JudikaturOLG Linz

7Bs135/25i – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
17. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Hemetsberger als Vorsitzende, die Richterin Dr. Ganglberger-Roitinger und den Richter Mag. Grosser in der Strafvollzugssache der A* wegen bedingter Entlassung über die Beschwerde der Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 6. August 2025, BE*-6, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass A* aus der mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 23. April 2025,  Hv*, über sie verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten am 3. November 2025 bedingt entlassen wird.

Gemäß § 48 Abs 1 StGB wird die Probezeit mit drei Jahren festgesetzt.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die am ** geborene Lettin A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt B* eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten, die über sie mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 23. April 2025, rechtskräftig seit 29. April 2025, zu  Hv* wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB verhängt worden ist.

Nach dem Schuldspruch hat sie am 21. August 2024 in ** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten C* als Mittäterin mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte des Unternehmens D* durch Täuschung über Tatsachen, und zwar über ihre Rückgabewilligkeit zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe eines Mietfahrzeugs der Marke BMW 520d xDrive in einem Wert von EUR 48.787,00 verleitet, die diese im genannten, sohin in einem EUR 5.000,00 übersteigenden Betrag, entsprechend am Vermögen schädigte, indem sie das Fahrzeug anmieteten und in der Folge verbrachten und es entgegen der Mietvertragsvereinbarung nicht retournierten.

Nach Anrechnung der Vorhaft vom 19. März 2025, 15:45 Uhr, bis 23. April 2025, 12:15 Uhr, fällt das errechnete Strafende auf den 19. Juni 2026. Die Hälfte der Strafzeit wird am 3. November 2025 vollzogen sein, der Zwei-Drittel-Stichtag ist der 19. Jänner 2026 (ON 2.3).

Nach Durchführung einer Anhörung am 6. August 2025 (ON 5) lehnte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss (ON 6) die bedingte Entlassung der Strafgefangenen bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe aus generalpräventiven Erwägungen ab.

Die dagegen erhobene Beschwerde der Strafgefangenen (ON 3; Übersetzung ON 9.2) ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Gemäß § 46 Abs 2 StGB ist ein Verurteilter trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, wenn er die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt hat.

Ausschließlich bei der Prüfung einer bedingten Entlassung zwischen der Hälfte und zwei Dritteln der Strafe sind nach § 46 Abs 2 StGB generalpräventive Aspekte zu berücksichtigen, und zwar auch nur dann, wenn es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise (auch) des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Gewichtige Umstände, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, müssen ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung unumgänglich erscheinen lassen. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potenziellen Tätern, sondern (iS positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein. Liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen ( Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16).

Im Sinne dieser Kriterien ist die der Verurteilung zugrundeliegende Straftat noch nicht als eine solche einzustufen, die mit einem deutlich erhöhten Störwert iSd § 46 Abs 2 StGB verbunden ist bzw schwere Folgen aufweist.

Der Begriff der schweren Folgen umfasst nicht nur die tatbestandsmäßigen Folgen, sondern darüber hinaus alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sohin auch Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, ferner die Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen; auch der erhebliche soziale Störwert ist zu berücksichtigen (RISJustiz RS0108487). Bei Vermögensdelikten ist für eine Tat mit schweren Folgen eine Annäherung an die (zweite) Wertgrenze (hier: EUR 300.000,00, vgl § 147 Abs 3 StGB) maßgeblich ( Kirchbacher, StPO 15 § 173 Rz 11).

Fallkonkret erforderte der Vermögensschaden in Höhe von EUR 48.787,00 weder eine schöffengerichtliche Zuständigkeit (§ 31 Abs 3 Z 6a StPO) noch liegt darin eine signifikante Annäherung an die zweite Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB. Ausgehend davon und mangels anderer (einzelfallbezogener) Umstände, die aus generalpräventiven Gründen ausnahmsweise den weiteren Vollzug unumgänglich machen würden, hindern fallbezogen generalpräventive Erwägungen eine bedingte Entlassung noch nicht.

Ebenso wenig stehen der bedingten Entlassung spezialpräventive Bedenken entgegen, weil die bisher unbescholtene Strafgefangene sich im Erstvollzug befindet und ihr in Haft eine gute Führung attestiert wird (ON 2.7) und sich in diversen Stellungnahmen der Justizanstalt B* (insbesondere sozialer Dienst und psychologischer Dienst) auch für die bedingte Entlassung ausgesprochen wird (ON 2.8). Im Rahmen ihrer Anhörung berichtete die Strafgefangene, sie habe in Lettland Aussicht auf eine Beschäftigung in der Kinderbetreuung sowie als Pflegerin ihrer Mutter. Auch habe sie eine Wohnmöglichkeit (ON 5).

Bei der bislang unbescholtenen, knapp 50-jährigen Strafgefangenen ist daher anzunehmen, dass die Verbüßung der Hälfte der Strafzeit bereits ausreicht, um sie von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten und ist damit die bedingte Entlassung nach der Hälfte als gleich günstig anzusehen, wie der Vollzug der weiteren Sanktion.

Die Bemessung der Probezeit mit drei Jahren ist geboten, um einen ausreichenden Beobachtungs- und Bewährungszeitraum zu gewährleisten. Weitere Weisungen sind fallkonkret nicht indiziert.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).