JudikaturOGH

4Ob128/77 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 1978

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedl und Dr. Resch sowie die Beisitzer DDr. Hans Skrovanek und Dr. Gottfried Opitz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*, Arzt in *, vertreten durch Dr. Robert Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei * Gebietskrankenkasse *, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Rechtsanwalt in Graz, wegen restlicher S 34.615,-- brutto sA und Feststellung (Streitwert S 20.000,--) infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10. Februar 1977, GZ 2 Cg 2/77 43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 10. Dezember 1975, GZ 1 Cr 209/75 23, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der Beklagten wird nicht Folge gegeben.

Der Revision des Klägers wird F olge gegeben; das angefochtene Urteil, welches in Pkt 1.a) seines Spruches (Zuerkennung eines weiteren Betrages von S 33.820, - - brutto sA) bestätigt wird und in Pkt 1.b) (Abweisung eines Mehrbegehrens von S 795, - - sA) als unangefochten unberührt bleibt, wird in Pkt 2 (Abweisung des F eststellungsbegehrens) dahin abgeändert , daß insoweit Pkt 2.) des erstgerichtlichen Teilurteils vom 10. Dezember 1975, ON 23, wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß vom 10. Juni 1966 bestellte der Vorstand der L* (im folgenden: L*) den Kläger, welcher schon seit 1958 provisorisch mit der Vertretung des leitenden Chefarztes betraut gewesen war, mit Wirkung vom 1. Juli 1966 zum leitenden Chefarzt dieses Versicherungsträgers (Beilage F ). Als solcher war der Kläger zuletzt mit Wirksamkeit ab 1. September 1973 nach dem Gehaltsschema A für die in § 35 Abs 2 Z 1 lit a der Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) angeführten Ärzte in Verwendungsgruppe A I, Bezugsstufe 14, eingereiht; sein Gehalt betrug monatlich S 25.141, - - brutto, zahlbar 14 x jährlich. Zusätzlich hatte der Kläger auf Grund eines am 10. Juni 1966 zwischen ihm und der L* abgeschlossenen Sonder v ertrages (Beilage C) Anspruch auf eine Leitungszulage im Ausmaß von 25 %, dies jedoch mit der Maßgabe, daß sein Gesamtbezug gemäß § 3 Abs 3 der Dienstordnung für die bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs angestellten Ärzte und Dentisten (DO-Arzt) den Höchstbetrag des dem leitenden Angestellten der L* zustehenden Bezuges nicht übersteigen durfte (sogenannte „Neidklausel“; ebenso seit 1. Jänner 1970 § 1 Abs 5 bzw § 35 Abs 8 DO.B). In der Fol ge wurde die Leitungszulage des Klägers mit Beschluß des Vorstandes der L* vom 27. Oktober 1969 (dem Kläger mitgeteilt mit Schreiben vom 28. Oktober 1969, Beilage D) auf 30 % erhöht. Zufolge der erwähnten „Neidklausel“ wurde die Leitungs z ulage bis zum Jahresende 1973 dem Kläger nie voll ausgezahlt; sie betrug vielmehr in Anpassung an das Gehalt des leitenden Angestellten der L* nur S 4.720, - - monatlich, also rund 25 % seines Gehalts.

Auf Grund der 29. Novelle zum ASVG BGBl 1973/31 kam es zu einer Neuorganisation der Sozialversicherungsträger und damit zur Überführung des Dienstverhältnisses des Klägers zur L* in ein Dienstverhältnis zur beklagten Gebietskrankenkasse. Dabei mußte gemäß Art VII Abs 7 der 29. ASVG-Novelle jedem in Betracht kommenden Bediensteten die Beibehaltung seiner am 31. Dezember 1973 erreichten dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Stellung gewährleistet sein; bei der Übernahme war auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seinen F amilienstand, sowie auf seine bisherige Tätigkeit Bedacht zu nehmen. Tatsächlich bestätigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 2. Jänner 197 4 (Beilage G) ausdrücklich, daß er mit Wirkung ab 1. Jänner 1974 im Sinne der angeführten Gesetzesstelle als Bediensteter der L* mit allen Rechten und Pflichten in den Dienststand der Beklagten übernommen werde.

