JudikaturOLG Graz

9Bs234/25t – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 13. September 2025, GZ **-38.1, den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des A* mit EUR 9.000,00 festgesetzt wird.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 1. August 2025, GZ **-36, wurde A* von der wider ihn mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 17. Februar 2025, AZ **, erhobenen Anklage wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen zum konkreten Tatvorwurf auf das angeführte Urteil verwiesen werden darf (zur Zulässigkeit RIS-Justiz RS0124017 [T4 und T6]).

Mit Eingabe vom 14. August 2025 (ON 34) begehrte A* unter detaillierter Aufschlüsselung der von seiner Verteidigerin, der B* GmbH, erbrachten Leistungen die Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung in Höhe von EUR 15.000,00.

Mit Beschluss vom 13. September 2025 (ON 38.1) sprach das Erstgericht A* gemäß § 393a Abs 1 StPO einen Pauschalbetrag von EUR 6.000,00 als Beitrag zu den Verteidigerkosten zu.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* vom 18. September 2025 (ON 39.1) mit den wesentlichen Argumenten, dass im Hinblick auf das umfangreiche Ermittlungsverfahren, die Komplexität der Sachlage, des umfangreichen Aktes sowie die Tatsache, dass drei Hauptverhandlungstage erforderlich gewesen seien, an denen eine Vielzahl an Zeugen einvernommen worden seien, ein höherer Kostenbeitrag zuzusprechen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

Nach § 393a Abs 1 StPO hat der Bund – soweit hier von Bedeutung – einem nicht lediglich aufgrund einer Privatanklage oder der Anklage eines Privatbeteiligten freigesprochenen Angeklagten auf dessen Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten, der – neben den nötig gewesenen und vom Angeklagten bestrittenen baren Auslagen – auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers umfasst, dessen sich der Angeklagte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang des Verfahrens, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und durch die in Abs 2 leg cit normierten gesetzlichen Höchstbeträge, die nach der sachlichen Zuständigkeit gestaffelt sind, wobei Verfahren vor dem Schöffen- und Geschworenengericht nunmehr gleichgestellt sind, begrenzt. Darüber hinaus sind für in Dauer, Komplexität oder Umfang über das „durchschnittliche Strafverfahren“ („Grundstufe“) hinausgehende Verfahren zwei „Steigerungsstufen“ vorgesehen, bei denen das jeweilige Höchstmaß um die Hälfte („Stufe 2“) oder sogar das Doppelte überschritten werden kann („Stufe 3“).

Die erste Steigerungsstufe wird bereits bei längerer Dauer des Hauptverfahrens ausgelöst. Als Orientierungshilfe sollen dabei – wie schon bisher – die zwischen 1. Jänner 2008 und 17. Juni 2009 im Gesetz normierten § 221 Abs 3 StPO idF BGBl I 2007/93 „mehr als zehn Verhandlungstage“ herangezogen werden (vgl dazu Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 221 Rz 28). Die zweite Steigerungsstufe ist auf Verfahren mit „extremen Umfang“ beschränkt und orientiert sich dabei an den Kriterien des § 285 Abs 2 StPO (vgl dazu Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 285 Rz 18; ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 7 f; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 8 f).

