6Bs206/25g – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Vollzugsgericht vom 8.7.2025, GZ **-6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Feldkirch eine wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 1 erster Fall und Abs 2 zweiter Fall, 15 StGB zu ** des Landesgerichtes Feldkirch über ihn verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 27.8.2026. Am 27.8.2025 wird der Strafgefangene die Hälfte der Freiheitsstrafe verbüßt haben.
A* strebt seine bedingte Entlassung zu diesem Stichtag an und erklärte dazu gegenüber dem Sozialen Dienst der Justizanstalt Feldkirch, er akzeptiere das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot und wolle zunächst in sein Heimatland Rumänien zurückkehren. Von dort wolle er nach Spanien weiterreisen, wo er eine Adresse und Arbeitsmöglichkeiten als Mechaniker oder Taxifahrer habe. Der Soziale Dienst befürwortete eine bedingte Entlassung (ON 2.9), ebenso die Leitung der Justizanstalt Feldkirch, welche dem Strafgefangenen im Übrigen ein gutes Anstalts- und Sozialverhalten bescheinigt (ON 2.8). Die Staatsanwaltschaft Feldkirch nahm aus general- und spezialpräventiven Gründen ablehnend Stellung (ON 5).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Feldkirch als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des A* nach Vollzug der Hälfte der Freiheitsstrafe ab und begründete dies mit näher dargelegten spezial- und generalpräventiven Erwägungen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die durch seinen Verteidiger rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des Strafgefangenen mit dem Antrag, den Beschluss „ersatzlos“ aufzuheben und ihn bedingt zu entlassen, in eventu gemäß § 133a StVG vom weiteren Vollzug vorläufig abzusehen. Vorgebracht wird im Wesentlichen zusammengefasst, der Strafgefangene sei in Österreich lediglich einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten. Ausländische Vorstrafen seien nicht näher überprüft oder dokumentiert. Die Erklärung, Österreich verlassen und in ein stabiles Umfeld zurückkehren zu wollen, spreche klar gegen das Erfordernis einer weiteren Strafverbüßung aus spezialpräventiven Gründen. Das gegenständliche Delikt sei auch unter Berücksichtigung der Einbruchskomponente keine Tat, welche sich in ihrer Schwere auffallend von vergleichbaren Fällen abheben würde.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, dringt nicht durch.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB (Weisungen, Bewährungshilfe) anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird (§ 46 Abs 1 StGB). Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist nach § 46 Abs 4 StGB darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 46 Rz 15/1).
Ein Verurteilter, der die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der Strafe verbüßt hat, ist trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen so lange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken (§ 46 Abs 2 StGB). Es müssen gewichtige Umstände, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffällig abheben, ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung unumgänglich erscheinen lassen. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern – im Sinne positiver Generalprävention – auch das Interesse der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein. Liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen. Eine aus spezialpräventiver Sicht zulässige bedingte Entlassung kann demnach auch allein wegen eines in der Schwere der Tat gelegenen besonderen generalpräventiven Grundes verweigert werden ( Jerabek/Ropper aaO Rz 16).
Richtig ist, dass die österreichische Strafregisterauskunft (ON 2.3) lediglich die dem derzeitigen Vollzug zugrundeliegende Verurteilung aufweist. Entgegen dem Beschwerdevorbringen sind jedoch sehr wohl ausländische Verurteilungen des Strafgefangenen dokumentiert, dies in den vom Erstgericht aus Rumänien und Spanien eingeholten ECRIS-Auskünften (ON 3 und 4). Diesen Auskünften sind allein vier Verurteilungen durch französische Gerichte wegen (qualifizierter) Delikte gegen fremdes Vermögen jeweils zu Freiheitsstrafen zwischen sechs und acht Monaten zu entnehmen (zweite, dritte und sechste Verurteilung in ON 3 sowie erste Verurteilung in ON 4). Eine (teilweise) bedingte Nachsicht oder (teilweise) Aussetzung des Vollzugs dieser Strafen zur Bewährung ist nicht ersichtlich, sodass davon auszugehen ist, dass der Strafgefangene diese Freiheitsstrafen zumindest zum Teil auch verbüßt hat. Der wiederholte Freiheitsentzug vermochte A* jedoch nicht von der Begehung des dem derzeitigen Vollzug zugrundeliegenden Verbrechens abzuhalten. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass nunmehr der Vollzug bloß der Hälfte der Freiheitsstrafe ausreicht, um diese Wirkung beim Strafgefangenen zu erzielen. Das Vorleben des Strafgefangenen lässt die von § 46 Abs 1 StGB geforderte Prognose und damit eine bedingte Entlassung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe nicht zu.
Da somit bereits spezialpräventive Belange einer bedingten Entlassung zum 27.8.2025 entgegenstehen, konnten generalpräventive Erwägungen unterbleiben. Das eventualiter beantragte vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes gemäß § 133a StVG ist nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses und deshalb auch nicht dieses Beschwerdeverfahrens. Darüber wird vielmehr in bereits eingeleiteten Verfahren zu ** des Landesgerichts Feldkirch als Vollzugsgericht zu entscheiden sein.