6R116/25h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Mag. Hermann Holzweber und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, technischer Angestellter, **, **, vertreten durch Dr. Alexander Amann, LL.M., Rechtsanwalt in Gamprin-Bendern, Liechtenstein, gegen die Beklagte B* AG , **, **-Straße **, **, Deutschland, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 43.000,00 s.A., über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 7. Juli 2025, Cg*-78, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat seine Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Kläger kaufte am 17. April 2017 einen von der Beklagten hergestellten, am 12. Februar 2015 erstzugelassenen PKW B* C* D* um EUR 43.000,00 mit einem Kilometerstand von ca 44.200. Im Fahrzeug ist ein Motor des Typs E*, **, Baumuster **, Turbodiesel **, mit einer Leistung von 160 kW/218 PS verbaut.
Die entscheidende motorinterne NOx-Vermeidungs- und Minderungsmaßnahme ist die Abgasrückführung. Das implementierte „Thermofenster“ bewirkt, dass nur in einem Temperaturbereich zwischen ca + 5 Grad Celsius bis + 38 Grad Celsius Umgebungstemperatur eine vollständige Abgasrückführung im Motor stattfindet; außerhalb dieses Temperaturbereichs erfolgt eine schrittweise Verminderung der Abgasrückführung. Das Fahrzeug verfügt über ein SCR-System zur Abgasnachbehandlung mit zwei Betriebsstrategien: Im Speichermodus liegt der Schwerpunkt auf einer optimalen Entstickung; nach Erreichen der Arbeitstemperatur des SCR-Katalysators von 200 Grad Celsius wird die AGR-Rate reduziert und im „Online-Modus“ gefahren, um einen „Ammoniakschlupf“ zu verhindern.
Der beim NEFZ-Test einzuhaltende Grenzwert wird vom Klagsfahrzeug bei der Typ-1-Prüfung eingehalten, im realen Fahrbetrieb die meiste Zeit jedoch nicht.
Der Kläger begehrte die Zahlung von EUR 43.000,00 Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs, in eventu Zahlung von EUR 10.750,00 s.A. sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle nachteiligen Folgen der „Fahrzeugmanipulation“. Im Fahrzeug seien mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut (Akustik-Manipulation, SCR-Kat-Steuerung, Aufheizstrategie, Hinweise auf Fahrkurvenerkennung, keine Strategie Re-Entry und Thermofenster zwischen + 17 und + 30 Grad Celsius). In Kenntnis der Manipulationen und der damit verbundenen minderwertigen Eigenschaften des Fahrzeugs hätte der Kläger das Fahrzeug nicht, jedenfalls aber nicht zum tatsächlich bezahlten, überhöhten Preis erworben. Er sei von der Beklagten gezielt und bewusst getäuscht und in Irre geführt worden. Der Kläger gehe von einem mindestens 50 %igen Risiko der Außerverkehrssetzung seines Autos aus, womit sich ein Minderwert von mindestens 25 % ergebe.
Mit Urteil des Erstgerichtes vom 28. Juni 2024 wurde dem Hauptbegehren im Umfang von EUR 26.500,00 s.A. Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges stattgegeben, das Leistungshaupt- und Zinsenmehrbegehren wurde abgewiesen.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht in Bezug auf das Thermofenster von einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus.
Das von beiden Parteien angerufene Oberlandesgericht Linz gab mit Urteil vom 23. September 2024 lediglich der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil im Umfang der Klagsstattgabe auf und wies die Rechtssache insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es verwies auf die erst nach Verhandlungsschluss erster Instanz ergangenen einschlägigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, wonach zur Beurteilung, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege, nicht allein auf das Vorhandensein eines Thermofensters abgestellt werden könne, sondern bei ineinander greifenden technischen Systemen einer Abgasrückführung und einer Abgasnachbehandlung unter Verwendung eines SCR-Katalysators auf das Gesamtergebnis abzustellen sei. Insofern sei im fortzusetzenden Verfahren zu klären, ob trotz des kombinierten Einsatzes von Systemen der Abgasrückführung und der Abgasnachbehandlung eine Abschalteinrichtung vorliege, die unter den vernünftigerweise zu erwartenden normalen Fahrbedingungen im (gesamten) Unionsgebiet die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems insgesamt verringert.
In der Folge teilte das Erstgericht den Parteien mit, die Unterbrechung des Verfahrens im Hinblick auf das vom OGH zu 7 Ob 163/24g gestellte Vorabentscheidungsersuchen zu beabsichtigen. Gleichzeitig ermöglichte es den Parteien, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern (ON 70).
Sowohl der Kläger als auch die Beklagte sprachen sich gegen eine Unterbrechung aus. Der Kläger verwies darauf, dass das SCR-System nur in einem gewissen Temperaturbereich arbeite und keine Kompensation des erhöhten Stickstoffausstoßes durch die reduzierten AGR-Raten darstelle. Zudem habe der EuGH bereits festgehalten, dass die Grenzwerte unter normalen Betriebsbedingungen einzuhalten seien.
Mit dem angefochtenen Beschluss unterbrach das Erstgericht das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs zu 7 Ob 163/24g (EuGH C-175/25) und zu 8 Ob 99/24b (EuGH C-182/25) und sprach aus, dass das Verfahren nur über Antrag einer der Parteien fortgesetzt werde.
