1R1/25m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Weixelbraun als Vorsitzenden und die Richterinnen Mag a . Klenk und Mag a . Tscherner in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geb. **, **, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, FN **, **, vertreten durch die HSP Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 1.008.841,53 (hier: wegen Akteneinsicht) über den Rekurs (Rekursinteresse EUR 5.000) des Einschreiters C*, **, vertreten durch die Orsini und Rosenberg Striessnig Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 15.11.2024, **-59, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Einschreiter C* hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung
Der Kläger hat der Beklagten mit Kaufvertrag vom 12.6.2019 Liegenschaftsanteile an der EZ ** KG ** verkauft, mit denen Wohnungseigentum an den Wohnungen Top 16, 17 und 18 verbunden ist. Die Kaufvertragsparteien haben die Fälligkeit des Kaufpreises in mehreren Tranchen vereinbart. Die Beklagte hat einen Teilbetrag von EUR 1.400.000 gezahlt. Laut Kaufvertrag sind spätestens seit 1.5.2021 weitere EUR 1 Million fällig, die die Beklagte nicht gezahlt hat. Diesen Betrag macht der Kläger nunmehr - zusammen mit Rechtsberatungskosten von EUR 8.841,53 - mittels Klage vom 15.12.2021 geltend.
Die Beklagte hat im Wesentlichen eingewendet, dass der offene Kaufpreisanteil nicht zustehe, weil die Beklagte aufgrund von Mängeln zur irrtums- und gewährleistungsrechtlichen Wandlung berechtigt sei, die sie in der Klagebeantwortung erklärt hat. Jedenfalls sei sie aber zu einer entsprechenden Minderung des Kaufpreises berechtigt. Laut Kaufvertrag habe der Kläger dafür Gewähr geleistet, dass die Baubewilligung genehmigungskonform konsumiert worden sei. Tatsächlich weise der Kaufgegenstand eine Vielzahl von gravierenden Abweichungen zum bestehenden Baubewilligungsbescheid auf und es liege ein den gesetzlichen Bauvorschriften widersprechender Bauzustand vor. Die Fertigstellungsanzeige und die Bescheinigung des Bauführers zur Fertigstellungsanzeige gemäß § 128 Abs 1 WR-BauO seien außerdem unrichtig.
Die genannte Bescheinigung des Bauführers hat als Auftragnehmer des Klägers der nunmehrige Rekurswerber [= Einschreiter ] erstellt. Die Beklagte macht gegenüber ihm und der Erstellerin der Fertigstellungsanzeige in einem Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt zu ** [ Parallelverfahren ] einen auf die Verletzung eines Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter gestützten Schadenersatzanspruch geltend.
Am 14.10.2024 beantragte der Einschreiter die Gewährung von Akteneinsicht gemäß § 219 Abs 2 ZPO (ON 55). Im Parallelverfahren behaupte die (hier) Beklagte Schadenersatzansprüche ihm gegenüber und begründe diese insbesondere auch mit den Erkenntnissen aus dem vorliegenden Verfahren. Dazu habe die (hier) Beklagte auch die im vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen DI D* vorgelegt. Da sich die Beklagte im Parallelverfahren auf Verfahrensergebnisse des vorliegenden Verfahrens stütze und im Parallelverfahren auch bereits Aktenbestandteile daraus vorgelegt habe, habe der Einschreiter ein besonderes rechtliches Interesse an einer Akteneinsicht. Da die Themen des vorliegenden Verfahrens offenkundig maßgeblich für die vermeintlichen Schadenersatzansprüche der (hier) Beklagten gegenüber dem Einschreiter seien, möchte sich der Einschreiter eine Klarheit über mögliche Beweismittel durch die Akteneinsicht verschaffen. Insbesondere auch über eventuelle Verteidigungsmittel, weil ein wesentlicher Punkt des Parallelverfahrens die Verjährung betreffe. Es bestünden begründete Anzeichen, dass sich im vorliegenden Verfahren Informationen über die zeitlichen Abläufe befänden, so wie dies auch teilweise im Gutachten des Sachverständigen DI D* [ON 25.1] angedeutet werde.
Zur Bescheinigung seines Begehrens legte der Einschreiter die Klage und den vorbereiteten Schriftsatz der (hier) Beklagten im Parallelverfahren vor (in ON 55).
Beide Parteien sprachen sich gegen die Gewährung der Akteneinsicht aus.
Mit dem angefochtenen Beschluss erteilte das Erstgericht dem Einschreiter ( 1. ) Akteneinsicht im Hinblick auf das Sachverständigengutachten ON 25.1, die Äußerung des Sachverständigen ON 35, die erste Ergänzung und Korrektur des Gutachtens ON 36 und einen Bericht des Sachverständigen ON 50 sowie ./ W, ./Z, ./AB, ./1, ./2, ./5, und ./9 bis ./24 und wies ( 2. ) den Antrag im darüberhinausgehenden Umfang ab. Die Parteien hätten ( 3. ) die Kosten ihrer Äußerungen jeweils selbst zu tragen.
Das Erstgericht erkannte dem Einschreiter ein berechtigtes Interesse an der Abwehr von Ansprüchen zu; im Parallelverfahren beziehe sich die hier Beklagte ausdrücklich auf das Sachverständigengutachten des DI D* (3.5. der vom Einschreiter vorgelegten Klage im Parallelverfahren).
