JudikaturOGH

4Ob93/77 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 1977

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger und Dr. Friedl sowie die Beisitzer Dr. Martin Meches und Dr. Friedrich Neuwirth als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * B*, Angestellter in *, vertreten durch Dr. Dieter Böhndorfer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Landesarbeitsamt *) vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I., Rosenbursenstraße 1, wegen S 98.874,80 brutto sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 25. April 1977, GZ 44 Cg 64/77 21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 1. Dezember 1978, GZ 4 Cr 2240/75 16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass das abgewiesene Klagebegehren richtig S 98.874,80 brutto samt 4 % Zinsen seit 11. 9. 1975 beträgt.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 2.430, bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Dienstvertrag vom 14. 12. 1956 (Beilage A) war der Kläger ab 1. 12. 1956 auf unbestimmte Zeit als Vertragsbediensteter des mittleren Dienstes der Arbeitsvermittlung bei den Arbeitsämtern (Entlohnungsschema I Entlohnungsgruppe d) beim Landesarbeitsamt * angestellt worden. Mit Wirksamkeit vom 1. 2. 1961 wurde er in die Entlohnungsgruppe c (Fachdienst der Arbeitsvermittlung bei den Arbeitsämtern) überstellt. Mach mehrjähriger Tätigkeit beim Arbeitsamt B* und beim Arbeitsamt B* H* war er ab 27. 4. 1964 beim Arbeitsamt P* als Versicherungsfachkraft und ab 2. 4. 1973 in der Hauptabteilung * als Erhebungsorgan im Fachdienst tätig. Ab 1. 7. 1974 wurde er der Gruppe I Abteilung * und dann mit Wirksamkeit vom 9. 9. 1974 dem Arbeitsamt B* als Versicherungsfachkraft im cDienst zugeteilt. Mit Schreiben des Landesarbeitsamtes * vom 23. 4. 1975 (Beilage C) wurde das Dienstverhältnis des Klägers gemäß § 34 Abs 2 lit b VBG mit Ablauf des 24. 4. 1975 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst.

Mit der Behauptung, dass er zu Unrecht entlassen worden sei, begehrt der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Zahlung von S 98.874,80 brutto sA an Kündigungsentschädigung und Abfertigung.

Demgegenüber behauptet die Beklagte, dass der Kläger eine letztwillige Verfügung verfälscht und dadurch den Entlassungsgrund nach § 34 Abs 2 lit b VBG verwirklicht habe. Der Kläger sei wegen des Verdachtes von Diebstählen und Betrügereien vom 26. 9. bis 24. 10. 1973 in Untersuchungshaft angehalten worden. Nachdem das Landesgericht für Strafsachen Wien ein Ersuchen des Bundesministeriums für soziale Verwaltung um Mitteilung über den Stand des Verfahrens zunächst unbeantwortet gelassen hatte, sei erst später auf Grund von Pressemeldungen bekannt geworden, dass die Hauptverhandlung gegen den Kläger für den 17. 3. 1975 angesetzt, dann aber wegen einer Erkrankung des Klägers vertagt worden sei. Organe des Landesarbeitsamtes * hätten daraufhin Akteneinsicht genommen und dabei festgestellt, dass im Verfahren 39 b Cg 106/67 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien sowohl die erste Instanz als auch das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht zu der Überzeugung gekommen waren, dass der Kläger eine letztwillige Verfügung eines Verwandten zu seinen Gunsten gefälscht hatte. Da der Kläger zu Recht entlassen worden sei, gebühre ihm gemäß § 35 Abs 1 Z 4 VBG auch keine Abfertigung.

Der Kläger erwiderte hierauf, dass er seine Vorgesetzten schon viel früher über den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Testamentsverfälschung informiert habe; die Entlassung sei daher verspätet ausgesprochen worden. Im übrigen sei mit seiner Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien nicht der Verlust der Ämterfähigkeit verbunden.

