JudikaturOLG Linz

8Bs20/25k – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
20. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafvollzugssache A* wegen bedingter Entlassung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Steyr gegen den Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 22. Jänner 2025, BE*-14 in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene österreichische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt B* eine lebenslange Freiheitsstrafe, die über ihn mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11. September 2002, rechtskräftig seit 7. April 2003, Hv*-87, wegen des Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB verhängt worden war. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs 6 StGB liegen seit 6. März 2017 vor.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Landesgericht Steyr als zuständiges Vollzugsgericht aus, dem A*, der 23 Jahre der Strafe bereits verbüßt hat, gemäß § 46 Abs 6 StGB den Rest der Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen und ihn am 6. März 2025 unter Setzung einer Probezeit von zehn Jahren und Anordnung von Bewährungshilfe bedingt zu entlassen. Zudem wurden folgende Weisungen erteilt:

1. Einer geeigneten, seinen Fähigkeiten und Neigungen tunlichst entsprechenden, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen oder sich für den Fall der Unmöglichkeit beim AMS als arbeitssuchend zu melden und dies dem Gericht bis spätestens 1.5.2025 und in weiterer Folge halbjährlich unaufgefordert schriftlich nachzuweisen;

2. Die Psychotherapie bei C* (Dr. D*) weiterzuführen und dem Gericht den Fortgang beginnend mit 1.5. sodann 1/4-jährlich unaufgefordert schriftlich nachzuweisen;

3. Drogenharn- und Alkoholkontrollen in regelmäßigen Abständen durchzuführen zu lassen und dem Gericht darüber alle drei Monate unaufgefordert Nachweise vorzulegen;

4. In der E* F* (**), **straße **, F*, Wohnsitz zu nehmen und die dortige Betreuung weiterhin in Anspruch zu nehmen und darüber dem Gericht beginnend mit 1.5. und sodann 1/4-jährlich unaufgefordert schriftlich nachzuweisen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 4. Februar 2025 (ON 15), mit der sie insbesondere auf das eingeholte klinisch-psychologische Gutachten von Mag. G* vom 16. November 2024 (ON 10) hinweist, woraus insgesamt (noch) keine ausreichend positive Annahme künftiger Deliktsfreiheit entnommen werden könne, da bei A* noch immer ein mittleres Rückfallrisiko in Bezug auf gewalttätiges Verhalten vorliege. Zumal der Entlassungsvollzug erst seit 10. Mai 2024 bestehe, müsse die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Deliktsfreiheit, die laut dem Sachverständigen an eine absolute Drogenabstinenz geknüpft werde, noch ausreichend geprüft werden. Eine Erprobung im mehrjährigen Entlassungsvollzug erscheine durchaus notwendig, um eine künftige Straffreiheit des – mehrfach einschlägig vorbestraften – A* sicher prognostizieren zu können.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Eine bedingte Entlassung aus einer lebenslangen Freiheitsstrafe setzt nach § 46 Abs 6 StGB neben einem Vollzug von zumindest fünfzehn Jahren die Annahme voraus, dass der Verurteilte keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Anders als bei der bedingten Entlassung aus einer zeitlichen Freiheitsstrafe, hinsichtlich der nach § 46 Abs 1 StGB bezüglich künftiger Straffreiheit bereits die Annahme genügt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, bedarf es nach Abs 6 der (positiven) Annahme künftiger Deliktsfreiheit. Die Beurteilung dieser (positiven) Verhaltensprognose hat auf einer Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände zu beruhen (vgl Jerabek/Ropper , WK 2 StGB § 46 Rz 20).

Nach dem Inhalt des dem Vollzug zugrundeliegenden Urteils des Geschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11. September 2002, wurde A* schuldig erkannt, am 20. Februar 2002 in ** H* vorsätzlich getötet zu haben, indem er ihn mehrfach mit einer Schere in den Brustkorb stach, beide Augen ausstach, ihn würgte und ein Küchenmesser in die Vorderseite des Halses rammte, wodurch dieser mehrfache Stichwunden im Oberkörper, eine Durchbohrung des 7. Halswirbels mit Durchtrennung des Rückenmarkes in diesem Bereich, eine Durchsetzung der Augenweichteile links mit Vordringen bis in den Schädelhintergrund zum Gehirn und einen Durchstich der linken Lunge mit linksseitiger Blutung und Luftbrustfüllung erlitt (ON 87 in Hv* samt Urteil des Oberlandesgerichtes Wien, mit der in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft Wien eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wurde, AZ 18 Bs 48/03).

