JudikaturOLG Graz

1Bs130/25i – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
06. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a. Schwingenschuh in der Strafsache gegen A* B* wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach §§ 2, 81 Abs 1 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 4. September 2025, GZ **-23, den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Beschwerde wird der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des A* B* mit insgesamt EUR 6.000,00 festgesetzt.

Text

begründung:

Mit rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 18. August 2025, GZ **-23, wurde A* B* von der wider ihn erhobenen Anklage (ON 8), er habe am 28. März 2025 in ** als Obmann der C* reg. Gen. MbH grob fahrlässig den Tod des D* herbeigeführt, indem er es unterließ, entgegen den Auflagen 14 und 24 des Bewilligungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft E* GZ ** vom 16. September 2004 dafür zu sorgen, dass für das Abschalten der Brennstoffzufuhr für die von der Genossenschaft betriebenen Biomasseheizanlage außerhalb des Heizraumes ein leicht zugänglicher Notschalter montiert wurde, wodurch die Brennstoffzufuhr der Anlage von F* B* nicht abgeschalten werden konnte, nachdem D* sich in der Förderschnecke der Anlage verfangen hatte, wodurch dieser weiter in die Förderschnecke gezogen wurde und ein tödliches Schädelhirntrauma erlitt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit Eingabe vom 25. August 2025, beantragte der Freigesprochene unter Vorlage eines Kostenverzeichnisses in der Höhe von EUR 16.287,48 die Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung in der Höhe von EUR 13.000 (ON 19).

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht A* B* gemäß § 393a Abs 1 StPO einen Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung in der Höhe von EUR 2.500,00 zu (ON 23).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich dessen Beschwerde (ON 24), die in dem im Spruch ersichtlichen Ausmaß berechtigt ist.

Nach § 393a Abs 1 StPO hat der Bund – soweit hier von Bedeutung – einem freigesprochenen Angeklagten auf dessen Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten, der – neben den nötig gewesenen und vom Angeklagten bestrittenen baren Auslagen – auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers umfasst, dessen sich der Angeklagte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang des Verfahrens, der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und durch die in Abs 2 leg cit normierten gesetzlichen Höchstbeträge, die nach der sachlichen Zuständigkeit gestaffelt sind, begrenzt. Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts ist dieser Höchstbetrag mit EUR 13.000 festgelegt. Darüber hinaus sind für in Dauer, Komplexität oder Umfang über das „durchschnittliche Strafverfahren“ („Grundstufe“) hinausgehende Verfahren zwei „Steigerungsstufen“ vorgesehen, bei denen das jeweilige Höchstmaß um die Hälfte („Stufe 2“) oder sogar das Doppelte überschritten werden kann („Stufe 3“).

Die erste Steigerungsstufe wird bereits bei längerer Dauer des Hauptverfahrens ausgelöst. Als Orientierungshilfe sollen dabei – wie schon bisher – die zwischen 1. Jänner 2008 und 17. Juni 2009 im Gesetz normierten § 221 Abs 3 StPO idF BGBl I 2007/93 „mehr als zehn Verhandlungstage“ herangezogen werden (vgl dazu Danek/Mann, WK StPO § 221 Rz 28). Die zweite Steigerungsstufe ist auf Verfahren mit „extremen Umfang“ beschränkt und orientiert sich dabei an den Kriterien des § 285 Abs 2 StPO (vgl dazu Ratz , WK-StPO § 285 Rz 18; ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 7 f; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 8 f).

Der Verteidigerkostenbeitrag, der schon nach dem eindeutigen und insoweit unverändert gebliebenen Wortlaut des Gesetzes stets nur ein Beitrag sein kann und nicht die gesamten Verteidigungskosten ersetzen soll, ist entsprechend dem Verhältnis des konkreten Verteidigungsaufwands zum realistischerweise in Betracht kommenden Höchstaufwand in der jeweiligen Verfahrensart festzusetzen ( Lendl , WK-StPO § 393a Rz 10). Die von der Judikatur entwickelten Kriterien für die Bemessung des Beitrags sind nunmehr ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben und richten sich nach dem Umfang des (Ermittlungs-, Haupt- und Rechtsmittel-)Verfahrens und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 6; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 6). Da der Höchstbetrag der „Grundstufe“ („Stufe 1“) nunmehr aber für alle Verteidigungsfälle gilt, bei denen die Hauptverhandlung nicht länger als zehn Tage gedauert hat oder der Aktenumfang nicht ganz außergewöhnlich ist, kann die bisherige Rechtsprechung, die bei ganz einfachen Verteidigungsfällen den Einstieg bei 10 % des jeweiligen Höchstbetrags fand, nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr ist für ein durchschnittliches Verfahren der Stufe 1 auch von den durchschnittlichen Verteidigerkosten für ein „Standardverfahren“ auszugehen und der sich dabei ergebende Betrag als Ausgangsbasis für die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags heranzuziehen. Dabei ist die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, zu berücksichtigen, die von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa bei einem einfachen Diebstahl oder einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in der Stufe 1 vorkommen können, wenn sie die Kriterien der Stufen 2 (längere Dauer der Hauptverhandlung) oder 3 (über die Schwelle der Stufe 2 weit hinausgehende Dauer der Hauptverhandlung oder außergewöhnlicher Aktenumfang) nicht erfüllen, reichen. Hiervon ausgehend nimmt der Gesetzgeber an, dass der durchschnittliche Aufwand an Verteidigungskosten für ein (Standard-)Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts (Vertretung im Ermittlungsverfahren, Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Dauer von fünf Stunden, Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes) unter Heranziehung der Ansätze der allgemeinen Honorar-Kriterien rund EUR 6.500,00 beträgt. Je nach Umfang des Ermittlungsverfahrens und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen kann sich der Betrag dann den im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 8; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 9 f; OLG Graz, 9 Bs 98/25t).

Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren nicht durch einen Verteidiger vertreten. Ausgehend von der mit dem Ersuchen um Gewährung von Akteneinsicht verbundenen Vollmachtsbekanntgabe vom 9. Juli 2025 (ON 12) umfasste die Tätigkeit der Verteidigung neben dem Aktenstudium eine Gegenäußerung zum Strafantrag verbunden mit einer Urkundenvorlage (ON 13) sowie die Teilnahme an der Hauptverhandlung. Diese fand an zwei Terminen in der Dauer von insgesamt ca 4,5 Stunden statt. Unter Einbeziehung aller Kriterien und mit Blick auf den Verfahrensumfang handelt es sich um ein durchschnittliches Verfahren, wobei der Angeklagte erst ab dem Hauptverfahren von einem Verteidiger vertreten war. Die vom Verteidiger in der Leistungsaufstellung angeführten Vertretungshandlungen waren notwendig und zweckmäßig. Nach Maßgabe der Verfahrenskomplexität und des Verteidigungsaufwands hält das Beschwerdegericht (ausgehend vom Rahmen des § 393a Abs 2 Z 2 StPO) bei einer Gesamtabwägung der Umstände einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers von (insgesamt) EUR 6.000,00 für angemessen.

Die Neufassung der Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).