Das Klagebegehren war von der Beklagten zunächst auch der Höhe nach bestritten worden. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 1. 12. 1976 wurde die dem Kläger gebührende Kündigungsentschädigung und Abfertigung zwar mit S 95.657,- brutto außer Streit gestellt (ON 15 S 51 f), ohne dass der Kläger jedoch sein Zahlungsbegehren entsprechend eingeschränkt hätte.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger S 95.657,-- brutto sA zu zahlen; eine spruchmäßige Entscheidung über das Mehrbegehren des Klägers von S 3.217,80 sA fehlt. Der Entscheidung des Erstgerichtes liegen folgende wesentliche Feststellungen zugrunde:

K*, ein Cousin des Klägers, war * 1967 verstorben. Sein Nachlass im Wert von etwa S 500.000,-- wurde auf Grund eines Testamentes vom 15. 3. 1967 von H* und M* H* beansprucht; andererseits legte der Kläger ein Testament vom 24. 3. 1967 vor, in welchem er als Universalerbe eingesetzt war. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom 10. 5. 1967, 3 A 296/67 19, wurde zufolge dieser widerstreitenden Erbserklärungen dem Ehepaar H* und M* H* in dem von ihnen anzustrengenden Rechtsstreit wegen Feststellung des besseren Erbrechtes die Klägerrolle zugewiesen, weil das jüngere Testament vom 24. 3. 1967 formgültig errichtet und seiner Echtheit nach unbestritten sei. H* und M* H* brachten daraufhin am 9. 6. 1967 gegen den nunmehrigen Kläger die Klage auf Feststellung der Ungültigkeit des Testamentes vom 24. 3. 1967 mit der Begründung ein, dass K* dem Kläger lediglich einen PKW der Marke Opel-Caravan überlassen habe wollen und der übrige Text der letztwilligen Verfügung vor der Unterfertigung durch den Erblasser in der Urkunde nicht aufgeschienen sei. Demgegenüber behauptete der Kläger, dass der Text des Testamentes zu seinen Gunsten als Universalerbe vom Erblasser wortwörtlich diktiert und unterschrieben worden sei und durch die Zuziehung dreier Testamentszeugen auch den gesetzlichen Bestimmungen entspreche.

Im Zuge des Erbrechtsstreites 39 b Cg 106/67 holte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein Gutachten des Univ. Prof. Dr. R* ein, nach welchem sich erhebliche Bedenken gegen die Ursprünglichkeit des im Testament vom 24. 3. 1967 geschriebenen Textes ergaben, welche es wahrscheinlich machten, dass die dritte Textzeile und der Satz „er ist von mir als mein Universalerbe eingesetzt“ (bezogen auf den Kläger) nachträglich eingefügt worden seien. Mit Urteil vom 5. 5. 1969 erkannte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu Recht, dass das schriftliche Testament des am 5. 4. 1967 verstorbenen K* vom 24. 3. 1967 ungültig sei. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, dass K* am 24. 3. 1967 dem Kläger lediglich diktiert habe, dass dieser sein Auto übernehme; der Kläger habe dann die Worte „gesamtes bewegliches und unbewegliches Eigentum auch“ und ebenso den Satz „er ist von mir als mein Universalerbe eingesetzt“ hinzugefügt, so dass sich nachstehender Gesamttext ergab: „Ich verfüge hiemit, dass mein Cousin * B* mein gesamtes bewegliches und unbewegliches Eigentum auch Auto übernimmt. Er kann den Wagen aus der Garage entnehmen, da dieser wegen der bevorstehenden Firmung fahrbereit gemacht werden muss. Er ist von mir als mein Universalerbe eingesetzt“. * am 24.3.1967. Eigenhändige Unterschrift des K*. Eigenhändige Unterschrift dreier Testamentszeugen“. Nach den Feststellungen des Gerichtes hatten die Testamentszeugen vom Erblasser nicht gehört, dass er mit dieser Niederschrift den Kläger zu seinem Erben einsetzen wollte, sondern dass er nur gesagt hatte, „es gehe alles in Ordnung“ bezw. „es sei schon gut“.

