JudikaturOLG Linz

9Bs17/25a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
04. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* und andere Personen wegen des Verbrechens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 und 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg (im Ermittlungsverfahren) vom 24. Jänner 2025, HR*-413, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache wird zur neuen Entscheidung unter sinngemäßer Anwendung des § 293 Abs 2 StPO (§ 89 Abs 2a Z 4 StPO) an das Erstgericht verwiesen.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg führt zu St* ein Ermittlungsverfahren ua gegen die am ** geborene B* C* wegen des Verdachts der Vergehen der falschen Beweisaussage nach §§ 288 Abs 1 und 4 StGB (A), des Verbrechens der schweren Nötigung als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (B)1.), des Vergehens der falschen Beweisaussage als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 288 Abs 1 und 4 StGB (B)2.), des Vergehens der Begünstigung als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 299 Abs 1 StGB (B)3.) sowie des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB (C).

Demnach habe sie

A) in ** vor der vernehmenden Exekutivbeamtin des Landeskriminalamtes D* in der Strafsache gegen E* F* und andere wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 104 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei durch nachfolgende wahrheitswidrige Angaben falsch ausgesagt, und zwar

1. am 8. Jänner 2024 durch die Aussagen, ein Mann namens E* oder G* F* sage ihr im Moment nichts, der Herr (gemeint: H* I*) habe nicht mit einem Herren, sondern mit J* (gemeint: J* K*) telefoniert, dass am Telefon ein Mann mit diesem L* (gemeint: H* I*) gesprochen habe, habe sie nicht mitbekommen;

2. am 11. Jänner 2024 durch die Aussage, sie habe nicht gesagt, der G* (gemeint: E* F*) sei ein Ehrenmann und halte seine Versprechen;

B) am 24. Mai 2023 in M* dadurch, dass sie H* I* aufgesucht und diesem ein Mobiltelefon zur Unterhaltung mit E* F* übergeben habe, zur Ausführung der strafbaren Handlung des E* F* beigetragen, der am 24. Mai 2023 in M* (Erfolgsort) durch die telefonische Aufforderung, die von diesem getätigte Aussage gegen J* K* und ihn selbst als Falschaussage zurückzuziehen und die von diesem an Insp. N* O* übermittelten Screenshots (bei diesen handelt es sich um WhatsApp-Schriftverkehr und Fotos) als Fälschungen zu deklarieren, andernfalls er diesen, seine „Noch-Ehefrau“ und seine beiden Kinder zusammenschlagen lasse, er seine „Noch-Ehefrau“ und seine beiden Kinder entführen werde, seine „Noch-Ehefrau“ und seine Tochter vergewaltigen werde und das Gesicht seiner Tochter mit einem Stanley-Messer entstellen werde;

1. H* I* durch gefährliche Drohung mit einer Körperverletzung, einer auffallenden Verunstaltung und einer Entführung, zu einer Handlung, nämlich der Zurückziehung bzw Abänderung dessen Aussage vor dem Landeskriminalamt D* am 26. April 2023 zu nötigen versucht;

2. H* I* dazu zu bestimmen versucht, vor dem vernehmenden Exekutivbeamten der zuständigen Polizeibehörde in der Strafsache gegen J* K*, E* F* und weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 104a Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB, des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch auszusagen;

3. J* K*, welche die Verbrechen des Menschenhandels nach § 104a Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB, das Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und weitere strafbare Handlungen begangen habe, der Verfolgung absichtlich ganz oder zum Teil zu entziehen versucht;

C) sich als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung beteiligt,

1. indem sie im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung strafbare Handlungen begangen habe, und zwar durch die unter A) und B) zu den dort angeführten Orten und Zeiten angeführten strafbaren Handlungen;

