7Nc20/25p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MMag. Dr. C* K*, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei B* Plc, *, wegen 1.200 EUR sA, über den Ordinationsantrag nach § 28 JN den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger strebt die Verpflichtung der beklagten Fluglinie mit Sitz im Vereinigten Königreich zur Zahlung von 1.200 EUR sA aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (EU FluggastVO) an. Sein für sich und seine Familie (Ehefrau und zwei Söhne) bei der Beklagten gebuchter Flug von München über London (Heathrow) nach New York City am 9. Juli 2025 sei mehr als drei Stunden verspätet angekommen.
[2]Der Kläger beantragt beim Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN unter Anschluss eines Klageentwurfs die Ordination eines örtlich zuständigen Gerichts in Österreich. Da der Abflugsort nicht in Österreich, sondern in Deutschland gelegen sei , komme§ 101a JN nicht zur Anwendung . Es bestehe somit grundsätzlich keine örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts, sodass die Klage am Sitz der Beklagten im Vereinigten Königreich einzubringen wäre. Die Rechtsverfolgung am Sitz der Beklagten sei unmöglich bzw unzumutbar, weil die Vollstreckung einer Entscheidung eines britischen „unteren“ Gerichts in Österreich angesichts der geringen Höhe der Forderung nicht in Betracht komme.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt .
[4] 1. Für Klagen über Ansprüche nach der EU FluggastVO ist, wenn der Abflugs oder Ankunftsort in Österreich liegt, auch das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Abflugsoder Ankunftsort liegt (§ 101a JN). Diese mit der Zivilverfahrens Novelle 2022 eingeführte Bestimmung istmit 1. Mai 2022 in Kraft getreten und auf Klagen anzuwenden, die nach dem 30. April 2022 eingebracht wurden (§ 123 Abs 2 Z 1 JN).§ 101a JN ist hier jedoch nicht anwendbar, weil weder der Abflugs noch der Ankunftsort des Fluges im Inland liegt.
[5] 2. Die Voraussetzungen für eine Ordination liegen nicht vor:
[6]2.1. Für den Fall, dass für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 Z 2 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.
[7]2.2. Der Kläger begehrt eine Ordination nach dieser Bestimmung, die Fälle abdecken soll, in denen trotz Fehlens eines inländischen Gerichtsstands ein Bedürfnis nach Gewährung von inländischem Rechtsschutz besteht, weil die Sache ein Naheverhältnis zum Inland aufweist und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland fehlt (RS0057221 [T4]). Letzteres wird insbesondere dann angenommen, wenn eine Exekution im Inland angestrebt wird, eine am Sitz des Beklagten ergangene Entscheidung hier aber nicht vollstreckt würde (RS0046148 [T17]).
[8] 2.3. Die Frage der Anwendung der EU FluggastVO (vgl Art 3 Abs 1) auf den vorliegenden Fall bedarf hier keiner Klärung, weil die materiellrechtliche Schlüssigkeit der beabsichtigten oder mit dem Ordinationsantrag verbundenen Klage nicht Gegenstand der Prüfung der Ordinationsvoraussetzungen ist (vgl 7 Nd 504/89; 9 Nc 8/22h mwN).
[9] 2.4. Der Oberste Gerichtshof hat Ordinationsanträgen in zahlreichen Entscheidungen stattgegeben, wenn der Kläger Ansprüche nach der EU FluggastVO sonst im Vereinigten Königreich einklagen müsste, weil im Hinblick auf die geringe Höhe der Klageforderung die Erlangung einer Entscheidung eines britischen „oberen Gerichts“ kaum möglich sein werde (vgl den Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil und Handelssachen, BGBl 1962/224 idgF) , weshalb von einer faktischen Unmöglichkeit der Exekutionsführung in Österreich aufgrund eines in Großbritannien erlangten Titels auszugehen sei ( 7 Nc 7/22x mwN, 5 Nc 5/22p , 10 Nc 6/22x , 9 Nc 8/22h , ua) .
[10]2.5. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Der Kläger legt nämlich nicht dar, warum die Rechtsverfolgung am Abflugsort in Deutschland im Sinn des § 28 Abs 1 Z 2 JN nicht möglich oder unzumutbar wäre (vgl § 28 Abs 4 zweiter Satz JN; RS0124087 [T3]).