Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* B*wegen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1, Abs 2 Z 1 und Z 2, Abs 3 erster Fall StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 21. Oktober 2025, Hv*-20, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Festnahme des A* B*, geboren **, aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO angeordnet.
Begründung:
Zu Hv* des Landesgerichts Salzburg behängt gegen A* B* ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach (orientiert am angeklagten Sachverhalt) § 107a Abs 1, Abs 2 Z 1 und Z 2, Abs 3 erster Fall StGB. Diesem liegt ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 29. September 2025 (ON 11) zu Grunde.
Demnach habe der Genannte „ im Zeitraum von zumindest 1. Juni 2024 bis zumindest 25. September 2025, sohin über eine längere Zeit hindurch, in C* und andern Orts, D* E* trotz Bestehens von einstweiligen Verfügungen in einer Weise, die geeignet war, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er wiederholt im Wege der Telekommunikation Kontakt mit ihr herstellte, indem er eine Vielzahl von Nachrichten sowie Anrufe tätigte sowie wiederholt ihre räumliche Nähe aufsuchte, indem er vor ihrem Wohnblock steht und beobachtet und manchmal auf diese wartet, um diese zu beschimpfen“.
Am 20. Oktober 2025 erklärte die Staatsanwaltschaft, diesen Strafantrag mit Blick auf den Tatzeitraum bis zum 14. Oktober 2025 auszudehnen und beantragte zudem (hier relevant) die Erlassung einer Festnahmeanordnung gegen A* B* wegen Tatbegehungs- („und Ausführungs-“)gefahr gemäß § 170 Abs 1 Z 4 StPO, weil der Angeklagte trotz bereits behängendem Hauptverfahren und dem Bestehen einer einstweiligen Verfügung nach wie vor intensiven Kontakt zu D* E* suche (ON 1.14).
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht diesen Antrag abgewiesen, weil die Anordnung der Festnahme nicht verhältnismäßig sei (ON 20).
Die dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde (ON 21), zu welcher sich der Angeklagte im Wege seines Verteidigers mit Eingabe vom 3. November 2025 geäußert hat, ist berechtigt.
Die Festnahme einer Person setzt nach § 170 Abs 1 StPO zunächst voraus, dass diese einer strafbaren Handlung (begründet) verdächtig ist.
Der gegen den Angeklagten bestehende Verdacht gründet primär auf den Angaben der Zeugin D* E*, wobei die (Vielzahl der) Kontaktaufnahmen per se – auch jene nach Erlassung der einstweiligen Verfügung gegen ihn, aber selbst nach Einleitung des Strafverfahrens - von A* B* zugestanden werden. Dieser rechtfertigt sich damit, mit E* vom 4. Mai 2023 bis Juni 2025 nahezu durchgehend eine sexuelle Beziehung unterhalten zu haben. Dass sie dennoch rechtlich gegen ihn vorgegangen sei, liege seiner Ansicht nach am Einfluss ihres eifersüchtigen Lebensgefährten bzw daran, dass er (B*) zuviel über ihre Männerbekanntschaften wisse (ON 2.6, ON 13.6). Eine intime Beziehung mit dem Angeklagten wird von E* allerdings bestritten. Es handle sich bei ihm lediglich um einen Bekannten, der sich ihrer Ansicht nach in sie verliebt habe und sie deshalb verfolge (ON 2.9, S 2 in ON 2.16, ON 9.3).
Zu *Gz C* des Bezirksgerichts Salzburg wurde am 26. Juni 2024 – basierend auf von D* E* glaubhaft geschilderten Vorfällen bzw unerwünschten Kontaktaufnahmen des Angeklagten seit April 2023 – für die Dauer von einem Jahr eine einstweilige Verfügung gegen A* B* erlassen, die ihm ua jegliche Kontaktaufnahme mit E* untersagt. Auch muss er eine Entfernung von hundert Metern zu ihr und ihrer Wohnadresse einhalten. Der Bezug habende Beschluss erwuchs am 17. Juli 2024 in Rechtskraft (ON 4). Mit seit 7. März 2025 rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 12. Februar 2025 wurde die einstweilige Verfügung um ein Jahr verlängert (ON 5).
