JudikaturOLG Graz

9Bs109/25k – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 16. Mai 2025, AZ ** (ON 8 der Akten AZ ** der Staatsanwaltschaft Klagenfurt), den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung der A* mit EUR 750,00 festgesetzt wird.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Am 10. April 2025 stellte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt das Ermittlungsverfahren gegen A* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB gemäß § 190 StPO ein (ON 1.3).

Mit Eingabe vom 5. Mai 2025 beantragte A* unter gleichzeitiger Vorlage einer Leistungsaufstellung die Zuerkennung eines Betrags zu den Kosten ihrer Verteidigung innerhalb der Grenze des § 196a Abs 1 letzter Satz StPO (ON 7).

Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte das Erstgericht A* einen Beitrag zu den Kosten ihrer Verteidigung von EUR 500,00 zu (ON 8).

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der A*, mit welcher begehrt wird, ihr einen höheren Pauschalbeitrag als zugesprochen zuzuerkennen (ON 9).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und – außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO – auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bediente.

Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass der für den Fall der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zustehende Verteidigerkostenbeitrag stets nur ein Beitrag sein kann und nicht die gesamten Verteidigerkosten ersetzen soll. Eine Verpflichtung, dem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 2).

Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf – soweit hier relevant – den Betrag von EUR 6.000,00 nicht übersteigen („Stufe 1“; § 196a Abs 1 StPO).

Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Umfang der Verteidigung. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts, der von ganz einfachen Fällen bis hin zu umfangreichen Strafverfahren von entsprechend höherer Komplexität reichen kann. Die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags hat dabei stets auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 3).

Für ein durchschnittliches Verfahren der Stufe 1 ist von den durchschnittlichen Verteidigerkosten für ein Standardverfahren auszugehen und der sich daraus ergebende Beitrag ist als Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Angenommen wird, dass ein durchschnittliches Standardverfahren eine Besprechung mit der verdächtigten/beschuldigten Person, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw. einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw. Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien rund EUR 3.000,00 an Aufwand für die Verteidigung verursacht. Für Verfahren, die (wie hier) in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, ist angesichts der im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer eine Reduktion dieser Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin EUR 1.500,00, angemessen. Der Betrag hat sich je nach Umfang des Ermittlungsverfahrens und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehen Höchstbetrag anzunähern bzw. sich von diesem weiter zu entfernen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 5; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024 - 0.561.623, 3 ff).

Der gegen die Beschwerdeführerin erhobene Tatvorwurf betraf einen äußerst einfachen Sachverhalt und wurde von der Staatsanwaltschaft auf Beweiswürdigungsebene gelöst (ON 6). Der Umfang des von 9. Dezember 2024 gegen die Beschwerdeführerin geführten Ermittlungsverfahrens beschränkte sich bis zur Einstellung am 10. April 2025 lediglich auf vier Ordnungsnummern, wobei die relevanten Abschlussberichte (ON 2 und ON 4) von überschaubarem Umfang waren. Neben der Einvernahme der A* (ON 2.5) sowie von sieben Zeugen (ON 2.6, ON 2.7, ON 4.3 bis ON 4.7) und der Vorlage von medizinischen Unterlagen (ON 2.8 und ON 2.9), waren eine schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin im Umfang von zwei Seiten (ON 2.10) und ein Gedächtnisprotokoll (2.11) in den Abschlussberichten enthalten.

Die notwendige und zweckmäßige Tätigkeit des Verteidigers der Beschwerdeführerin umfasste neben zweier Vollmachtsbekanntgaben samt Anträgen auf Akteneinsicht, mehrere Besprechungen und Korrespondenzen mit der Beschwerdeführerin, die Anwesenheit bei ihrer polizeilichen Einvernahme (die jedoch nur wenige Minuten dauerte, weil sie die Aussage verweigerte) sowie das Verfassen einer zweiseitigen Stellungnahme. Die Tätigkeiten nach Einstellung des Verfahrens am 10. April 2025 (Antrag auf Übermittlung einer Einstellungsbegründung und Brief an die Beschwerdeführerin, ON 7.3) sind hingegen nicht zu berücksichtigen, zumal diese für die Verteidigung weder notwendig noch zweckmäßig waren (vgl OLG Wien 31 Bs 286/24x).

Nach Maßgabe der (geringen) Verfahrenskomplexität sowie des dargestellten Ausmaßes des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers der Beschwerdeführerin ist bei Gesamtabwägung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien fallbezogen ein Beitrag von EUR 750,00 zu den Kosten der Verteidigung angemessen.

Die Neufassung der Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs gründet sich auf § 89 Abs 6 StPO.