2. indem sie im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung sich an ihren Aktivitäten durch die Bereitstellung von Vermögenswerten in dem Wissen beteiligt habe, dass sie dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert, und zwar

a) am 9. Jänner 2023 durch Überweisung von CHF 1.924,00 an das Mitglied der Vereinigung P*;

b) am 26. März 2023 durch Überweisung von EUR 1.000,00 an das Mitglied der Vereinigung E* F*;

c) am 25. April 2023 durch Überweisung von EUR 495,10 an das Mitglied der Vereinigung E* F*;

d) am 26. April 2023 durch Überweisung von EUR 695,10 an das Mitglied der Vereinigung E* F*;

e) am 8. Mai 2023 durch Überweisung von EUR 296,10 an das Mitglied der Vereinigung Q*;

f) am 19. Mai 2023 durch Überweisung von EUR 990,10 an das Mitglied der Vereinigung E* F*;

g) am 30. Oktober 2023 durch Zurverfügungstellung ihres KFZ Toyota Auris mit dem amtlichen Kennzeichen R* an das Mitglied der Vereinigung S* T*.

Die Staatsanwaltschaft beantragte am 24. Jänner 2025 die gerichtliche Bewilligung der Anornung der Festnahme der B* C* aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Beschuldigte mehrerer, mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohter Taten verdächtig und aufgrund der Tatmehrheit und der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung anzunehmen sei, sie werde eben solche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Taten begehen und ihre Mitgliedschaft fortsetzen (ON 412).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom selben Tag wies die Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg (im Ermittlungsverfahren) den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Bewilligung der Anordnung der Festnahme der B* C* im Wesentlichen zusammengefasst mit der Begründung ab, dass der Festnahmegrund der Tatbegehungsgefahr fallkonkret nicht vorliege, weil die Beschuldigte strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten sei und die ihr angelasteten strafbaren Handlungen etwa 11 Monate zurückliegen. Anhaltspunkte für aktuelle strafbare Handlungen bestünden weiterhin nicht, sodass nicht mit Grund von der Gefahr neuerlicher Tatbegehung im Falle ihrer Belassung auf freiem Fuß auszugehen sei (ON 413).

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 24. Jänner 2025 auf Bewilligung der Anordnung der Festnahme der B* C* gemäß §§ 170 Abs 1 Z 4, 171 Abs 1 StPO durch das Erstgericht begehrt (ON 414).

Die Beschwerde, zu der die Oberstaatsanwaltschaft Linz keine Stellungnahme abgegeben hat, ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 170 Abs 1 StPO setzt jede Festnahme das Vorliegen eines Tatverdachts und eines Haftgrundes voraus. Ein Tatverdacht liegt vor, wenn es aufgrund bestimmter Tatsachen wahrscheinlich ist, dass die zu verhaftende Person eine gerichtlich strafbare Handlung, also eine tatbildmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung, begangen hat. Die Wahrscheinlichkeit kann bei der Festnahme einen geringeren Grad haben als bei der Untersuchungshaft, die nach § 173 Abs 1 StPO einen „dringenden“ Verdacht voraussetzt ( Kirchbacher StPO 15 § 170 Rz 2).

Ausgehend von den bisherigen umfangreichen Ermittlungsergebnissen des Landeskriminalamtes D* ist von einem hinreichenden Tatverdacht betreffend die Beschuldigte B* C* auszugehen.