Die Strafregisterauskunft des A* weist insgesamt 11 Vorstrafen wegen Vermögens- und Gewaltdelikte auf (ON 6). Er hat bis zuletzt 2022 mehrere Ordnungswidrigkeiten während der Haft begangen, wobei die letzte Ordnungswidrigkeit in Bezug auf seine Drogensucht auf das Jahr 2018 zurückgeht (ON 2,2).

Das Erstgericht setzte sich ausführlich mit sämtlichen vorliegenden, für eine künftige bedingte Entlassung sprechenden Kriterien der positiven Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten auseinander und erwog sein Gesamtverhalten sowie seine persönlichen Anstrengungen, um an einer günstigen Persönlichkeitsentwicklung positiv mitzuarbeiten. Es stellte die die bedingte Entlassung befürwortenden Stellungnahmen der Justizanstalt B* (ON 2 und ON 5), der Bewährungshelferin des Vereins Neustart (ON 12) und das klinisch-psychologische Gutachten Mag. G* (ON 10) aktenkonform dar.

Dem Verurteilten ist einzuräumen, dass er sich seit Ende 2019 drogenabstinent zeigt. Die bislang seit 16. Februar 2023 absolvierten 11 begleiteten und seit 27. Mai 2024 folgenden 25 unbegleiteten Ausgänge (Stand: 17. Februar 2025) verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Auch wurden die insgesamt neun Termine zum Probewohnen bereits mehrtägig positiv absolviert und der Verurteilte hielt dabei sämtliche Vorgaben der E* F* ein (ON 2,4). Der Anstaltsleiter äußerte sich zustimmend zur bedingten Entlassung bei weiterhin positiv verlaufenden Lockerungen aufgrund der tadellosen Führung bei Anordnung der Bewährungshilfe (ON 2). Ebenso äußerte sich die Bewährungshilfe bei Neustart zustimmend zu einer bedingten Entlassung (ON 12).

Bereits im Vorfeld dieser Vollzugslockerungen wurde Mag. G*, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für allgemeine und klinische Psychologie, von der Justizanstalt B* mit der Erstellung eines klinisch-psychologischen Prognosegutachtens beauftragt (Vorgutachten vom 15. April 2022 und vom 11. März 2024). Dem zuletzt ergänzend eingeholten Gutachten vom 16. November 2024, der eine klinisch-psychologische Exploration vom 6. November 2024 zu Grunde liegt, ist zu entnehmen, dass im Fall des Verurteilten bei einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren mit einem mittleren Rückfallsrisiko zu rechnen ist. Im Vergleich zum Gutachten vom Jahr 2022 war es dem Verurteilten gelungen, durch die kontinuierliche Teilnahme an den therapeutischen Maßnahmen sowie auch durch seine eigene gedankliche Beschäftigung mit seinen Risikofaktoren, das Rückfallsrisiko deutlich zu verringern. Aus den weiteren Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich, dass beim Verurteilten die Gefährlichkeit in erster Linie mit dem Drogenkonsum zusammenhängt. Bei absoluter Drogenabstinenz – was dem Verurteilten bereits seit 2019 erfolgreich gelingt – sind nach seiner Expertise mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine weiteren strafbaren Handlungen mehr zu erwarten (ON 10,29 ff).

Ausgehend von den umfassenden spezialpräventiven Erwägungen, insbesondere vom dargestellten, die Person des Verurteilten und dessen äußerst positive Entwicklung im Strafvollzug ausführlich beleuchteten Hintergrund, ist das Erstgericht zutreffend zur Einschätzung gelangt, dass die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 6 StGB vorliegen.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).