Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* B*wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 25.8.2025, GZ **-25, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss a u f g e h o b e n und A* B* für das weitere Verfahren ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Mit Strafantrag vom 05.12.2024 (ON 3) legt die Staatsanwaltschaft Feldkirch dem Angeklagten die Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB zur Last.
Danach habe A* B* am 16.11.2024 in ** C*
1. mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe des gemeinsamen Sohnes D* B* zu nötigen versucht, indem er, während sie D* B* in den Händen hielt, ihren Arm festhielt, daran rüttelte, gegen ihren Arm klopfte und sie anschließend gegen einen PKW stieß, wodurch sie Nackenschmerzen erlitt,
2. in Tateinheit mit der unter Punkt 1. geschilderten Handlung vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht.
In der Hauptverhandlung vom 22.01.2025 wurde dem Angeklagten eine Diversion durch Zahlung eines Geldbetrages und von Pauschalkosten angeboten, welche er zunächst auch annahm, in der Folge aber nicht erfüllte.
Anlässlich der nunmehrigen Hauptverhandlung vom 25.08.2025 gab der Angeklagte an, er habe der Diversion zugestimmt, weil er unter Druck gesetzt worden sei. In Wahrheit sei er das Opfer und C* die Täterin. Zudem beantragte er die Bewilligung von Verfahrenshilfe.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Erstrichterin den Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ab und begründete dies damit, dass weder notwendige Verteidigung noch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage vorliege.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig erhobene und schriftlich ausgeführte Beschwerde des Angeklagten (ON 27), in welcher er ausführt, er befinde sich in einer persönlich und psychisch stark belastenden Situation und sei nicht in der Lage, seine Verteidigung selbst sachgerecht zu führen. Die ihm zur Last gelegten Tatbestände stellten eine rechtlich und sachlich komplexe Materie dar. Ohne anwaltliche Unterstützung sei die Wahrnehmung seiner Rechte im Verfahren gefährdet. Seine wirtschaftliche Lage erlaube es ihm nicht, die Kosten einer Verteidigung aus eigenen Mitteln zu tragen.
Der Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, kommt Berechtigung zu.
Ist ein Beschuldigter außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten gemäß § 61 Abs 2 erster Satz StPO zu beschließen, dass dem Beschuldigten ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs 1a StPO) zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist. In diesem Sinn ist die Beigebung eines Verteidigers unter anderem jedenfalls bei schwieriger Sach- oder Rechtslage erforderlich (§ 61 Abs 2 Z 4 StPO).
Die Strafprozessordnung gibt hinsichtlich der Beurteilung einer schwierigen Sach- und Rechtslage keine Begriffserläuterung vor, sodass eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist. Bei dem dafür auszulotenden Spielraum zur sachgerechten Einzelfallbeurteilung muss sich das Gericht vor allem am Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung orientieren ( Soyer/Schumann in Fuchs/Ratz , WK-StPO § 61 Rz 66).
Im gegenständlichen Fall steht im Hintergrund des zu beurteilenden Sachverhaltes das Besuchsrecht des Angeklagten betreffend seinen mj. Sohn, das zu der gegenständlichen Auseinandersetzung mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin führte. Im Verfahren werden mehrere Zeugen einzuvernehmen sein (vgl ON 9) und nach Beurteilung der Glaubwürdigkeit der beteiligten Personen die dem Angeklagten vorgeworfenen Tathandlungen genau zu beurteilen sein. Vor dem Hintergrund dieser auch emotional geprägten Situation hält das Beschwerdegericht in Zusammenschau der angeführten Umstände anlassbezogen die Beigebung eines Verteidigers im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, für erforderlich.
Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers sind erfüllt. Gegen A* B* behängt ein Insolvenzverfahren mit einem unwiderlegbar angegebenen Schuldenstand von EUR 660.000,-- (ON 9). Zwar ist er in der Schweiz berufstätig, befindet sich derzeit aber im Krankenstand und bezieht Krankengeld in Höhe von ca EUR 2.900,--, wobei dieses Krankengeld hinsichtlich des pfändbaren Anteiles auf das Massekonto fließt. Darüber hinaus leistet er freiwillige Zahlungen auf das Massekonto. Zudem treffen den Angeklagten zwei Sorgepflichten (ON 9, ON 23; Bericht des Insolvenzverwalters vom 28.08.2025 zu ** des Landesgerichtes Feldkirch).
Aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 61 Abs 2 StPO war sohin der Beschwerde des Angeklagten Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Angeklagten ein Verfahrenshilfeverteidiger für das weitere Verfahren beizugeben.
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