hinweis auf sein gutes Führungsverhalten, seine Reue über die von ihm begangene Tat und den durch die bereits verbüßte Strafhaft erzielten abschreckenden Effekt sinngemäß die vom Erstgericht geäußerten spezial- sowie generalpräventiven Bedenken in Frage stellt und neuerlich seine bedingte Entlassung begehrt.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach Abs 4 leg cit ist besonders zu beachten, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch die Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch begleitende Maßnahmen ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung in Bezug auf künftige Straffreiheit voraus. Bei einer zu erstellenden Verhaltensprognose sind insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Überlegungen einzubeziehen ( Jerabek / Ropper , WK 2StGB § 46 Rz 15/1).
Gemäß § 46 Abs 2 StGB ist ein Verurteilter, der die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe verbüßt hat, trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 leg cit solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ist bei der hier anzustellenden Prognose ungeachtet der Beteuerungen des Strafgefangenen seine Taten zu bereuen, von einer hohen Rückfallswahrscheinlichkeit auszugehen. Wie sich aus der aus der Schweiz eingeholten Strafregisterauskunft ergibt, wurde A* dort bereits dreimal verurteilt. Wenngleich diese Verurteilungen überwiegend wegen – für das vollzugsgegenständliche Verfahren irrelevant - rechtswidriger Einreise und rechtswidrigen Aufenthalts im Sinne des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer ergingen, so erfolgte die erste Verurteilung durch das Bezirksgericht Zürich vom 8. September 2014, AZ DG *, (zu einer „unbedingt vollziehbaren“ Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, aus der er am 8. September 2014 bedingt entlassen wurde) wegen des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz nach Art 19 Abs 1 BetmG (ON 8, 3) und somit wegen einer spezifisch einschlägigen Vorstrafe.
Der ECRIS-Auskunft aus Deutschland ist zu entnehmen, dass der Strafgefangene mit Urteil des Amtsgerichtes Kassel vom 29. Juli 2019, *, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (somit bereits) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt wurde, deren Vollzug unter Setzung einer Probezeit bis 5. August 2023 ausgesetzt wurde (ON 7).
Wenngleich die erste Verurteilung durch das Bezirksgericht Zürich bereits über zehn Jahre zurückliegt, so erfolgte diese wegen einer spezifisch einschlägigen Tat, aufgrund derer er auch das Haftübel verspürte. Auch die Verurteilung aus dem Jahr 2019 erging wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und somit bereits nach der Bezeichnung des Delikts spezifisch einschlägig zu den der vollzugsgegenständlichen Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen.
Weder erwiesen sich zwei Verurteilungen wegen spezifisch einschlägiger Delikte, noch das Verspüren des Haftübels und auch die Gewährung von Resozialisierungschancen in Form einer bedingten Entlassung und der bedingten Nachsicht des Vollzugs einer über ihn verhängten Freiheitsstrafe als geeignet und ausreichend, den Strafgefangenen von der Begehung der dem vollzugsgegenständlichen Urteil zugrundeliegenden schwerwiegenden Tathandlungen nach dem Suchtmittelgesetz abzuhalten. In der Zeit vom 29. März bis zum 6. April 2023 bunkerte der Strafgefangene etwa 1,7 Kilo Kokain und etwa 470 Gramm Cannabis zum Zwecke des gewinnbringenden Verkaufs in einer Wohnung in **, bot ein Kilogramm Kokain einem verdeckten Ermittler an und überließ in vier Angriffen insgesamt 153 Gramm Kokain (ON 6, 3 f). Dabei ist zu beachten, dass von diesen Tathandlungen aufgrund des hohen Reinheitsgehalts des Kokains im Ausmaß von 53% an Cocain und aufgrund der beträchtlichen Mengen an Suchtgift insgesamt eine hohe Gefährlichkeit ausging.
All dies zeigt somit deutlich auf, dass vorangegangene Verurteilungen, die Gewährung von Resozialisierungshilfen oder das Verspüren des Haftübel nicht nur keinen Eindruck auf den Strafgefangenen zu machen vermochten, sondern er sich zuletzt sogar noch in seiner kriminellen Energie steigerte.
Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die bisher in Strafhaft verbrachte Zeit bereits ausgereicht hat, abhaltende Wirkung auf den Strafgefangenen zu erzielen und den dazu erforderlichen Umdenkprozess im ausreichenden Maße auszulösen. Die aufgrund der dargelegten Parameter für den Strafgefangenen zu erstellende individual-präventiv deutlich negativ geprägte Zukunftsprognose erfordert daher mit Blick auf die völlige Wirkungslosigkeit ihm bisher gewährter Resozialisierungschancen den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe, um dem Strafgefangenen deutlich vor Augen zu führen, dass bei weiterem Verüben von der Schwerstkriminalität zuzuordnenden strafbaren Handlungen nicht nur mit spürbaren Sanktionen, sondern auch mit deren konsequentem Vollzug gerechnet werden muss.
Bei einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände kann die angestrebte Korrektur bei A* ungeachtet seiner Beteuerungen, seine Taten zu bereuen, derzeit auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB derzeit nur durch den weiteren Strafvollzug mit einigem Aussicht auf Erfolg bewirkt werden. Die Entlassung des Strafgefangenen zum frühestmöglichen Zeitpunkt bei gleichzeitigem Fehlen aussichtsreicher Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB kommt derzeit daher nicht in Betracht.
Es wird jedoch am Strafgefangenen liegen, durch weiterhin gute Führung und Erbringung einer guten Arbeitsleistung unter Beweis zu stellen, dass ihm ab der Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe kein evidentes Rückfallrisiko mehr attestiert werden kann.
Angesichts gravierender spezialpräventiver Bedenken war auf die vom Angeklagten bestrittenen und vom Erstgericht zusätzlich herangezogenen generalpräventiven Erfordernisse nicht mehr einzugehen.
Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen.