JudikaturOGH

5Ob85/25y – OGH Entscheidung

Entscheidung
Mietrecht
23. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. WeixelbraunMohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin K*, vertreten durch Mag. Maximilian Kocher, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, gegen den Antragsgegner D*, vertreten durch Mag. Philipp Schada, Rechtsanwalt in Gumpoldskirchen, wegen § 37 Abs 1 Z 11 und 12 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 30. Jänner 2025, GZ 19 R 81/24h 146, mit dem der Teilsachbeschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 22. Juli 2024, GZ 8 MSch 13/23f 137, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 1.000,75 EUR (darin 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragstellerin war von 1. September 2010 bis 31. Oktober 2018 Mieterin einer Wohnung des Antragsgegners.

[2] Im Mietvertrag war festgehalten, dass der Mietzins aus dem Hauptmietzins, dem Anteil an den Betriebskosten und öffentlichen Abgaben sowie dem Anteil für besondere Aufwendungen besteht. Punkt II.3. lautete: „Der Mieter trägt einen verhältnismäßigen Anteil an den Betriebskosten, wobei zu diesen alle im Sinne der Rechtsprechung dazugehörigen Aufwendungen gerechnet werden. Dieser Anteil liegt bei derzeit 11 % der Gesamtbetriebskosten. Zu Beginn des Mietverhältnisses ergibt sich somit ein Betrag von 135 EUR monatlich [...].“ Punkt II.4. lautete: „Der Mieter erklärt sich damit einverstanden, dass für die Betriebskosten, öffentlichen Abgaben sowie Zuschläge für Aufzug, Zentralheizung, monatliche Pauschalbeträge in gleichbleibender Höhe gegen einmalige jährliche Verrechnung entrichtet werden.“

[3] Der Antragsgegner kümmert sich seit den 1990er Jahren selbst um die Betriebskostenabrechnung des Hauses. Nach Abschluss eines jeden Kalenderjahres (hier gegenständlich: 2010 bis 2017) erstellte der Antragsgegner zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen Jänner und Juni des jeweiligen Folgejahres die Betriebskostenabrechnung und informierte die Mieter des Hauses mittels Aushang davon, dass die Betriebskostenabrechnung zur Einsicht zur Verfügung stand. Die Formulierung des Aushangs lautete jeweils (im Wesentlichen): „Abrechnung Betriebskosten […]; Liebe [...], die Betriebskosten Abrechnung für das Jahr [...] steht ab sofort zur Einsicht zur Verfügung. LG [...]“. Der Aushang wurde auf einer roten Korktafel im allgemeinen Eingangsbereich des Hauses angebracht, auf der auch sonstige Ankündigungen von allgemeinem Interesse ausgehängt wurden (Rauchfangkehrer, Müllabfuhr, Straßensperren vor dem Haus). Diese rote Korktafel ist im von allen Mietern genutzten allgemeinen Eingangsbereich; sie befindet sich unmittelbar links von der Eingangstür zum Stiegenhaus zur Wohnung der Antragstellerin. Alle Mieter (auch die Antragstellerin) mussten daran vorbeigehen, um zu ihren Wohnungen zu gelangen.

[4] Der Antragsgegner legte die Betriebskostenabrechnung für jedes der im Verfahren gegenständlichen Kalenderjahre 2010 bis 2017 im jeweiligen Folgejahr nach Durchführung des Aushangs in seiner Wohnung im Haus zur Einsicht auf. Jeder Mieter hatte in den Jahren 2011 bis 2018 (für die Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2010 bis 2017) die Möglichkeit, nach Terminvereinbarung mit dem Antragsgegner in die Betriebskostenabrechnung Einsicht zu nehmen.

[5] Die Antragstellerin erfuhr erstmals im Jahr 2018 im Zusammenhang mit anderen Gerichtsverfahren gegen den Antragsgegner nach ihrem Auszug davon, dass Betriebskosten abgerechnet werden müssen und dass man zu viel bezahlte Betriebskosten zurückfordern kann. Davor interessierte sie sich nie für die Betriebskostenabrechnung und sprach auch nie mit dem Antragsgegner darüber. Sie nahm auch nie in die Betriebskostenabrechnung Einsicht oder fragte den Antragsgegner danach.

[6] Mit Antrag vom 15. Juni 2018 (ergänzt am 2. Mai 2019) begehrte die Antragstellerin zunächst die Legung der Betriebskostenabrechnungen der Kalenderjahre 2010 bis 2017 und brachte vor, der Antragsgegner sei seiner diesbezüglichen Verpflichtung für diese Jahre nicht nachgekommen.

[7] Das Erstgericht trug dem Antragsgegner mit Beschluss vom 13. Februar 2020 auf, die „fehlenden Betriebskostenabrechnungen sowie die Belege der Ausgaben von 2010 bis 2017 dem Gericht vorzulegen“. Am 8. Juli 2020 legte der Antragsgegner die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2010 bis 2017 dem Gericht vor.

[8] Die Antragstellerin dehnte am 31. August 2020 ihr Begehren auf die Überprüfung der Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2010 bis 2017 sowie auf Rückzahlung eines sich daraus ergebenden Guthabens aus. Vor diesem Zeitpunkt hatte sie die Überprüfung der Betriebskostenabrechnungen 2010 bis 2017 nicht gerichtlich geltend gemacht. Konkret begehrte die Antragstellerin festzustellen, in welchem Ausmaß der Antragsgegner durch die erstmalige Geltendmachung der näher bezifferten Betriebskostensalden das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten habe, sowie auf welchen Betrag sich das angesichts der von ihr monatlich bezahlten Pauschalrate von 135 EUR auszubezahlende Betriebskostenguthaben belaufe, und dem Antragsgegner aufzutragen, dieses Betriebskostenguthaben zurückzuzahlen. Die Verjährung habe erst im Verfahren zu laufen begonnen, weil der Antragsgegner vor seiner Vorlage im Verfahren keine gesetzeskonforme Möglichkeit zur Einsicht gewährt und auch keine Hinweise auf die Möglichkeit der Einsicht ausgehängt habe.

[9] Der Antragsgegner wies darauf hin, dass er jährlich den Aushang mit dem Hinweis auf die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Betriebskostenabrechnung gemacht und damit Gelegenheit zur Überprüfung eingeräumt habe. Zum erstmals am 31. August 2020 erhobenen Antrag wendete er ein, dass Ansprüche für alle vor dem 31. August 2017 gezahlten Pauschalraten verjährt seien.

[10] Das Erstgericht wies mit Teilsachbeschluss den Antrag auf Feststellung sowie auf Rückzahlung der Überschreitungen des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes durch die näher genannten jährlichen Betriebskostensalden und Betriebskostennachzahlungen für die Jahre 2010 bis 2016 ab.

[11]Die Vorgangsweise des Antragsgegners zu den jährlichen Betriebskostenabrechnungen erfülle die Voraussetzungen des § 21 Abs 3 MRG. Im Zeitpunkt der erstmaligen gerichtlichen Geltendmachung durch die Antragstellerin am 31. August 2020 sei die dreijährige Verjährungsfrist zur Überprüfung der Betriebskosten abrechnungen der Jahre 2010 bis 2016 bereits abgelaufen gewesen.

[12] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung mit der Maßgabe, dass es die Abweisung des Begehrens der Antragstellerin auf Feststellung und Rückzahlung ihres (infolge der von ihr monatlich bezahlten Pauschalraten auszubezahlenden) Betriebskostenguthabens auf den Zeitraum der Jahre 2010 bis 2016 beschränkte.

[13]Der Vermieter habe die jährliche Abrechnung der Betriebskosten gemäß § 21 Abs 3 MRG an einer geeigneten Stelle im Haus zur Einsicht aufzulegen; dies könne auch bei einer Person im Haus erfolgen. Der Antragsgegner sei dieser Verpflichtung nachgekommen. Da bei dieser Vorgangsweise ein Mieter, der in die Abrechnung Einsicht nehmen wolle, mit dem im Aushang genannten Vermieter zwecks Terminvereinbarung Kontakt aufnehmen müsse, schade es auch nicht, dass im Aushang selbst der konkrete Ort nicht genannt sei, an dem sich die Abrechnung befinde. Durch den Hinweis auf die Möglichkeit zur Einsichtnahme habe der Vermieter seiner Verpflichtung entsprochen. Gegenüber dem ursprünglich erhobenen Rechnungslegungsbegehren der Antragstellerin stelle das erst im August 2020 ausgedehnte Begehren auf Feststellung der Höhe des Guthabens sowie auf dessen Rückzahlung ein aliud dar, weshalb das Erstgericht dessen Verjährung zu Recht angenommen habe.

[14] Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Information der Mieter über Zeit und Ort der Auflage der Betriebskostenabrechnung geboten sei, wenn diese nicht an einem für alle zugänglichen Ort erfolge.

[15] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, ihrem Begehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[16] Der Antragsgegner beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[17] Der Revisionsrekursist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[18]1. Nach § 21 Abs 3 MRG hat der Vermieter die Betriebskostenabrechnung an geeigneter Stelle im Haus zur Einsicht durch die Hauptmieter aufzulegen und den Hauptmietern in geeigneter Weise Einsicht in die Belege zu gewähren. Ziel des § 21 Abs 3 MRG ist es, dass der Mieter darüber informiert wird, welche Betriebskosten dem Vermieter tatsächlich entstanden sind. Dadurch kann der Mieter feststellen, ob allenfalls seine Akontozahlungen die Verbindlichkeit übersteigen und ein Rückforderungsanspruch besteht. Dieser Rückforderungsanspruch wird gemäß § 21 Abs 3 MRG mit dem übernächsten Zinstermin nach der Auflage der Abrechnung fällig (vgl nur 1 Ob 40/20v mwN).

[19] 1.1 Im Revisionsverfahren zieht die Antragstellerin nicht mehr in Zweifel, dass die Auflage der Abrechnung auch in einer Wohnung des Hauses, wie etwa der des mit der Hausbetreuung betrauten Dienstnehmers des Vermieters (dazu AB 122 Blg NR 21. GP 4) erfolgen kann. Ein solcher ist aufgrund seines arbeitsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisses nicht anders zu betrachten als sein Arbeitgeber (der Vermieter) selbst. Mit ihrem Hinweis, dass die Betriebskostenabrechnung in der Wohnung des Vermieters aufgelegt wurde, kann die Antragstellerin schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

[20] 1.2 Unstrittig wohnt der Antragsgegner im selben Haus, das im Vergleich mit üblichen Zinshäusern eine überschaubare Anzahl von Mietwohnungen aufweist. Er erstellt seit den 1990er Jahren selbst die Betriebskostenabrechnungen und übt daher auch die Verwaltung aus. Fest steht auch, dass er die Mieter stets durch einen Aushang an der dafür üblichen Stelle („rote Korktafel“, an der alle Bewohner vorbeikommen, um in ihre Wohnungen zu gelangen) jährlich (unter der Anrede „Liebe […]“) davon informierte, dass die Abrechnung für das jeweils vergangene Jahr „ab sofort zur Einsicht zur Verfügung“ steht. Ausgehend von diesen besonderen Umständen des Einzelfalls stellen sich auch die vom Rekursgericht als erheblich aufgeworfenen Fragen nicht.

