JudikaturOGH

12Os69/25a – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
05. August 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. SetzHummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen * H* wegen Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 und Abs 2 VerbotsG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Geschworenengericht vom 27. Februar 2025, GZ 7 Hv 93/24z 31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Es wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Strafverfahrens insoweit verfügt, als * H* mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Geschworenengericht vom 27. Februar 2025, GZ 7 Hv 93/24z 31, jeweils mehrerer Verbrechen nach § 3g Abs 1 und Abs 2 VerbotsG sowie nach § 3g Abs 1 VerbotsG schuldig erkannt wurde.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen A./I./, A./II./ und A./III./ samt den darauf bezogenen Wahrsprüchen, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), im Konfiskationserkenntnis sowie im Einziehungserkenntnis aufgehoben.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung werden der Angeklagte und mit ihrer Berufung die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde der Angeklagte jeweils mehrerer Verbrechen nach § 3g Abs 1 und Abs 2 VerbotsG (A./I./, A./II./3./ und 6./) sowie nach § 3g Abs 1 VerbotsG (A./II./ 1./, 2./, 4./, 5./ und 7./ bis 51./ sowie A./III./) schuldig erkannt.

[2]Danach hat er sich in E* und an anderen Orten auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, wobei er die im Urteil zu A./I./, A./II./3./ und 6./ beschriebenen Taten auf eine Weise beging, dass sie vielen Menschen zugänglich wurde, indem er

A./I./ am 18. Juni 2015 das bis 14. August 2023 sichtbare Symbol einer „Schwarzen Sonne“ mit einem Durchmesser von etwa 4 Metern in den Einfahrtsbereich vor der Liegenschaft in *, einpflasterte,

A./II./ vom 27. September 2015 bis zum 1. Jänner 2016 und vom 25. Jänner 2020 bis zum 14. Mai 2023 in 51 Fällen im Urteil detailliert dargestellte Bild- und Videodateien, die den Nationalsozialismus sowie dessen Ziele verherrlichen, als zeitgemäß darstellen sowie die Gräueltaten des Nationalsozialismus verharmlosen, an andere Personen übermittelte,

A./III./ „jedenfalls am 26. Juni 2023“ die im Urteil angeführten NS Devotionalien sammelte und mit dem Vorsatz besaß, diese in naher Zukunft im Rahmen eines „NS Museums“ zum Zweck nationalsozialistischer Propaganda öffentlich zur Schau zu stellen.

Rechtliche Beurteilung

[3]Dagegen richtet sich die auf Z 8, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Bei der vorläufigen Beratung über dieses Rechtsmittel ergaben sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrunde gelegten Tatsachen.

[5] Voranzustellen ist, dass die Grundsätze der tatbestandlichen Handlungseinheit (zum Begriff und den prozessualen Folgen vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.204) auch im Verfahren wegen strafbarer Handlungen nach § 3g VerbotsG Geltung haben (RISJustiz RS0120533 [T1]).

[6] Vorliegend stellte der Schwurgerichtshof (der Faktenaufstellung in der Anklageschrift folgend) 53 Hauptfragen in Richtung nationalsozialistischer Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 und Abs 2 VerbotsG , die die Geschworenen allesamt bejahten. Insoweit folgerichtig fällte der Schwurgerichtshof ebenso viele Schuldsprüche und lastete dem Angeklagten das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen als erschwerend an (US 78).

[7] Die in den Wahrsprüchen der Geschworenen festgestellten Tatsachen bringen somit zum Ausdruck, dass sich der Angeklagte bei jeder einzelnen Tat neu motivierte und er jedesmal einen eigenständigen Wiederbetätigungsvorsatz fasste.

[8] Gegen eine solche Konstatierung ergeben sich jedoch erhebliche Bedenken. Denn die (zum Teil sogar sehr) kurzen zeitlichen Abfolgen – in den Tatphasen vom 18. Juni 2015 bis zum 1. Jänner 2016 (Schuldsprüche A./I./ und A./II./38./ bis 44./) und vom 25. Jänner 2020 bis zum 26. Juni 2023 (Schuldsprüche A./II./1./ bis 37./ und 45./ bis 51./ sowie A./III./; vgl insbesondere A./II./17./ und 34./: jeweils am 24. Dezember 2020) geben einen gewichtigen Hinweis dafür ab, dass beim Angeklagten bei der inkriminierten Begehung der vielzähligen, gleichgerichteten Tathandlungen im Zeitraum Juni 2015 bis Jänner 2016 einerseits und Jänner 2020 bis Juni 2023 andererseits jeweils eine einheitliche Motivationslage gegeben war (vgl dazu Ratz in WK 2StGB § 28 Rz 89).

[9]Vorliegend ließ die Anklageschrift (ON 4) nicht explizit erkennen, welches Kalkül ihr zugrundelag. Ungeachtet dessen wären selbst auf Basis der Anklageinterpretation, dass sich der Angeklagte immer wieder neu motivierte, bei anklagekonformer Stellung der Hauptfragen (§ 312 Abs 1 StPO) Eventualfragen in Richtung tatbestandlicher Handlungseinheiten (vgl Ratz , WK-StPO § 345 Rz 37) oder sonst Hauptfragen nach solcherart zu bildenden Handlungseinheiten zu stellen gewesen (zu Mängeln der Fragestellung als Gegenstand erheblicher Bedenken siehe Ratz , WKStPO § 345 Rz 11).

[10] Es war daher im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Angeklagten zu verfügen und das Urteil wie im Spruch ersichtlich aufzuheben.

[11]Da eine sofortige Entscheidung in der Sache in Form eines Freispruchs oder einer Verurteilung nach einem milderen Strafsatz ohne Durchführung eines weiteren Beweisverfahrens nicht in Betracht kam, tritt das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens (§ 362 Abs 4 iVm § 358 Abs 2 StPO; Ratz , WK-StPO § 362 Rz 10).

[12] Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Argumentation der Nichtigkeitsbeschwerde.

[13] Mit diesem Rechtsmittel und seiner Berufung waren der Angeklagte und mit ihrer Berufung die Staatsanwaltschaft auf die außerordentliche Wiederaufnahme zu verweisen.