Im vorliegenden, seit 20. November 1974 anhängigen Rechtsstreit begehrte der Kläger zunächst – neben der Zahlung von restlichem Kilometergeld und der Feststellung der Unwirksamkeit einer von der Beklagten mit 1. Jänner 1974 angeordneten Änderung seines Tätigkeitsbereiches ‒ die Zahlung von S 36.884,40 brutto sA (ON 6 S 35) sowie die Feststellung, daß ihm ab 1. Jänner 1974 ein Anspruch auf zwei Werktage Mehrurlaub gegenüber der in § 19 Abs 1 DO-B festgelegten Urlaubsregelung zustehe. Durch die mit 1. Februar 1974 wirksam gewordene Neufestsetzung der Verwendungsgruppeneinreihung nach § 37 DO.A habe sich der dienstordnungsmäßig erreichbare Höchstbezug des leitenden Angestellten des Sozialversicherungsträgers – jetzt also der Beklagten – so erhöht, daß das Gehalt des Klägers samt der 30 %igen Leitungs z ulage diesen Höchstbezug nicht mehr übersteige. Davon abgesehen, habe der Kläger schon ab 1. Dezember 1973 – also noch bei der L* – den Anspruch auf die volle Leitungs z ulage erworben, weil bereits in diesem Zeitpunkt der leitende Angestellte der L* in Verwendungsgruppe G II zuzüglich einer 40 %igen Leitungs z ulage eingestuft worden sei; auch bei Berücksichtigung einer nur 30 %igen Zulage dieses leitenden Angestellten hätte im übrigen die mit 1. Februar 1974 wirksam gewordene Neuregelung der Bezüge der Verwaltungsangestellten vom 1. Dezember 1973 die Beschränkung der Leitungs z ulage des Klägers beseitigt. Die Differenz zwischen dem so zu errechnenden und dem tatsächlich gezahlten Gehalt (einschließlich Weihnachtsremuneration) betrage für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1974 S 36.884,40 brutto.

Mit Beschluß vom 17. Mai 1968 habe der Vorstand der L* den Bediensteten dieser Kasse zwei Tage Mehrurlaub gegenüber der allgemeinen Regelung für die Versicherungsträger zuerkannt; durch ständige Gewährung sei dies seither zum Inhalt der einzeldienstvertraglichen Regelung des Klägers geworden.

Die Beklagte hat das Zahlungsbegehren der Höhe nach außer Streit gestellt, im übrigen aber die Abweisung der Klage beantragt. Die Leitungszulage des Klägers sei zusammen mit seinem Gehalt vom 31. Dezember 1973 „eingefroren“. Da der Kläger vor diesem Zeitpunkt nie die volle Leitungszulage erhalten habe, könne er die Differenz auch jetzt nicht mehr verlangen, zumal sich die „Neidklausel“ auf den leitenden Angestellten der L* und nicht auf den der Beklagten bezogen habe. Im übrigen habe der leitende Angestellte der L* nur deshalb eine Leitungszulage von 40 % bezogen, weil zwischen der L* und der la* ein Bürogemeinschaftsübereinkommen bestanden habe; für die L* allein habe die Leitungszulage nur 30 % betragen. Der dem Kläger seinerzeit gewährte Mehrurlaub beruhe auf einer internen Regelung der L*. Für die Beklagte sei diese Zusage ebensowenig verbindlich wie die Erhöhung der Leitungszulage des Klägers auf 30 %, hätten doch beide Maßnahmen zu ihrer Rechtswirksamkeit der vorherigen Zustimmung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger bedurft.