[21]1.2.1 Der Fachsenat hat bereits klargestellt, dass nach § 21 Abs 3 MRG weder eine vorherige Information der Mieter von der bevorstehenden Legung der Abrechnung noch eine Mindestfrist für den Verbleib der aufgelegten Abrechnung (und daher auch keine Kontrolle, ob sie von Dritten entfernt wurde, oder vorbeugende Maßnahmen gegen eine solche Möglichkeit) für die Erfüllung dieser Vermieterpflicht vorausgesetzt ist (RS0126999). Der Hinweis im Aushang des Antragsgegners, dass die Abrechnung „ab sofort“ zur Einsicht zur Verfügung steht, lässt keinen Zweifel an dem Beginn der Einsichtsmöglichkeit (beginnend mit dem Tag des Aushangs).

[22] 1.2.2 Der Aushang selbst enthielt nach der dazu vorgelegten unstrittigen Urkunde neben der Nennung des Antragsgegners als Verfasser durch die Anführung des Verwalterkontos auch einen deutlichen Hinweis darauf, dass er diesen Aushang in seiner Verwaltereigenschaft vornahm. In Anbetracht dessen, dass keinem der Mieter verborgen geblieben sein kann, dass der Antragsgegner im selben Haus wohnt, konnte für keinen von ihnen – und damit auch nicht für die Antragstellerin – zweifelhaft sein, wo die Betriebskostenabrechnungen der jeweiligen Jahre zur Einsicht auflagen. Damit ist es im hier zu beurteilenden Fall auch ohne Bedeutung, dass im Aushang selbst eine ausdrückliche Nennung des Orts der Möglichkeit zur Einsichtnahme unterblieb. Die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Frage zur Information der Mieter über den Ort der Auflage der Betriebskostenabrechnung, wenn diese nicht an einem für alle zugänglichen Ort erfolgt, ist daher aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ohne Relevanz. Die Abrechnungen standen den Mietern – wie im Gesetz vorgesehen – zur Einsichtnahme „im Haus“ zur Verfügung, wobei für alle Mieter und damit auch für die Antragstellerin aufgrund des Aushangs klar sein musste, wo sie die Einsicht, sofern sie sie wünschten, vornehmen können.

[23]2. Das Erstgericht trug im Verfahren mit Beschluss vom 13. Februar 2020 dem Antragsgegner auf, ihm die Betriebskostenabrechnungen sowie die Belege der Ausgaben von 2010 bis 2017 vorzulegen. Dieser – als verfahrensleitend im Sinn des § 45 AußStrG zu qualifizierende und daher nicht gesondert anfechtbare – Beschluss enthält (zutreffend) keinen Hinweis auf eine diesbezügliche Leistungspflicht des Antragsgegners oder eine Verletzung seiner Vermieterpflichten gegenüber der Antragstellerin. Durch diesen gerichtlichen Auftrag wurde daher – entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin – auch nicht (bindend) über die Frage der ordnungsgemäßen Legung der Betriebskostenabrechnungen für das weitere Verfahren entschieden.

[24] 3. Soweit die Antragstellerin meint, der Antragsgegner habe durch die Vorlage der Betriebskostenabrechnungen in Entsprechung des erwähnten erstgerichtlichen (verfahrensleitenden) Beschlusses seine diesbezügliche Verpflichtung zur Legung der Abrechnungen „anerkannt“, ist ihr zu erwidern, dass sich aus dieser Vorgangsweise des Antragsgegners kein Anhaltspunkt für eine derartige – im Widerspruch zu seinem Vorbringen stehende – Erklärung ergibt.

[25] 4. Inwiefern dem Antragsgegner eine „Prozessverschleppung“ vorzuwerfen sein sollte, obwohl die Antragstellerin erst mit ihrer am 31. August 2020 erklärten Ergänzung ihres Begehrens auf eine inhaltliche Überprüfung der Betriebskostenabrechnungen diesen zusätzlichen Antrag stellte, ist nicht nachvollziehbar. Ebenso bleibt unklar, aus welchem Grund der gegen das ergänzende Begehren der Antragstellerin erhobene Verjährungseinwand des Antragsgegners sittenwidrig sein sollte.

[26]5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Der Antragsgegner hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, weshalb es der Billigkeit entspricht, ihm den Ersatz der Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung zuzuerkennen.