Infolge Berufung des Klägers wurde das genannte Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 9. 9. 1969 aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, weil im Urteil der ersten Instanz klare Feststellungen darüber fehlten, ob die Testamentszeugen das Schriftstück vor der Unterfertigung durchgelesen hätten. In einem weiteren Gutachten vom 8. 10. 1970 blieb der Sachverständige Univ. Prof. Dr. G* dabei, dass der Einschub der strittigen Textteilen nach der Fertigung des Testamentes erfolgt sei. Mit Urteil vom 8. 2. 1971 erkannte daraufhin das Landesgericht für Zivilrechtsaachen Wien neuerlich zu Recht, dass das schriftliche Testament vom 24. 3. 1967 ungültig sei, weil die dritte Textzeile und der letzte Satz dieses Schriftstückes vom Kläger nach Unterfertigung durch K* eingefügt worden seien, während der Erblasser tatsächlich kein Testament zugunsten seines Cousins habe errichten wollen. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil blieb erfolglos. Auf Grund der rechtskräftigen Entscheidung im Erbrechtsstreit stellte das Abhandlungsgericht mit Beschluss vom 18. 10. 1971 fest, dass das Erbrecht des Ehepaares H* als ausgewiesen erkannt werde, und erließ am selben Tag die Einantwortungsurkunde, nach welcher der Nachlass des am 5. 4. 1967 verstorbenen K* auf Grund des Testamentes vom 15. 3. 1967 den unbedingt erbserklärten Erben H* und M* H* je zur Hälfte eingeantwortet wurde. Auch diese Einantwortungsurkunde ist rechtskräftig geworden.

Am 31. 3. 1972 beantragte die Staatsanwaltschaft Wien beim Landesgericht für Strafsachen Wien die verantwortliche Abhörung des Klägers wegen des Verdachtes strafbarer Handlungen nach §§ 197, 200, 201 lit a, 203 StG. Nach Durchführung von Vorerhebungen wurde der Kläger am 24. 9. 1973 verhaftet und seine Dienststelle, das Landesarbeitsamt *, davon in Kenntnis gesetzt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 25. 9. 1973 verfügte das Landesgericht für Strafsachen Wien die Einleitung der Voruntersuchung gegen den Kläger wegen §§ 171, 173, 174 I d, 179, 197, 200, 201 lit a und d, 203 StG; mit Beschluss vom selben Tag wurde über den Kläger gemäß § 180 Abs 2 Z 2 StPO die Untersuchungshaft verhängt. Gleichzeitig wurde die Dienstbehörde des Klägers, nämlich das Landesarbeitsamt *, gemäß § 82 StPO von der Einleitung des Strafverfahrens verständigt. Der Kläger wurde am 5. 10. 1973 von * T*, dem Leiter der Personalabteilung des Landesarbeitsamtes *, in der Untersuchungshaft besucht; er erzählte ihm, dass man ihm ua die Verfälschung einer Privaturkunde in einem Testament zu seinen Gunsten vorwerfe, bestritt aber, sich irgendwelcher strafbarer Handlungen schuldig gemacht zu haben. Vom Untersuchungsrichter erfuhr * T*, dass der Kläger wegen Betruges und Diebstahls angeklagt werden würde. Obwohl der dringende Tatverdacht aufrecht blieb, wurde mangels Fortbestehens von Haftgründen am 23. 10. 1973 die Aufhebung der Untersuchungshaft verfügt. Nach seiner Enthaftung meldete sich der Kläger bei * T*, welchem der Untersuchungsrichter bei seinem Ersuchen um Akteneinsicht erklärt hatte, dass eine solche Akteneinsicht derzeit für die Dienststelle des Klägers keine Bedeutung habe, weil der Kläger alle Anschuldigungen energisch bestreite und seine Dienststelle ohnehin in den nächsten Tagen ein Schreiben über die Einleitung des Strafverfahrens erhalten werde. Tatsächlich teilte das Landesgericht für Strafsachen Wien am 10. 10. 1973 der Personalabteilung des Landesarbeitsamtes * mit, dass gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen §§ 197 ff StG eingeleitet worden sei. Dieses Schreiben langte am 12. 10. 1973 beim Landesarbeitsamt * ein. Der Kläger wurde zwar nicht des Dienstes enthoben, war aber vom Tag seiner Haftentlassung angefangen wegen Stenocardie im Krankenstand. Am 30. 10. 1973 wurde beim Landesarbeitsamt * ein Aktenvermerk verfasst, in welchem * T* nach Rücksprache mit Dr. Ha* vom Bundesministerium für soziale Verwaltung festhielt, dass vom Landesarbeitsamt * bezüglich Akteneinsicht nichts weiter zu veranlassen sei und der Kläger, falls er seinen Dienst wieder antrete, nur im Innendienst und ohne Parteienverkehr verwendet werden dürfe. Der Kläger wurde dann am 20. 11. 1973 gesund geschrieben und im Einvernehmen mit seiner Vorgesetzten, Frau Dr. A*, der Versicherungsabteilung beim Arbeitsamt B* zum Dienst zugeteilt (ohne Parteienverkehr). Das Arbeitsamt wurde angewiesen, der Dienstaufsicht bezüglich des Klägers besonderes Augenmerk zuzuwenden.