Begründend führte das Erstgericht aus, die Beantwortung der vom OGH gestellten Fragen sei auch im vorliegenden Fall relevant. Gelange der Europäische Gerichtshof nämlich zur Auffassung, dass entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht auf das Gesamtemissionskontrollsystem abzustellen sei, sondern auf die jeweils einzelnen darin verbauten Einrichtungen, würden sich ergänzende Feststellungen im Hinblick auf das im Fahrzeug verbaute Thermofenster erübrigen.
Gegen diesen Beschluss erhebt der Kläger Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Unterbrechungsbeschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Die Beklagte hat keine Rekursbeantwortung erstattet.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte meint, es fehle an der Präjudizialität der vom OGH zu 7 Ob 163/24g und 8 Ob 99/24b zur Vorabentscheidung gestellten Fragen. Der SCR-Katalysator funktioniere nur in einem optimalen Temperaturbereich und es sei offensichtlich, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter normalen Betriebsbedingungen vermindert und die Grenzwerte überschritten würden. Der SCR-Katalysator könne somit die Verminderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems keinesfalls ausgleichen. Es sei schon auf Basis der bisherigen Beweisergebnisse offensichtlich, dass die Wirksamkeit des gesamten Emissionskontrollsystems herabgesetzt werde und unter normalen Betriebsbedingungen die Grenzwerte überschritten würden. Aufgrund der bei der gegenständlichen Entwicklung und Konstruktion sehenden Auges in Kauf genommenen Überschreitung des Grenzwerts von 80 mg/km unter normalen Betriebsbedingungen werde Artikel 5 Abs 1 VO 715/2007/EG verletzt. Das Fahrzeug sei nicht zulassungsfähig. Die Unterbrechung führe zur Verfahrensverzögerung und widerspreche den Grundsätzen der Prozessökonomie.
Das Ersuchen eines Gerichts um Vorabentscheidung des EuGH (vgl § 90a Abs 1 GOG) begründet zwar keine Unterbrechungs- oder Aussetzungspflicht eines anderen Gerichts, dass dieselbe Rechtsfrage wie das Anfragegericht zu beurteilen hat; da aber der Oberste Gerichtshof auch in Rechtssachen, in denen er nicht unmittelbar Anlassfallgericht ist, von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH ausgeht und diese auf andere als die unmittelbaren Anlassfälle ebenfalls anwendet, unterbricht er Verfahren, für die dieselben Erwägungen betreffend Auslegungszweifel gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften wie im Anlassfall gelten, aus prozessökonomischen Gründen (Höllwerth in Fasching/Konecny 3Band II/3 § 190 ZPO Rz 51; RS0110583; OLG Linz 1 R 73/25y).
Ob die vom Rekurswerber in seinem Rechtsmittel relevierten Tatsachen zur Wirkungsweise der Abgasrückführung und zum Schadstoffausstoß (unter den jeweils relevierten Betriebs- bzw Fahrbedingungen) des Fahrzeugs vorliegen, ist Gegenstand der Entscheidung in der Hauptsache.
Bereits die vom Rekurswerber aufgezeigte Frage, ob für die Qualifikation als Abschalteinrichtung iSd Artikel 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG darauf abzustellen ist, ob die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems in seiner Gesamtheit (unter Einschluss aller jeweils vorhandener Systeme der Abgasrückführung und -nachbehandlung) verringert wird, oder darauf ob die Wirksamkeit einzelner Konstruktionsteile (z.B. „Thermofenster, SCR-Katalysator) als jeweils eigene Emissionskontrollsysteme verringert wird, ist Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen des Höchstgerichts (vgl 7 Ob 163/24g Punkt 1. lit a; 8 Ob 99/24b Punkt 1. lit a). Dies trifft auch auf die weiters relevierte Frage, ob Artikel 3 Nr. 10, Artikel 4 Abs 2, Artikel 5 Abs 1 und Abs 2 VO 715/2007/EG dahin auszulegen sind, dass die Bauteile eines Dieselfahrzeugs, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sein müssen, dass die Einhaltung der in Anhang I der VO 715/2007/EG angeführten Emissionsgrenzwerte nicht nur bei den vorgeschriebenen Tests im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens, sondern auch unter tatsächlichen Fahrbedingungen bei normaler Nutzung des Fahrzeugs (im Realbetrieb) gewährleistet ist (vgl 7 Ob 163/24g Punkt 3.; 8 Ob 99/24b Punkt 3. lit a). Ebenso sind die weiteren in den zitierten Vorabentscheidungsersuchen angesprochenen Fragen im Rahmen der allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH für den vorliegenden Fall rechtserheblich, wie aus dem Unterbrechungsbeschluss des Obersten Gerichtshofes zu 8 Ob 22/25f bei einem Fahrzeug ebenso betreffend einen Motor der Baureihe E* folgt.
Das Erstgericht hat demnach korrekt das vorliegende Verfahren aus prozessökonomischen Gründen unterbrochen (vgl RS0110583; RS0133010 [T1]).
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 50, 40 ZPO.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.