Von D* E* wurde schließlich am 30. Juli 2025 Anzeige erstattet, weil der Angeklagte sie ungeachtet der einstweiligen Verfügung wiederkehrend vor ihrer Wohnung beobachtet habe und telefonisch mit ihr in Kontakt getreten sei, wobei er am 30. Juli 2025 darüber hinaus eine Getränkedose, eine Zigarettenschachtel und Pflanzenreste (Lichtbild S 2 in ON 2.14) vor ihrer Tür abgelegt habe (ON 2.9).
Hiezu wurde der Angeklagte am 26. August 2025 von der Polizei vernommen und mit ihm von der Polizei ein Normverdeutlichungsgespräch geführt (S 4 in ON 2.2).
Bereits am 18. September 2025 teilte D* E* der Staatsanwaltschaft im Wege ihres Rechtsvertreters mit, dass es am 31. Juli 2025, 12. August 2025, 1. September 2025, 4. September 2025, 6. September 2025, 11. September 2025, 13. September 2025 und 15. September 2025 – sohin unter anderem nach bereits erfolgter Beschuldigteneinvernahme - zu weiteren, in einer handschriftlich angefertigten Liste vermerkten Anrufen des Angeklagten gekommen sei (ON 7). Diesbezüglich wurde von ihr zudem neuerlich Anzeige bei der Polizei erstattet (ON 8; ON 9.7) und wurden Aufnahmen von ihr angenommener Anrufe vorgelegt (ON 10.2 und ON 10.3). Die auf diesen zu hörende männliche Stimme identifiziere sie als jene des Angeklagten. Selbst während ihrer Anwesenheit auf der Polizeiinspektion C* Hauptbahnhof habe sie einen derartigen Anruf, bei welchem von ihr wiederum die Stimme des Angeklagten erkannt wurde, erhalten (S 4 in ON 9.3). Eine von der Polizei angefertigte Liste der vom 31. Juli 2025 bis 25. September 2025 erfolgten 412 Anrufe des Angeklagten findet sich in ON 9.6. Weitere Anrufe wurden von E* bis 28. September 2025 dokumentiert (S 2 in ON 13.2). Sie habe bislang dreimal die Telefonnummer gewechselt (S 4 in ON 9.3).
Bei seiner Beschuldigteneinvernahme am 1. Oktober 2025 gestand A* B* die weiteren Kontaktaufnahmen zu. Er habe E* zur Zurückziehung der Anzeige sowie zu einer Vorsprache bei der Landespolizeidirektion C* bewegen wollen (ON 13.6).
Mit namens E* erfolgter Eingabe vom 15. Oktober 2025 wurden weitere von der Nummer des Angeklagten (S 12 in ON 18.2., S 1 in ON 2.2) übermittelte Textnachrichten vorgelegt, welche sie in der Zeit vom vom 12. Oktober 2025 bis 14. Oktober erhalten habe (ON 18). Wenngleich diese Nachrichten nicht mit einem Datum versehen sind, bestehen keine Hinweise darauf, dass es sich bei der zeitlichen Einordnung durch die Zeugin um unrichtige Angaben handeln sollte. So haben sich deren Aussagen zu den Kontaktaufnahmen bislang durch die Einlassung des Angeklagten selbst bestätigt.
Dass D* E* eine einstweilige Verfügung gegen den Angeklagten und deren Verlängerung erwirkt sowie A* B* zudem bei der Polizei – wiederholt – zur Anzeige bringt, nur um sich vor ihrem Lebensgefährten zu rechtfertigen bzw auf dessen Druck oder auf Sonderwissen des Angeklagten zu reagieren, erscheint kaum lebensnah.
Ob, und allenfalls warum es zu den vom Angeklagten für vereinzelte Tage im März und Juni 2025 notierten Gelegenheiten (ON 19.3) zu einer telefonischen oder persönlichen Kontaktaufnahme über Betreiben der E* gekommen sein soll, ist bislang allerdings nicht verifiziert. Während der Zeuge F* (ON 23.2) bestätigt, dass der Angeklagte im Mai/Juni 2025 das von ihm gefahrene Taxi zweimal in Begleitung einer weiblichen, ihm als Freundin des Angeklagten benannte Person zurückgestellt hat und nach den Angaben des Zeugen G* (ON 23.4) eine ihm unbekannte Frau eines Nachts im Juni 2025 seine Türglocke geläutet habe und zum Angeklagten gegangen sei, vermochte H* als Zeuge einvernommen (ON 23.5) die Angaben des Angeklagten, wonach er E* einmal bei der Wohnung von A* B* abgesetzt habe, nicht zu bestätigen bzw schloss er dies ausdrücklich aus.