Am 29. 10. 1974 erhob die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Kläger die Anklage wegen Verbrechens des teils vollbrachten, teils versuchten Betruges und Verbrechens des Diebstahls, darunter auch wegen Verfälschung der letztwilligen Verfügung K*s. Die Anklageschrift langte beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 25. 11. 1974 ein. Am 23. 1. 1975 wurde für den 17. und 18. 3. 1975 die Hauptverhandlung in der Strafsache gegen den Kläger ausgeschrieben.

Die bis dahin sehr gute Dienstbeschreibung des Klägers beim Landesarbeitsamt * war nach seiner Zuteilung zum Arbeitsamt B* am 21. 3. 1974 auf „entsprechend“ herabgesetzt und der Kläger ermahnt worden, seine Leistungen zu verbessern und den im allgemeinen erzielbaren Arbeitserfolg zu erreichen. Gleichzeitig wurde ihm für den Fall, dass seine Leistungen weiter absinken sollten oder sein Verhalten dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes abträglich wäre, eröffnet, dass, sofern nicht eine Entlassung in Betracht käme, die Kündigung nach § 32 VBG in Erwägung gezogen werden müsse.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 30. 10. 1973 war das Landesgericht für Strafsachen Wien um Mitteilung ersucht worden, ob im Rahmen der bisherigen Untersuchungen Umstände bekannt geworden seien, die eine Entlassung oder Kündigung des Klägers im Sinne des Vertragsbedienstetengesetzes rechtfertigen würden. Dieses Ersuchen wurde zunächst vom Gericht nicht beantwortet. Das Bundesministerium für soziale Verwaltung und das Landesarbeitsamt * unterließen es in der Folge, sich um den Stand des Strafverfahrens gegen den Kläger zu kümmern. Erst auf Grund von Pressemeldungen wurde bekannt, dass die Hauptverhandlung für den 17. 3. 1975 angesetzt, dann aber wegen Erkrankung des Klägers vertagt worden war. Am 20. 3. 1975 wurde der Kläger von * T* und Oberkontrollor A* über den Stand seines Strafverfahrens befragt und gleichzeitig belehrt, dass er seine Dienstbehörde auf dem Laufenden halten müsse; der Kläger hatte nämlich erklärt, das ganze Verfahren sei bis zum rechtskräftigen Abschluss seine Privatangelegenheit. Am 4. 4. 1975 nahm * T* im Auftrag des Bundesministeriums für soziale Verwaltung beim Landesgericht für Strafsachen Wien Einsicht in den Strafakt des Klägers und stellte daraus fest, dass sowohl das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als auch das Oberlandesgericht Wien im Erbrechtsstreit festgestellt hatten, dass der Kläger das Testament des K* verfälscht habe. Auf Grund des diesbezüglichen Berichtes * T* vom 16. 4. 1975 richtete Hofrat Dr. Hü*, der Leiter des Arbeitsamtes *, im Einvernehmen mit der Personalvertretung an das Bundesministerium für soziale Verwaltung das Ansuchen um Zustimmung zur sofortigen Entlassung des Klägers im Sinne des § 34 Abs 2 lit b VBG. Nachdem das Bundesministerium für soziale Verwaltung am 23. 4. 1975 dieser Maßnahme zugestimmt hatte, teilte Hofrat Dr. H* namens des Landesarbeitsamtes * mit Schreiben vom 23. 4. 1975 dem Kläger mit, dass sein Dienstverhältnis gemäß § 34 Abs 2 lit b VBG mit Ablauf des 24. 4. 1975 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werde und eine Abfertigung gemäß § 35 Abs 2 Z 4 VBG nicht gebühre.

