2Ob211/77 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Reithofer und Dr. Scheiderbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, Taxiunternehmer, *, vertreten durch Dr. Karl Burka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) * B*, Privater, *, 2.) W*anstalt *, beide vertreten durch Dr. Hanno Preissecker, Rechtsanwalt in Wien, wegen Schadenersatzes infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. April 1977, GZ. 8 R 56/77 40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 28. Dezember 1976, GZ. 25 Cg 760/76 54, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat den Beklagten die Kosten des Revisionsverfahrens von 2.789,47 S (davon 171,07 S Umsatzsteuer und 480,- S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 28. September 1973 kam es gegen 13.20 Uhr vor dem Haus Nr. 4 in der W*straße in * zu einem Zusammenstoß eines von * S* gelenkten PKWs., dessen Halter der Kläger war, mit einem vom Erstbeklagten gelenkten, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW. Der Schaden des Klägers wurde mit 36.532,45 S außer Streit gestellt.
Der Kläger begehrte Ersatz dieses Schadens wegen Alleinverschuldens des Erstbeklagten.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung mangels eines Verschuldens des Erstbeklagten und wendeten außerdem (im zweiten Rechtsgang) eine Gegenforderung von 33.603,30 S, die der Zweitbeklagten abgetreten worden sei, zur Aufrechnung ein.
Des Erstgericht sprach zunächst dem Kläger 27.399,34 S samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach dabei die Rechtsansicht aus, daß als Fahrbahnmitte diesfalls jene Linie anzusehen sei, die der tatsächlich vorhandenen Fahrbahnbreite von 9,40 m entspreche.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab; das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Kläger erhebt Revision nach § 503 Z. 2 bis 4 ZPO mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag und schließlich beantragt er, eventuell dem Kläger zwei Drittel seiner Forderung zuzusprechen.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nach § 502 Abs. 5 ZPO zulässig.
Die Untergerichte sind von den Feststellungen ausgegangen, die auf den Seiten 3 bis 5 des Berufungsurteils wiedergegeben sind.
Das Erstgericht meinte, daß das Alleinverschulden * S*, den Lenker des Wagens des Klägers, treffe. Als Fahrbahnmitte zur Unfallszeit sei jene Linie anzusehen, die der tatsächlichen Fahrbahnbreite entspreche, also 4,70 m vom rechten Fahrbahnrand. * S* habe diese Linie um 50 cm überschritten, wogegen der Erstbeklagte einen Seitenabstand von 10 bis 20 cm zu ihr eingehalten habe. * S* habe also gegen § 7 StVO 1960 verstoßen und außerdem die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 5 km/h überschritten, was unfallskausal gewesen sei, weil es bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h nicht zum Kontakt gekommen wäre. Dazu komme, daß selbst eine Geschwindigkeit von 50 km/h angesichts der gegebenen Verhältnisse bereits als bedenklich angesehen werden müsse. Bei einer Fahrbahnbreite von 9,40 m entfalle auf einen Fahrstreifen 2,35 m. Werde die Breite einer Kolonne mit 1,80 m angenommen, so ergebe sich ein Abstand zwischen den Kolonnen und zum Fahrbahnrand von nur je 44 cm. Diesen Umständen hätten die übrigen Fahrzeuglenker dadurch Rechnung getragen, daß sie wesentlich langsamer, fuhren als * S*. Dem Erstgeklagten sei ein Fehlverhalten nicht anzulasten. Die vom Sachverständigen angedeutete Möglichkeit einer verspäteten Reaktion reiche für eine Verschuldensteilung schon deshalb nicht aus, weil es im Hinblick auf die überhöhte Geschwindigkeit des Wagens des Klägers auf jeden Fall zum Zusammenstoß gekommen wäre.
Das Berufungsgericht führte aus, wenn ein Teil der Fahrbahn wegen Aufgrabungsarbeiten dem Fahrzeugverkehr vorübergehend nicht zur Verfügung stehe, könne er für diese Zeit nicht mehr als Fahrbahn angesehen werden, obwohl er weiterhin Straße sei (VwGH 25. Mai 1970, Z 1469/68 Slg 7801 A). Die Baustelle habe bereits bei der Kreuzung der W*straße mit der S*straße begonnen, es habe daher kein Fahrstreifen aufgehört, jedenfalls nicht für den Erstbeklagten, der vor der Kreuzung im zweiten geradeaus führenden Fahrstreifen gestanden sei. Das Verkehrszeichen nach § 50 Z. 8 StVO 1960 in der zur Unfallszeit geltenden Fassung zeige nach dem Wortlaut des Gesetzes eine gefährliche Verengung der Fahrbahn an, bedeute somit nicht, daß dadurch in einer Richtung, statt zweier, nur mehr ein Fahrstreifen benützbar sei. Das werde durch die seit der 6. StVO-Novelle geänderte Fassung des § 50 Z. 8 leg.cit. deutlich.
Dem Erstgericht sei darin beizupflichten, daß weder eine Verschuldenshaftung noch eine Ausgleichspflicht der Beklagten in Betracht komme.
Der Revisionswerber macht geltend, daß durch eine Baustelle auf der Straße nicht die rechtliche Qualifikation der Fahrbahn geändert werde und sich daher auch nicht die Fahrbahnmitte verschiebe. Daraus ergebe sich, daß der Wagen des Klägers auf seiner Fahrbahnhälfte gefahren sei und daß vielmehr der Erstbeklagte die Fahrbahnmitte überfahren habe.
Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Die Untergerichte haben bei den gegebenen örtlichen Verhältnissen mit Recht angenommen, daß die Aufgrabungsarbeiten die Fahrbahn verengten, so daß sich dementsprechend die Fahrbahnmitte verlagerte und die in jeder Richtung noch immer zur Verfügung stehenden beiden Fahrstreifen entsprechend verschmälerten.
Mit den weitwendigen Ausführungen zu den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit werden in Wahrheit nur unzulässigerweise die Tatsachenfeststellungen der Untergerichtes bekämpft.
Die Untergerichte haben sohin mit Recht das Klagebegehren abgewiesen, zumal selbst eine geringfügige Reaktionsverzögerung des Erstbeklagten gegenüber der Fahrweise des * S* zu keiner Verschuldensteilung führen könnte.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.