JudikaturOLG Linz

8Bs248/24p – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
06. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* und eine weitere Person über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 25. November 2024, HR*-20, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Punkt 1./ dahin abgeändert, dass der Einspruch des B* C* und der D* B* C* wegen Rechtsverletzung abgewiesen wird.

Text

Begründung:

In dem gegen A* und Dr. E* geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Ried zu St* wegen des Verdachts des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung gemäß § 81 Abs 1 StGB schlossen sich B* C*, F* C* und die D* B* C* mit Schriftsatz ihres Vertreters vom 16. September 2024 (ON 9.2) dem Ermittlungsverfahren als Privatbeteiligte an und beantragten die Freischaltung im elektronischen Akt zur Durchführung der Akteneinsicht mit der zusammengefassten Begründung, (unter anderem) B* C*, Alleineigentümer der Liegenschaft EZ **, KG ** G* H* mit dem Haus I* H*platz ** (**gasse **), beherbergend auch die ebenso betroffene D* B* C*, seien wegen des unmittelbar angrenzendes, teilweise eingestürzten Gebäudes „in Mitleidenschaft“ gezogen worden bzw werde dies in der Folge erwartet.

Am 19. September 2024 wies die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis den Anschluss sämtlicher (insgesamt dreier) Einschreiter gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO mit der Begründung zurück (ON 10), dass Gegenstand des Ermittlungsverfahrens nicht das Einsturz- bzw. Unfallsgeschehen als solches sei, sondern der Vorwurf einer allenfalls grob fahrlässigen Tötung von zwei Personen, wodurch den von den Opfern verschiedenen einschreitenden Personen bzw. Unternehmen kein Schaden entstanden sei.

Dagegen erhoben die Einschreitenden am 31. Oktober 2024 Einspruch wegen Rechtsverletzung mit der Begründung, dass sehr wohl das Einsturz- und Unfallsgeschehen Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sei, weil für den damit zusammenhängenden Fahrlässigkeitsbegriff von Relevanz; zudem nicht nur der tatbestandsrelevante Schaden von Bedeutung, sondern auch die bei den Einschreitenden eingetretenen Vermögensschäden im Rahmen des historischen Sachverhalts und daher eine Opferstellung der Einschreiter zu bejahen (ON 16).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 20) hat das Erstgericht diesen am 31. Oktober 2024 von der Staatsanwaltschaft übermittelt erhaltenen Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs 1 StPO (lediglich) hinsichtlich F* C* – unangefochten belassen – abgewiesen (Spruchpunkt 2./), hingegen dem Einspruch des B* C* und der D* C* wegen Rechtsverletzung Folge gegeben und festgestellt, dass beide durch die Zurückweisung des Privatbeteiligtenanschlusses der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis am 19. September 2024 in ihrem subjektiven Recht auf Privatbeteiligtenanschluss gemäß § 67 Abs 1 StPO und Akteneinsicht verletzt wurden. Es sprach weiters aus, ihnen in Zulassung des Privatbeteiligtenanschlusses entsprechende Akteneinsicht zu gewähren (Spruchpunkt 1./).

Im Umfang dieses Spruchpunkts 1./ erhob die Staatsanwaltschaft Ried am 27. November 2024 Beschwerde (ON 21); der Vertreter der Beschwerdegegner B* C* sowie der D* gleichen Namens replizierte mit Eingabe vom 3. März 2025 im Sinne einer (auch zivilrechtlichen) Kausalkette mutmaßlichen Unterlassens der baurechtlichen Absicherung zum Einsturz und des Sachzusammenhangs zu Objekt- und Folgeschäden kraft Unterlassens.