Mit Teilurteil vom 10. Dezember 1975 (ON 23) verurteilte das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von S 36.884,40 brutto sA an den Kläger und gab auch dem Feststellungsbegehren hinsichtlich des Mehrurlaubes statt. Da der dienstordnungsgemäß erreichbare – fiktive – Höchstbezug des leitenden Angestellten der L* bei Berücksichtigung einer Leitungszulage von 30 % ab 1. Februar 1974 um ca S 17, - - höher gewesen wäre als das Gehalt des Klägers samt der vollen Leitungszulage von 30 %, und da der Kläger überdies den Anspruch auf die volle Leitungszulage tatsächlich noch während seines aufrechten Dienstverhältnisses zur L* – nämlich schon durch die mit 1. Dezember 197 3 erfolgte Neueinstufung des leitenden Angestellten dieser Kasse – erworben habe, müsse die Beklagte die eingeklagte Bezugsdifferenz zahlen. Einer Ge ne hmigung durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger habe es deshalb nicht bedurft, weil der Sondervertrag des Klägers dadurch nicht geändert worden sei. Der Anspruch des Klägers auf zwei Tage Mehrurlaub bestehe nicht nur nach dem Vorstandsbeschluß der L*, sondern auch auf Grund langjähriger praktischer Übung zu Recht; durch die fehlende Genehmigung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger werde die Rechts w irksamkeit dieser Vereinbarung gleichfalls nicht berührt.

In ihrer Berufung gegen dieses Teilurteil ließ die Beklagte ‒ b ei grundsätzlicher Aufrechterhaltung ihres bisherigen Rechtsstandpunktes ‒ einen Teilbetrag von S 13.828, - - brutto sA ausdrücklich unbekämpft; dieser Betrag ergebe sich nach ihrer Berechnung dann, wenn man dem Kläger zwar eine Leitungszulage von 25 % seines jeweiligen Bruttogehaltes zubillige, diesen Anspruch jedoch, wie vereinbart, mit dem (fiktiven) Höchstbezug des leitenden Angestellten der L * ab 1. Februar 1974 (einschließlich einer 30 %igen Leitungszulage) nach oben begrenze. Als der Kläger sodann das Zahlungsbegehren zunächst um S 60.695, - -brutto – das ist die Differenz zwischen der von ihm für 1975 errechneten 30 %igen Leitungs z ulage (einschließlich Urlaubsgeld 1974 und 1975, Weihnachtsremuneration 1975 und Jubiläumsgeld 1975) und den von der Beklagten für diesen Zeitraum tatsächlich gezahlten Beträgen – auf insgesamt S 97.579,10 (richtig: S 97.579,40) ausdehnte (ON 25 S 204 f in Verbindung mit ON 3 3 S 250), anerkannte die Beklagte aus den schon in der Berufung angeführten rechtlichen Erwägungen zwei weitere Teilbeträge von S 32.112, - - und S 1.565, - - (ON 29 S 227, ON 3 3 S 250 f). In der Folge schränkte der Kläger sein Begehren mit Rücksicht auf zwei Teilzahlungen der Beklagten von S 32.112,- und S 13.128, - - vorerst auf S 51.639,10 brutto sA (ON 3 3 S 251) und dann unmittelbar vor Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung ‒ “unter Berücksichtigung und Einbeziehung des unberührt gebliebenen Teiles des Ersturteils von S 13.828, - - sA“ auf S 48.443, - - brutto sA ein (ON 42 S 303 f).

Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und gab dann der Berufung der Beklagten teilweise, und zwar dahin F olge, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger zusätzlich zu dem unangefochten gebliebenen Teilbetrag von S 13.828, - - brutto s.A. einen weiteren Betrag von S 33.820,- - brutto sA zu zahlen; das Mehrbegehren auf Zahlung restlicher S 795,- - sA sowie das F eststellungsbegehren des Klägers wurden abgewiesen. Das Urteil des Berufungsgerichtes enthält zunächst eine genaue Berechnung der (fiktiven) Gehaltsansprüche eines leitenden Angestellten der L* für die Zeit vom 1. Februar 1974 bis 31. Dezember 1975 sowie jener Beträge, die der Kläger von der Beklagten ‒ zum Teil erst während des Rechtsstreites ‒ für diesen Zeitraum tatsächlich erhalten hat; außerdem liegen ihm noch folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

Als die L* auf Grund der 29. Novelle zum ASVG mit 31. Dezember 1973 aufgelöst wurde, bezog ihr leitender Angestellter neben seinem Gehalt eine Leitungszulage von 30 %. Da Dir. H*, welcher diese F unktion bis zu seiner Pensionierung am 1. Juli 1973 ausgeübt hatte, zugleich auch Leiter der la* gewesen war, hatte er eine 40 %ige Leitungszulage bezogen.