Im Rahmen einer Interessenabwägung kam das Erstgericht zu dem Schluss, dass das Interesse des Einschreiters an der Vorlage der vom Sachverständigen erstellten Dokumente überwiege, weil die Beklagte selbst Teile davon im Parallelverfahren vorgelegt habe. Nur bei Kenntnis sämtlicher Dokumente des Sachverständigen könne der Einschreiter die von der Beklagten vorgelegten Aktenteile hinreichend einordnen. Bei den übrigen Urkunden und Schriftsätzen der Parteien sei nicht auszuschließen, dass schutzwürdige Informationen über die Geschäftsbeziehung der Parteien enthalten seien. Insofern überwögen die Geheimhaltungsinteressen der Parteien das Informationsinteresse des Einschreiters.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Einschreiters wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss dahingehend abändern, dass ihm die vollständige Akteneinsicht gewährt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Parteien haben sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. § 219 Abs 2 ZPO normiert ein Recht Dritter auf Akteneinsicht, die, wenn die Parteien nicht ohnehin zustimmen, soweit zusteht, als ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.
Stimmen die Parteien wie hier dem Begehren auf Akteneinsicht nicht zu, ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob ein rechtliches Interesse des Dritten, der Einsicht begehrt, besteht. Erst wenn dieses bejaht wird, ist die Abwägung vorzunehmen, ob das Recht des Dritten dasjenige der Verfahrensparteien überwiegt (RS0079198 [T6]; 16 Ok 9/14f mwN).
Das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht muss konkret gegeben sein. Die Einsichtnahme und Abschriftnahme muss Bedeutung für die rechtlichen Verhältnisse des Dritten haben, und die Kenntnis des betreffenden Akteninhalts muss sich auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Dritten günstig auswirken, sei es auch nur dadurch, dass er instandgesetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten. So kann ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht etwa durch die Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen begründet sein. In diesem Zusammenhang kann der Dritte auch ein rechtliches Interesse daran haben, für ihn ungünstige Umstände zu erkennen. Das rechtliche Interesse kann unter den angeführten Voraussetzungen aber nur dann anerkannt werden, wenn der Dritte aus dem Akt etwas erfahren will, was er nicht weiß, aber zur Wahrung seiner Interesse wissen muss (RS0037263; 6 Ob 45/19i; 8 Ob 4/03a ua).
2. Zwar genügt es, wenn der Akteninhalt den Rechtskreis des Antragstellers auch nur mittelbar berührt, wobei eine weitherzige Handhabung angezeigt ist (RS0037263 [T5]. Von der die Akteneinsicht beantragenden Person kann auch nicht mit einem Hinweis auf das Verbot des Ausforschungsbeweises verlangt werden, die Kenntnis der Tatsachen genau anzugeben, die sie sich aus der Akteneinsicht erwartet, liegt doch dem Antrag auf Akteneinsicht notwendigerweise ein Ausforschungsinteresse zugrunde (16 Ok 9/14f); immerhin kann der Antragsteller erst durch die Akteneinsicht Kenntnis von den relevanten Umständen erlangen (vgl auch Rassi in Fasching/Konecny 3 II/3 § 219 ZPO Rz 49).
3. Dass die Anforderungen an die Begründung eines rechtlichen Interesses nach dieser Rechtsprechung nicht sehr streng sind, entbindet den Antragsteller nicht von der Pflicht, ein solches konkret darzutun. Mit seiner Begründung, Themen des vorliegenden Verfahrens seien offenkundig maßgeblich für die im Parallelverfahren geltend gemachten Schadenersatzansprüche und er wolle sich Klarheit über mögliche Beweismittel verschaffen, insbesondere auch über eventuelle Verteidigungsmittel, weil ein wesentlicher Punkt des Parallelverfahrens die Verjährung betreffe, gelingt dies dem Einschreiter hier nicht:
Dieses Vorbringen lässt nicht erkennen, was der Einschreiter im Sinn der unter 2. dargestellten Rechtsprechung nicht wissen, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen müssen sollte und aus dem Akt erfahren wollte. Der Einschreiter behauptet das Bestehen „ begründeter Anzeichen “ dafür, dass sich im vorliegenden Verfahren „ Informationen über die zeitlichen Abläufe befänden “, so wie dies auch teilweise im Gutachten des Sachverständigen angedeutet werde. Er hätte damit, um eine hinreichende Überprüfung der Berechtigung seines Antrags zu ermöglichen, zumindest offenzulegen gehabt, worin diese Andeutungen im Gutachten über zeitliche Abläufe bestehen sollten, was er aber auch im Rekurs nicht unternimmt. Abgesehen davon, dass das Erstgericht mit dem unangefochtenen Teil seines Beschlusses dem Einschreiter ohnehin die Einsicht in sämtliche schriftlich vorliegende Äußerungen des Sachverständigen sowie in zahlreiche Beilagen bewilligt hat, legt der Einschreiter nicht hinreichend konkret dar, zu welchen Themen für seine rechtlichen Verhältnisse bedeutsame Informationen aus dem darüber hinausgehenden Akteninhalt zu erwarten sein sollten, die er nicht kennt oder nicht schon aufgrund seiner Beteiligung am Umbau des Kaufgegenstands ohne weiteres in Erfahrung bringen könnte.
4. Da die Bewilligung der Akteneinsicht schon an der Dartuung eines rechtlichen Interesses des Einschreiters scheitert, kommt es auf die Frage, mit welchem Ergebnis die Interessen des Einschreiters und der Verfahrensparteien gegeneinander abzuwägen wären, nicht an.
5. Schon weil der Einschreiter mit seinem Rekurs nicht durchdringt, hat er die Rekurskosten selbst zu tragen. Daneben findet im Verfahren über das Recht zur Akteneinsicht gegenüber Dritten kein Kostenersatz statt ( Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 1.115).
Der Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.