Gegen E* F*, P* und J* K* bestehen Europäische Haftbefehle wegen des Verdachts der Verbrechen des Menschenhandels nach § 104a Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB sowie der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 und Abs 3 StGB. Demnach sollen sie (ua) von zumindest Mai 2021 bis zumindest 15. Dezember 2022 in M* und andernorts kolumbianische volljährige Frauen mit dem Vorsatz, dass diese sexuell und wegen ihrer Arbeitskraft durch Prostitutionsausübung ausgebeutet werden, unter Einsatz unlauterer Mittel, nämlich durch Einschüchterung und unter Ausnützung der Zwangslage, in der sich die Frauen in Österreich ohne alternative Wohn- und Arbeitsmöglichkeit und ohne soziales Umfeld befanden, angeworben, beherbergt und durch Inserate im Internet angeboten haben, darüber hinaus ihren Transport organisiert und teilweise Kraftfahrzeuge zur Verfügung gestellt haben, um die Frauen zu deren Freiern zu befördern sowie Terminvereinbarungen mit den Freiern getätigt haben. Außerdem sollen sie die kolumbianischen Frauen mit dem Vorsatz, sich aus deren Prostitution eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, ausgebeutet und diesen die Bedingungen der Ausübung der Prostitution vorgeschrieben haben, indem sie diesen die Arbeitsweise, Arbeitszeiten, Örtlichkeiten und Preise, zu denen diese der Prostitution nachgehen mussten, vorgeschrieben haben, sich regelmäßig Bericht über die Arbeit erstatten ließen und diese den ganzen oder überwiegenden Teil des daraus erwirtschafteten Erlöses abgeben mussten sowie mehrere solche Personen zugleich ausgenutzt haben. Die genannten Beschuldigten sollen dabei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gehandelt haben (ON 106, 107 und 108), der noch mehrere weitere Beschuldigte angehören. Die Bildung und das Bestehen der kriminellen Vereinigung rund um E* F* ergibt sich (ua) aus den zahlreichen, in der Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufgelisteten Berichten des LKA D* beginnend mit 25. September 2022 (ON 2) bis zuletzt vom 20. Jänner 2025 (ON 408), darin insbesondere die Zeugenaussagen der Opfer, nämlich jener kolumbianischen Frauen, die der Prostitution zugeführt wurden, die Angaben des Zeugen H* I* (ON 136.4, 141.3) sowie die Auswertung der sichergestellten Datenträger, worauf insbesondere Inserate der Opfer, Reisepässe der Opfer, Flugbuchungen der Opfer, verwendete Telefonnummern und E-Mail-Adressen, Videos zum Zwecke der Anwerbung der Opfer, eine Arbeitsbeschreibung für die Frauen mit detaillierten Regeln samt Vorspielen von Videos zur Einschüchterung festgestellt werden konnten (ON 91.2).

Am 26. April 2023 wurde H* I* in dem gegen J* K* und E* F* und weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Menschenhandels und andere strafbare Handlungen geführten Ermittlungsverfahren durch Beamte des Landeskriminalamtes D* als Zeuge einvernommen, worin er schlüssige belastende Angaben betreffend J* K* und E* F* wegen des Verbrechens des Menschenhandels und des Vergehens des schweren Betruges tätigte (ON 133.4). Aus den Angaben seiner Anzeige bei der PI M* vom 25. Mai 2023 ergibt sich, dass er am 24. Mai 2023 anlässlich eines Lokalbesuches von einer ihm unbekannten Frau (B* C*) ein Mobiltelefon zur Unterhaltung mit E* F* übergeben erhalten habe, der ihn darin aufforderte, seine Aussage gegen J* K* und ihn selbst zurückzuziehen und die von diesem an Insp. O* übermittelten Screenshots als Fälschungen zu deklarieren, andernfalls seine Ehefrau und seine beiden Kinder zusammengeschlagen, entführt und vergewaltigt würden, darüber hinaus das Gesicht seiner Tochter mit einem Stanley-Messer entstellt werden würde. Die Bedrohungen des E* F* und seine Aufforderung, die Aussagen zurückzuziehen, habe H* I* in der Folge mit eigenen Worten – in Anwesenheit der Beschuldigten B* C* – wiederholen müssen. Anschließend habe er das Telefon an diese wieder zurückgegeben, die sich bei ihm entschuldigt und gesagt habe, dass sie J* K* und E* F* schon lange kennen würde sowie E* F* ein Ehrenmann sei, der hält, was er verspricht (ON 136.4). Aus den Angaben des Zeugen ergibt sich daher der jedenfalls einfache Tatverdacht zum einen der, der B* C* zur Last gelegten Falschaussagen in ihren Einvernahmen vom 8. Jänner 2024 und 11. Jänner 2024, worin sie behauptete, E* F* nicht zu kennen und H* I* habe mit einer Frau (gemeint: J* K*) gesprochen (ON 225.7), darüber hinaus bestritt, nicht ausgesagt zu haben, dass E* F* ein Ehrenmann sei, der seine Versprechen halten würde (ON 225.3). Zum anderen ergibt sich aus den Angaben des Zeugen I* der mutmaßliche Beitrag der B* C* an den Verbrechen der schweren Nötigung sowie den Vergehen der falschen Beweisaussage und der Begünstigung. Die subjektive Tatseite lässt sich (rechtsstaatlich vertretbar) bereits aus dem objektiven Handlungsablauf ableiten. Die Übergabe des Mobiltelefons an den, der Beschuldigten bislang nicht bekannten Zeugen I* über Aufforderung des E* F* zur Gesprächsführung sowie die vom Zeugen geschilderte Kenntnis um die ausgesprochenen Drohungen, die von der Beschuldigten noch bekräftigt wurden, indem sie E* F* als Person beschrieb, die hält, was sie verspricht, legen den Schluss nahe, dass sie um die Beeinflussung des Zeugen durch schwere Drohungen wusste und dies auch wollte. Ihren eigenen Angaben gegenüber diesem Zeugen, dem sie eine jahrelange Freundschaft zu E* F* und J* K* bestätigte sowie den nachgewiesenen Geldüberweisungen an E* F* (ON 346.2) muss entnommen werden, dass sie bei ihren zeugenschaftlichen Einvernahmen vor der Kriminalpolizei bewusst wahrheitswidrige Angaben machte.