Eine Genehmigung der vom Vorstand der L* am 27. Oktober 1969 beschlossenen Erhöhung der Leitungs z ulage des Klägers auf 30 % durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger liegt nicht vor.

In seiner Sitzung vom 9. Februar 1968 hatte der Vorstand der L * eine Neuregelung der Dienstzeit für die Angestellten beschlossen, nach welcher der Samstag dienstfrei wurde; zugleich wurde damals beschlossen, daß für die Urlaubsregelung auch weiterhin sechs Werktage pro Woche berechnet werden sollten und als Urlaubsende nie der Freitag gelten sollte. Bei der praktischen Durchführung zeigten sich jedoch bald insofern Schwierigkeiten, als einzelne Angestellte dann, wenn sie während der Woche ihren Urlaub begannen oder einzelne Urlaubstage nahmen, bei der Urlaubsbemessung benachteiligt wurden. Um eine annähernd gerechte Lösung zu erreichen, faßte daher der Vorstand der L* auf Antrag des Betriebsrates in seiner Sitzung vom 17. Mai 1968 den Beschluß, daß für die Urlaubsbemessung künftig einem Urlaubsanspruch gemäß § 29 DO-Ang von 18 Werktagen ein Urlaubsanspruch von 16 Arbeitstagen entsprechen sollte, ferner einem Anspruch von 24 Werktagen ein solcher von 22 Arbeitstagen und schließlich einem Anspruch von 32 Werktagen ein solcher von 29 Arbeitstagen; dabei wurden sechs Werktage als fünf Arbeitstage gerechnet (siehe dazu Beilage 20). Dieser Beschluß wurde vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht genehmigt. Der von der Aufsichtsbehörde (Bundesministerium für soziale Verwaltung) zur Vorstandssitzung entsandte Vertreter erhob gegen diese Regelung keinen Einspruch. Mit dieser Umrechnung sollte eine einheitliche Urlaubsregelung erreicht und gleichzeitig verhindert werden, daß Bedienstete der L* „Urlaubsarithmetik“ betreiben könnten; es wurde damit beispielsweise das Problem des auf einem Samstag fallenden F eiertages ausgeschaltet. Der Vorstandsbeschluß wurde allen Bediensteten der L* zur Kenntnis gebracht. In der F olge wurden bis zur Auflösung der L* alle Urlaube in der hier beschlossenen Weise abgewickelt. Der Kläger, mit welchem keine besondere Urlaubsregelung vereinbart worden war, konsumierte seither ebenfalls – wie alle anderen Angestellten der L* ‒ einen jährlichen Mehrurlaub von zwei Tagen gegenüber dem in der Dienstordnung vorgesehenen Urlaubsausmaß.

Rechtlich war das Berufungsgericht der Auffassung, daß die fehlende Gen eh migung des Vorstandsbeschlusses vom 27. Oktober 1969 ‒ mit welchem die Leitungs z ulage des Klägers von 25 % auf 3 0 % erhöht worden war – durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen könne: Nicht der Kläger, sondern der Vorstand der L* hätte sich gemäß § 3 Abs 3 DO-Arzt vor der Beschlußfassung um diese Zustimmung bemühen müssen; daß der Vertrag trotz ihres F ehlens rechtswirksam zustande gekommen und für beide Teile verbindlich sei, ergebe sich auch aus dem sogenannten Günstigkeitsprinzip, nach welchem nur eine gegen zwingende vertragliche Bestimmungen verstossende Vereinbarung als nichtig angesehen werden müßte. Da im übrigen dem leitenden Angestellten der L* schon ab 1. Dezember 197 3 der Bezug nach dem neuen Gehaltsschema gebührt habe, wodurch es dem Kläger möglich gewesen sei, schon ab diesem Zeitpunkt die volle Leitungs z ulage von 30 % auszuschöpfen, habe der Kläger bei Auflösung der L* mit 3 1. Dezember 1973 bereits einen Rechtsanspruch auf die (ungekürzte) 30%ige Leitungszulage gehabt; dieser Anspruch sei gemäß Art. VII Abs. 7 der 29. Novelle zum ASVG von der Beklagten übernommen worden.