Die Beschwerde ist allerdings im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend rekurriert die Staatsanwaltschaft auf eine zu fordernde enge und restriktive Betrachtungsweise bei der Auslegung des Begriff des Opfers im § 65 Z 1 StPO, der teleologisch auf ein Maß zu reduzieren ist, welcher den im Strafverfahren tätigen Behördeneinrichtungen und Personen eine Beendigung des Verfahrens innerhalb angemessener Frist ermöglicht. Im vorliegenden Fall könnte mangels Vorsatztat sowie Angehörigenverhältnisses zu den Verstorbenen allenfalls auch auf eine Opferstellung nach § 65 Abs 1 Z 1 lit c StPO zurückgegriffen werden, wonach Opfer ist, wer durch eine Straftat einen Schaden erlitten haben oder sonst in seinen strafrechtlich geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt worden sein könnte.

Nun liegt dem gegenständlichen Ermittlungsverfahren unkontroversiell der Verdacht zugrunde, dass die Beschuldigten A* als Bauunternehmer und Dr. E* als Bauherr am 03. September 2024 in G* unter Außerachtlassung der sie treffenden allgemeinen Fürsorge- und Sorgfaltspflichten sowie unter Nichtbeachtung der einschlägigen Bestimmungen des Arbeitsnehmerschutzgesetzes und der Bauarbeiterschutzverordnung die nicht ausgebildeten, einem Beschäftigungsverbot unterliegenden und folglich illegal tätigen Asylwerber J* und K* mit Bau- bzw. Sanierungsarbeiten, und zwar mit der händischen Ausgrabung einer (tragenden) Säule bei einer unter Denkmalschutz stehenden Liegenschaft in ** G*, I* H*platz **, sohin mit Arbeiten mit einem hohen Gefahrenpotential, beauftragt und es unterlassen hätten, entsprechende Absicherungsmaßnahmen, insbesondere die Installation von Bau- bzw. Deckenstützen, zu treffen, wodurch zwei Deckenelemente aus Beton einstürzten und J* sowie K* teils zur Gänze verschütteten, wodurch die Beschuldigten grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) den Tod der Genannten herbeigeführt haben könnten.

Nach § 65 Z 2 StPO ist Privatbeteiligter jedes Opfer, das erklärt, sich am Verfahren zu beteiligen, um Ersatz für den erlittenen Schaden oder die erlittene Beeinträchtigung zu begehren. Bei der Beurteilung der Opfereigenschaft ist eine bewusst enge und restriktive Betrachtungsweise anzulegen ( Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 65 Rz 7). Für die Erfüllung des Opferbegriffes iSd § 65 Z 1 lit c StPO reicht es nicht aus, dass jemand behauptet, einen Schaden erlitten zu haben, sondern muss dabei vielmehr auf den Akteninhalt rekurriert werden. Eine Opferstellung ist nur dann zuzuerkennen, wenn sich bei Zugrundelegung der theoretischen Annahme einer Verurteilung aus dem Urteilssachverhalt auch auf einen zivilrechtlichen Anspruch der betreffenden Person schließen ließe ( Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 65 Rz 20). Wesentlich ist auch, dass der Schaden nur durch die Tat entstanden sei, es sich aber nicht zwingend um einen tatbestandsmäßigen Schaden handeln muss. Es genügt, wenn aus der Straftat der behauptete privatrechtliche Anspruch zumindest in irgendeiner Form hervorgegangen sein kann ( Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 65 Rz 26). Andererseits schließt die Voraussetzung des Schadeneintritts durch die Tat all jene Personen von der Opferstellung iSd § 65 Z 1 lit c aus, welche nur ein Interesse am Ausgang des Strafverfahrens deshalb haben, weil die Begehung oder eben Nichtbegehung einer Straftat eine Vorfrage für ein weiteres Zivilverfahren darstellt ( Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 65 Rz 27).

Im Übrigen sind Privatbeteiligte nur insofern zur Akteneinsicht berechtigt, als „ihre Interessen betroffen sind“; dies bedeutet eine Einschränkung des Umfangs der Akteneinsicht (vgl Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 68 Rz 2).