Auch der Herkunft eines vom Angeklagten vorgelegten Lichtbilds, dass D* E* im Oktober 2024 beim Ankleiden in seiner Wohnung zeigen soll (ON 2.13), wurde bislang nicht nachgegangen. Da das Foto zeitlich nach Erwirken der einstweiligen Verfügung entstanden und D* E* auch im Juni 2025 mit dem Angeklagten gemeinsam in einem Taxi gefahren sein soll, kommt der diesbezüglichen Abklärung mit Blick auf die subjektiven Tatseite besondere Bedeutung zu. Eine Befragung der Anzeigerin hiezu wurde bislang nicht vorgenommen.
Spätestens mit Anzeigenerstattung durch D* E* bzw der Beschuldigteneinvernahme am 26. August 2025 - zu einem Zeitpunkt, zu welchem der Kontakt selbst nach den Angaben des Angeklagten beendet gewesen und es auch zu keinen von ihr initiierten Treffen mit E* mehr gekommen sei - ist ihm zweifelsohne klar gewesen, dass eine Kontaktaufnahme, die nun auch mithilfe der Strafverfolgungsbehörden unterbunden werden sollte, unter keinen Umständen erwünscht ist. In diesem Sinne wurde durch die Polizei auch ein Normverdeutlichungsgespräch mit ihm geführt (S 4 in ON 2.2).
Dennoch hat er zugestandenermaßen – ungeachtet der einstweiligen Verfügung, der Strafanzeige und der Normverdeutlichung durch die Polizei – über mehrere Wochen hinweg in einer Vielzahl von Angriffen den Kontakt zu D* E* herzustellen versucht, um sie zu einer Zurückziehung der Anzeige zu bewegen. Der Angeklagte gesteht daher zu, den Kontakt auch nach der Anzeigenerstattung bewusst hergestellt bzw. dies versucht zu haben. Es ist somit indiziert, dass er es (spätestens ab dem Zeitpunkt seiner Einvernahme vor der Polizei) ernstlich für möglich hielt, D* E* durch sein Verhalten – wie von ihr angezeigt - in ihrer Lebensführung zu beeinträchtigen, sich damit im genannten Zeitraum jedoch abfand.
A* B* ist daher begründet verdächtig, das Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und 2 Z 1 und Z 2 StGB begangen zu haben.
Auch der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO ist gegeben, weil der Angeklagte seine Tathandlungen ungeachtet nicht nur einer einstweiligen Verfügung, sondern insbesondere ungeachtet des gegen ihn bereits eingeleiteten Strafverfahrens über mehrere Wochen hinweg fortgesetzt und sich von diesen Maßnahmen gänzlich unbeeindruckt gezeigt hat. Dies lässt ernsthaft befürchten, dass er auch weiterhin solche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Taten begehen werde.
Eine Substitution der Festnahme (§ 170 StPO) durch gelindere Mittel, wie vom Angeklagten in seiner Stellungnahme zur Beschwerde angesprochen, sieht das Gesetz nicht vor (vgl RIS-Justiz RS0131863).
Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist auf die den Gegenstand des Tatverdachts bildende konkrete Verwirklichung der Tat, die dem Beschuldigten/Angeklagten angelastet wird, Bedacht zu nehmen. Die Festnahme muss aber nicht nur zur Bedeutung der Sache, sondern im Speziellen auch zum Gewicht der Straftat in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl Nimmervoll , Haftrecht 3 Z 57 f mwN).
Das Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen. Die Verhältnismäßigkeit ist fallkonkret insoweit zu bejahen, als nicht allein auf die Art der Kontaktaufnahme abzustellen, sondern auch ins Kalkül zu ziehen ist, dass die Verfolgungshandlungen letztlich nicht nur trotz einstweiliger Verfügung, sondern auch trotz bereits behängendem Strafverfahren gesetzt wurden. Das Opfer erweist sich der Verdachtslage folgend dadurch dem Angeklagten gleichsam ausgeliefert, worin ein hoher sozialer Störwert begründet liegt. Seiner Hartnäckigkeit kann aktuell lediglich mit einer Festnahme begegnet werden.
Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft war daher im Ergebnis Folge zu geben und die Festnahme des A* B* aus dem evidenten Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO anzuordnen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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