Gehe man aber davon aus, daß

a) der Kläger neben seinem Grundgehalt Anspruch auf Gewährung einer Leitungszulage von 30 % habe, daß

b) sein Gehalt samt Leitungszulage nie höher als der ( fiktive ) Bezug des leitenden Angestellten der L* sein könne und daß schließlich

c) dem Einkommensvergleich das (fiktive) Grundgehalt des leitenden Angestellten der L* samt einer 3 0 % igen Leitungszulage zugrunde zu legen sei,

dann ergebe sich für die Zeit vom 1. Februar 1974 bis 3 1. Dezember 1975 unter Berücksichtigung der vom Beklagten für diesen Zeitraum tatsächlich gezahlten Beträge ein Anspruch des Klägers auf (restliche) Leitungszulage von insgesamt S 33.820,-- brutto sA Da der Kläger sein Zahlungsbegehren zuletzt auf S 48.44 3 ,- - brutto sA eingeschränkt habe und über den Teilbetrag von S 13.828,- - brutto sA bereits ein rechtskräftiges Teilurteil vorliege, sei noch ein Leistungsbegehren von S 34.615, - - brutto sA o ffen. Davon seien dem Kläger S 33 .820, - - brutto sA zuzusprechen, das restliche Begehren von S 795,- - sA jedoch abzuweisen gewesen.

Berechtigt sei die Berufung der Beklagten jedoch insoweit, als sie sich gegen den Feststellungsausspruch des Erstgerichtes wende: Ein Anspruch des Klägers auf zwei Tage Mehrurlaub wäre nur dann zu bejahen, wenn sein Dienstvertrag mit der Beklagten, sei es ausdrücklich, sei es durch schlüssige Willenserklärung, in diesem Sinne geändert worden wäre. Das treffe aber hier nicht zu: Durch den Vorstandsbeschluß vom 17. Mai 1968 habe sich das Urlaubsausmaß des Klägers zwar tatsächlich um zwei Arbeitstage erhöht, doch könnten diese zusätzlichen Tage nicht mit den „Werktagen“ verglichen werden, wie sie der Urlaubsregelung des § 26 DO-Arzt (jetzt: § 19 DO.B) zugrunde lägen. Dem Beschluß des Vorstandes der L* könne nicht entnommen werden, daß damit den Bediensteten dieses Sozialversicherungsträgers ein zusätzlicher Urlaubsanspruch gewährt werden sollte; es habe sich vielmehr um eine organisatorische Maßnahme gehandelt, durch die allen Bediensteten der L* weiterhin der gleiche Urlaubsanspruch gesichert und jede Bevorzugung einzelner Bediensteter ausgeschlossen werden sollte. Da sich der vertragliche Urlaubsanspruch des Klägers dadurch nicht erhöht habe und der zweitägige Mehrurlaub solcherart nicht zu seinem „Besitzstand“ geworden sei, sei auch die Beklagte nicht zur Gewährung dieser beiden zusätzlichen Urlaubstage verpflichtet. In teilweiser Abänderung des Ersturteils habe daher das Feststellungsbegehren des Klägers als unbegründet abgewiesen werden müssen.