Der Verteidigerkostenbeitrag, der schon nach dem eindeutigen und insoweit unverändert gebliebenen Wortlaut des Gesetzes stets nur ein Beitrag sein kann und nicht die gesamten Verteidigungskosten ersetzen soll, ist entsprechend dem Verhältnis des konkreten Verteidigungsaufwands zum realistischerweise in Betracht kommenden Höchstaufwand in der jeweiligen Verfahrensart festzusetzen ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 393a Rz 10). Die von der Judikatur entwickelten Kriterien für die Bemessung des Beitrags sind nunmehr ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben und richten sich nach dem Umfang des (Ermittlungs-, Haupt- und Rechtsmittel-)Verfahrens und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 6; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 6). Da der Höchstbetrag der „Grundstufe“ („Stufe 1“) nunmehr aber für alle Verteidigungsfälle gilt, bei denen die Hauptverhandlung nicht länger als zehn Tage gedauert hat oder der Aktenumfang nicht ganz außergewöhnlich ist, kann die bisherige Rechtsprechung, die bei ganz einfachen Verteidigungsfällen den Einstieg bei 10 % des jeweiligen Höchstbetrags fand, nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr ist für ein durchschnittliches Verfahren der Stufe 1 auch von den durchschnittlichen Verteidigerkosten für ein „Standardverfahren“ auszugehen und der sich dabei ergebende Betrag als Ausgangsbasis für die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags heranzuziehen. Dabei ist die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, zu berücksichtigen, die von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa bei einem einfachen Diebstahl oder einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in der Stufe 1 vorkommen können, wenn sie die Kriterien der Stufen 2 (längere Dauer der Hauptverhandlung) oder 3 (über die Schwelle der Stufe 2 weit hinausgehende Dauer der Hauptverhandlung oder außergewöhnlicher Aktenumfang) nicht erfüllen, reichen. Hiervon ausgehend nimmt der Gesetzgeber an, dass der durchschnittliche Aufwand an Verteidigungskosten für ein (Standard-)Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffen- und Geschworenengericht (Vertretung im Ermittlungsverfahren, Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Dauer von acht Stunden, Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes wie einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Gegenausführung, Teilnahme an der Rechtsmittelverhandlung in der Dauer von zwei Stunden) unter Heranziehung der Ansätze der allgemeinen Honorar-Kriterien rund EUR 15.000,00 beträgt. Je nach Umfang des Ermittlungsverfahrens und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen kann sich der Betrag dann den im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 8; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 9 f).

Im vorliegenden Fall dauerte die Hauptverhandlung – verteilt auf drei Tage – rund viereinhalb Stunden, weshalb die Voraussetzung für die „Stufe 2“ (länger dauernde Hauptverhandlung) nicht erfüllt ist. Der Akt umfasste (inklusive Urteil) 49 Ordnungsnummern und die Dauer des Strafverfahrens insgesamt ist nicht als außergewöhnlich zu bezeichnen, weshalb auch die Voraussetzung der „Stufe 3“ (Verfahren extremen Umfangs) nicht erfüllt ist. Vielmehr war der Verteidigerkostenbeitrag im Rahmen der „Stufe 1“ („Grundstufe“, Höchstbetrag von EUR 30.000,00; durchschnittlich angenommene Verteidigerkosten EUR 15.000,00) zu bemessen.

Die Tätigkeit des Verteidigers umfasste fallkonkret (soweit aus dem Akt ersichtlich) im Wesentlichen neben der Vollmachtsbekanntgabe und drei Anträgen auf Akteneinsicht die Teilnahme an einer kontradiktorischen Einvernahme, die Teilnahme an einer Einvernahme vor der Kriminalpolizei, an einer kontradiktorischen Einvernahme in der Dauer von zwei Stunden und an der Hauptverhandlung. Das gegenständliche Strafverfahren war nicht durch besonders komplexe Tat- oder Rechtsfragen gekennzeichnet. Das Gericht musste sich im Rahmen der Hauptverhandlung mit den Angaben des Angeklagten und der Zeugen auseinandersetzen. Aufgrund der – im Vergleich zu Standardverfahren – geringen Dauer der Hauptverhandlung kann unter Berücksichtigung des länger dauernden Ermittlungsverfahrens und der Teilnahme an einer kontradiktorischen Einvernahme von einem etwas unterdurchschnittlichen Verteidigungsaufwand ausgegangen werden.

Die geltenden Kriterien für den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung rechtfertigen im gegenständlichen Fall eine Erhöhung des im angefochtenen Beschluss zuerkannten Beitrags zu den Kosten der Verteidigung auf insgesamt EUR 9.000,00.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs gründet sich auf § 89 Abs 6 StPO.