Nach den Ausführungen der Beschwerdegegner (soweit von Spruchpunkt 1./ des angefochtenen Beschlusses noch umfasst) soll der Liegenschaftseigentümer bzw. der Betrieb der D* erkennbar Vermögensschäden aufgrund des Einsturzes des Nebengebäudes erlitten haben. Abgesehen davon (letztlich aber nicht entscheidungswesentlich), dass dies zumindest im Einspruch noch vage blieb, in der Replik deutlicher zum Ausdruck kommt, dass es um Vermögensschäden am Objekt geht bzw. auch daraus folgende Einschränkungen im Betrieb der D*, bedeutet das im Einklang mit den zutreffenden Ausführungen der beschwerdeführenden Staatsanwaltschaft, dass ein gegebenenfalls iSd §§ 80, 81 StGB tatbestandsmäßiges Verhalten der Beschuldigten, das auch durch Bestellung des Sachverständigen L* und dessen Beauftragung mit der Gutachtenserstattung derzeit näher durchleuchtet wird, nicht auch die Voraussetzungen für allenfalls geltend zu machende (deliktische) Schadenersatzansprüche der unmittelbar angrenzenden Hauseigentümer im Zusammenhang mit einer anderen gesetzlichen Grundlage erfüllte.

Denn nach dem Vorgesagten ist Voraussetzung eines Privatbeteiligtenanschlusses ein „durch die Straftat“ erlittener Schaden. Wenngleich damit nicht nur der „tatbestandsrelevante Schaden“, also die aus der Verletzung des vom übertretenen Strafgesetz unmittelbar geschützten Rechtsguts resultierende Beeinträchtigung, gemeint ist (RIS-Justiz RS0095973), muss der Schaden doch aus der strafbaren Handlung und dem ihr zugrundeliegenden Sachverhalt ableitbar sein, also im Fall einer Verurteilung im Schuldspruch (und der aus diesem sich ergebenden Tatbestandsgrenze) Deckung finden ( Spenling, WK StPO Vor §§ 366-379 Rz 41 und § 366 Rz 2 und 14; vgl RS0101311). Die Möglichkeit einer durch die Straftat nicht in ihren Rechten verletzten Person, aus der Tat Privatrechte abzuleiten, reicht ebenso wenig wie die Bedeutung der Straftat als Vorfrage für ein (späteres) Zivilverfahren ( Spenling aaO Vor §§ 366-379 Rz 25 ff). Zutreffend zeigt damit die Beschwerdeführerin auf, dass der in Rede stehende mögliche Schaden der ursprünglichen Einspruchswerber gerade nicht aus einer möglichen verdachtsmäßigen strafbaren Handlung der Beschuldigten und dem zugrundeliegenden Sachverhalt ableitbar ist, da Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ausschließlich das mögliche objektive und subjektive sorgfaltswidrige Verhalten der Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens, das zum Tod zweier Personen führte, ist.

Abgesehen davon verfangen die Ausführungen zu einer lange zurückliegenden Entscheidung über den Privatbeteiligtenanschluss eines vom Verletzten eines Verkehrsunfalls verschiedenen Fahrzeughalters aufgrund der mitbedingten Sachbeschädigung seines Fahrzeuges nicht, ist doch allein aus dem vorliegenden Sachverhalt schon abzuleiten, dass weder B* C* noch der D* B* C* ein SchadeniSd § 65 StPOentstanden sein könnte, sodass diesen in diesem Ermittlungsfall keine Stellung als Opfer zukommt, weil es sich um keinen durch die vorgeworfene Tathandlung entstandenen Schaden für eine Stellung iSd § 65 Z 1 lit c StPO handeln kann. Insofern ist schon die Stellung als Opfer aus dem Gesetz nicht begründbar. Damit erweist sich die gegengerichtete Argumentation, wonach grundsätzlich nicht nur der tatbestandsrelevante Schaden aus einer Rechtsgutverletzung zu berücksichtigen sei, als zu kurz gegriffen, weil es eben nicht genügt, dass der aus einer Straftat behauptete insofern aber nicht unmittelbar daraus konkret ableitbare privatrechtliche Anspruch zumindest in irgendeiner denkmöglichen (mittelbaren) Form mit hervorgegangen sein kann. Daraus folgt auch, dass kein subjektives Recht auf Akteneinsicht abgeleitet werden kann.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.