Das Urteil des Berufungsgerichtes, nach dessen Ausspruch der Wert des von der teilweisen Abänderung betroffenen Streitgegenstandes S 1.000, - - übersteigt, wird von beiden Teilen mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Der Kläger wendet sich gegen die Abweisung seines Feststellungsbegehrens und beantragt, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Ersturteil im Umfang der Anfechtung wiederherzustellen, allenfalls das Urteil des Berufungsgerichtes insoweit aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen. Die Beklagte bekämpft das Berufungsurteil insoweit, als sie damit zur Zahlung eines weiteren Betrages von S 3 3 .820, - -brutto sA verhalten wurde, und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß auch dieser Teil des Leistungsb e gehrens des Klägers abgewiesen werde.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen beide Parteien, der Revision des jeweiligen Prozeßgegners nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

N ur die Revision des Klägers ist berechtigt.

I. Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte hält auch in dritter Instanz an ihrer Auffassung fest, daß die mit Beschluß vom 27. Oktober 1969 verfügte Erhöhung der Leitungszulage des Klägers von 25 % auf 3 0 % als Änderung des Sondervertrages vom 10. Juni 1966 gemäß § 3 Abs 3 DO-Arzt der Genehmigung durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger bedurft hätte. Mangels einer solchen Gen ehm igung sei die Vereinbarung nicht rechtswirksam zustande gekommen; dem Kläger gebühre auch weiterhin nur eine Leitungs z ulage von 25 %, so daß er von der Beklagten nichts mehr zu fordern habe. Diesen Ausführungen kann der Oberste Gerichtshof jedoch nicht folgen:

Im konkreten F all ist davon auszugehen, daß ‒ ebenso wie die DO-A und deren Vorgängerin, die DO-Ang ‒auch die DO-Arzt (seit 1. Jänner 1970: DO-B) ein Kollektivvertrag ist (vgl dazu Arb 891 3 = SozM I C 813; Arb 8928; Arb 9200 = ZAS 1975, 27; EvBl 197 3 /203 uva, zuletzt etwa 4 Ob 70/77). Damit wird aber die von der Rechtslehre (insbesondere Mayer-Maly , Österreichisches Arbeitsrecht 176; Strasser in ZAS 1972, 67 ff [ 68 ] ) getroffene Unterscheidung zwischen kollektivvertraglichen Inhalts normen ‒ welche den Inhalt der vom Kollektivvertrag erfaßten Einzelarbeitsverhältnisse, also vor allem die daraus entspringenden Rechte und Pflichten, zum Gegenstand haben ‒ und kollektivvertraglichen Abschluß normen ‒ welche (wie zB F ormvorschriften, Abschlußgebote und -verb o te) das Zustandekommen neuer Arbeitsverhältnisse regeln ‒ auch hier rechtlich bedeutsam: § 3 Abs 3 Satz 2 DO-Arzt (jetzt: § 1 Abs 5 Satz 2 DO.B), wonach Sonderverträge und deren Änderungen der vorherigen Zustimmung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger bedürfen, regelt das beim Abschluß von Dienstverträgen einzuhaltende Verfahren und ist daher unzweifelhaft eine Abschlußnorm ; als solche ist sie aber nicht dem in § 2 Abs 2 Z 2 bis 7 ArbVG umschriebenen normativen Teil des Kollektivvertrages zuzurechnen (siehe dazu Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser , Arbeitsrecht II 76; ebenso zur vergleichbaren Rechtslage nach § 2 Abs 1 KollVG: Mayer-Maly aaO; Strasser aaO; Hämmerle , Arbeitsvertrag 159 f; Borkowetz , KollVG 52; ähnlich 4 Ob 80/75). Daraus folgt aber, daß sich die fragliche Norm der DO-Arzt ausschließlich an den Vorstand des Versicherungsträgers richtet d h zwar diesen selbst bindet ‒ und für den F all der Nichtbefolgung verantwortlich macht ‒, die Gültigkeit des abgeschlossenen Sondervertrages aber nicht berührt. Auch wenn also die durch den Vorstandsbeschluß vom 27. Oktober 1969 bewirkte Änderung des Sondervertrages des Klägers (Erhöhung der Leitungszulage von 25 % auf 3 0 %) nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gar nicht zur Genehmigung vorgelegt wurde, ist diese Vertragsänderung aus den dargelegten Erwägungen dennoch rechtswirksam geworden. Der Kläger hat durch sie einen Rechtsanspruch auf eine 30 %ige Leitungszulage erworben, welcher nach den mehrfach zitierten Übergangsbestimmungen der 29. Novelle zum ASVG seit dem 1. Jänner 1974 von der Beklagten zu erfüllen ist. Da die Beklagte dem Kläger bisher nur eine Leitungs z ulage von 25 % gezahlt hat, erweist sich der Zuspruch des 5 %igen Differenzbetrages für die Zeit vom 1. Februar 1974 bis 31. Dezember 1975 in der ‒ nicht mehr bekämpften ‒ Höhe von S 3 3 .820, - - brutto sA durch das Berufungsgericht als gerechtfertigt. Der unbegründeten Revision der Beklagten mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