Aus dem Anlassbericht des LKA D* vom 6. November 2024 ergibt sich, dass B* C* an P*, E* F* und Q* Überweisungen mittels ** getätigt habe (ON 346.2, 12f; ON 378.4). Aus der ** Meldung vom 30. Oktober 2023 (ON 225.6) ist abzuleiten, dass die Beschuldigte an diesem Tag ihr KFZ Toyota Auris mit dem amtlichen Kennzeichen R* dem kolumbianischen Staatsbürger T*, der von Polizeibeamten im Zimmer einer kolumbianischen Prostituierten angetroffen wurde, zur Verfügung gestellt habe. Die getätigten Überweisungen und das Zurverfügungstellen eines Fahrzeugs sowie die Ergebnisse der Hausdurchsuchung bei der Beschuldigten B* C*, darin insbesondere die am Mobiltelefon der Beschuldigten festgestellte Konversation mit E* F* (ON 407.6), legen den einfachen Verdacht nahe, dass sich B* C* an der kriminellen Vereinigung rund um E* F* durch Bereitstellung von Vermögenswerten in dem Wissen beteiligt hat, dass sie dadurch die Vereinigung oder deren strafbaren Handlungen fördert. Die subjektive Tatseite ergibt sich dabei bereits aus dem Umstand, dass sie im Verfahren gegen die Beschuldigten E* F* und J* K* wegen des Verdachts der Verbrechen des Menschenhandels nach § 104a Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB sowie der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 und Abs 3 StGB falsch ausgesagt hat, ihr daher bereits davor bekannt und bewusst gewesen sei, dass durch die Genannten strafbare Handlungen begangen werden, die sie durch Bereitstellung und Überweisung von Vermögenswerten fördert. Bestätigt wird dies nicht zuletzt durch die von der Staatsanwaltschaft in der Beschwerde zitierte Nachricht des E* F* an die Beschuldigte, worin insbesondere ausgedrückt wird, dass B* C* freiwillig in das „Geschäft“ einsteigen wollte (ON 407.6, 8).

Gemäß § 170 Abs 1 Z 4 StPO ist die Festnahme einer Person, die der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig ist, nur zulässig, wenn die Person einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werde eine ebensolche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Tat begehen, oder die ihr angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) ausführen.

Der Haftgrund der Tatbegehungs- oder ausführungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO liegt also nur dann vor, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen objektiv anzunehmen ist, der Beschuldigte werde eine Tat wie jene, derer er verdächtigt ist, wiederholen oder die versuchte oder angedrohte Tat ausführen. Die bloße Möglichkeit eines neuen Delinquierens ist auch zur Annahme dieses Haftgrundes nicht ausreichend ( Kirchbacher StPO 15 § 170 Rz 9).