II. Zur Revision des Klägers:

Mit Recht wendet sich der Kläger gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß er durch den Beschluß des Vorstandes der L* vom 17. Mai 1968 keinen Rechtsanspruch auf einen Mehrurlaub von zwei Tagen erworben habe: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte die damals für die Urlaubsbemessung beschlossene Umrechnung von Werktagen in Arbeitstage für sämtliche Angestellte der L* eine Verlängerung des nach § 26 DO-Arzt (bzw § 19 DO-B) gebührenden Erholungsurlaubes und ein bis zwei Tage zur Folge; auch der Kläger, mit welchem insoweit nichts besonderes vereinbart worden war, hat seither einen jährlichen Mehrurlaub von zwei Tagen konsumiert. Daß dem angeführten Vorstandsbeschluß die Absicht zugrunde gelegen war, die bei der praktischen Durchführung der Urlaubs-Neuregelung vom 9. Februar 1968 entstandenen Schwierigkeiten und insbesondere die Auswirkungen der sogenannten „Urlaubsarithmetik“ zu beseitigen und auf diese Weise allen Angestellten der L* den gleichen Urlaubsanspruch zu sichern, kann dem Kläger entgegen der Meinung des angefochtenen Urteils nicht schaden. Wesentlich ist, daß die L* nicht nur den Vorstandsbeschluß vom 17. Mai 1968 allen Angestellten zur Kenntnis gebracht hat, sondern dem Kläger ‒ ebenso wie allen übrigen Angestellten ‒die zusätzlichen Urlaubstage seit damals regelmäßig gewährt und damit ein Verhalten beobachtet hat, das mit Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) nur im Sinne einer Verpflichtung der Beklagten verstanden werden konnte, ihren Dienstnehmern den jährlichen Erholungsurlaub auch weiterhin in dem am 17. M ai 1968 beschlossenen Ausmaß zu gewähren. Da die Beklagten überdies nicht einmal behauptet hat, daß die L* diese Erhöhung des Urlaubsausmaßes etwa nur gegen jederzeitigen Widerruf gewährt hätte, und da insbesondere auch dem Vorstandsbeschluß vom 17. Mai 1968 (siehe Beilage 20) kein Vorbehalt in dieser Richtung zu entnehmen war, muß im Sinne der Revisionsausführungen des Klägers vom Zustandekommen einer schlüssigen Vereinbarung ausgegangen werden, auf Grund deren der Kläger gegenüber der L* ‒ und nunmehr seit 1. Jänner 1974 gegenüber der Beklagten ‒ einen Rechtsanspruch auf zwei Tage Mehrurlaub gegenüber der in § 19 Abs 1 DO-B festgelegten Urlaubsregelung erworben hat. Daß aber die fehlende Genehmigung dieser (Sonder-)Vereinbarung durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger auch hier der Rechtswirksamkeit dieser Abmachung nicht im Wege steht, ist bereits in anderem Zusammenhang dargelegt worden.

Der berechtigten Revision des Klägers war daher Folge zu geben und in teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung der dem Feststellungsbegehren stattgebende Punkt 2. des erstgerichtlichen Teilurteils vom 10. Dezember 1975 wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

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