Zutreffend wendet die Staatsanwaltschaft ein, dass aus den gesicherten Daten am Mobiltelefon der B* C* und der darin gespeicherten Konversation mit E* F* abgeleitet werden muss, dass zwischen den beiden auch noch nach der tatverdachtsmäßigen Falschaussage der Beschuldigten vom 11. Jänner 2024 intensiver Kontakt gepflegt wird und E* F*, der sich in der Türkei aufhält, der Beschuldigte Informationen aus dem Ermittlungsakt zuspielt, indem er ihr eine Zeugenladung sowie die Treffermeldungen hinsichtlich weiterer Opfer, die zwecks zeugenschaftlicher Einvernahmen zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben waren, zukommen ließ (ON 407.6, 3ff). Aus mehreren (wiederhergestellten) Notizen am Mobiltelefon, die Nachrichten der Beschuldigten an E* F* enthalten, geht hervor, dass sie laufend mit E* F* in Kontakt stand und diesem Informationen betreffend das Verfahren zukommen ließ, außerdem verspricht, ihm weiterhin Hilfe leisten zu wollen (ON 407.6, 9ff). Hält man sich vor Augen, dass der Beschuldigten ausschließlich Verbrechen und Vergehen zur Last liegen, die der Begünstigung und Unterstützung vor allem des innerhalb der kriminellen Vereinigung in der oberen Hierarchie anzusiedelnden E* F* dienen, zu dessen Gunsten sie – im Verdachtsbereich – zur Nötigung und Beeinflussung des Zeugen I* beigetragen und eine Bekanntschaft zu ihm geleugnet habe, sind aus der nunmehr bekannt gewordenen Konversation mit E* F* bis zumindest 15. Dezember 2024 bestimmte Tatsachen abzuleiten, die objektiv annehmen lassen, die Beschuldigte werde trotz des gegen sie geführten Strafverfahrens – auf freiem Fuß belassen – weitere strafbare Handlungen, wie die ihr angelasteten strafbaren Handlungen, insbesondere die Beeinflussung oder Nötigung von Zeugen zu Gunsten anderer Mitglieder der kriminellen Vereinigung, allen voran des flüchtigen E* F* begehen. Der Umstand, dass sie trotz Kenntnis des gegen andere Mitglieder der kriminellen Vereinigung wegen schwerer Straftaten geführten Verfahrens weiterhin mit E* F* in Kontakt steht und mit diesem Informationen aus dem Ermittlungsakt sowie der angelasteten strafbaren Handlungen austauscht, lässt trotz bisheriger Unbescholtenheit der Beschuldigten und der bereits ein Jahr zurückliegenden mutmaßlichen Falschaussage eine neuerliche Delinquenz und die weitere Beteiligung an der kriminellen Vereinigung nicht bloß für möglich halten, sondern mit Grund befürchten.

Von einer Unverhältnismäßigkeit der Festnahme ist angesichts der Strafdrohung des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren nicht auszugehen. Gelindere Mittel, die die Festnahme substituieren könnten, erscheinen nach den bisherigen Erkenntnissen nicht ausreichend.

Von einer Zustellung der Beschwerde an die Beschuldigten wurde gemäß § 89 Abs 5 StPO abgesehen, weil der Erfolg der durchzuführenden Maßnahme voraussetzt, dass sie dem Gegner der Beschwerde nicht vor ihrer Durchführung bekannt wird (§ 89 Abs 2a Z 4 StPO).

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung unter sinngemäßer Anwendung des § 293 Abs 2 StPO zu verweisen ( Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 89 Rz 14).

Anzumerken bleibt, dass die dargelegte Ansicht des Beschwerdegerichts durch das Erstgericht nur bei unveränderter Sachlage umgesetzt werden kann (vgl § 293 Abs 2 StPO). Neue Umstände, die im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden konnten, sind vom Erstgericht jederzeit ohne Rücksicht auf die Beschwerdeentscheidung zu beachten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).