Die Hauptverhandlung gegen den Kläger fand in der Zeit vom 13. bis 15. 10. 1975 statt. Mit Urteil vom 15. 10. 1975, 2 b Vr 2864/72, wurde der Kläger vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der mehrfach erwähnten Verfälschung des Testamentes seines Cousins K* des Verbrechens des versuchten Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 sowie Abs 3 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres verurteilt; von der weiteren Anklage wegen Diebstahls wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der vom Kläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wurde nur teilweise, nämlich dahin Folge gegeben, dass die verhängte Freiheitsstrafe vom Obersten Gerichtshof gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, dass sich der Kläger zwar einer Handlung schuldig gemacht habe, die ihn des Vertrauens seiner Dienstgeberin unwürdig erscheinen lasse und den Entlassungstatbestand des § 34 Abs 2 lit b VBG erfülle; die Beklagte habe aber das Entlassungsrecht durch ihre Säumigkeit verwirkt, weil sie trotz Kenntnis des gegen den Kläger anhängigen Strafverfahrens vom Oktober 1973 bis März 1975 nichts unternommen habe, um sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der Kläger ihres weiteren Vertrauens würdig sei. Schon im Oktober 1973 hätte die Beklagte nach der Aussprache zwischen * T* und dem Kläger feststellen können, dass der Kläger im Erbrechtsstreit rechtskräftig der Testamentsverfälschung schuldig erkannt worden war; darüber hinaus hätte schon der gegen den Kläger erhobene, zur Verhängung der Untersuchungshaft führende schwerwiegende Verdacht strafbarer Handlungen eine Suspendierung des Klägers vom Dienst notwendig gemacht. Die erst am 23. 4. 1975 ausgesprochene Entlassung sei daher verspätet, weil der Kläger in diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben mit einer solchen Maßnahme nicht mehr habe rechnen brauchen. § 34 Abs 3 VBG sei nicht anzuwenden, weil der Kläger nicht zu einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Das Entlassungsschreiben der Beklagten vom 23. 4. 1975 habe daher nur die Wirkung einer Kündigung, so dass dem Kläger auf Grund der Dauer seines Dienstverhältnisses eine Kündigungsentschädigung im Ausmaß seiner vertragsmäßigen Bezüge bis 30. 9. 1975 und eine Abfertigung in der Höhe von sechs Monatsentgelten zustünden. Die Höhe dieser Forderung des Klägers stehe außer Streit.

Infolge Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Rechtlich hielt das Berufungsgericht den Entlassungsgrund des § 34 Abs 2 lit b VBG für gegeben, weil die rechtskräftige Verurteilung wegen versuchten schweren Betruges einen Dienstnehmer des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig erscheinen lasse. Die strafbare Handlung des Klägers stehe zwar nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit, doch könnten auch außerdienstliche Verfehlungen den Arbeitgeber zur Entlassung berechtigen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Hinblick auf das Gewicht dieser Verfehlungen oder wegen des damit verbundenen Aufsehens nicht zugemutet werden könne. Schon nach § 5 VBG sei der Vertragsbedienstete ua auch dazu verpflichtet, sich außerhalb des Dienstes angemessen und ehrenhaft zu betragen. Ein so schwerwiegender Vorwurf, wie er dem Kläger hier durch das – für den Zivilrichter gemäß § 268 ZPO bindende – Strafurteil angelastet werde, lasse mit Grund auf einen tiefgreifenden Charakterfehler des Klägers schließen; die Beklagte könne dem Kläger nicht mehr jenes notwendige Maß an Vertrauen entgegenbringen, welches Voraussetzung für ein funktionsfähiges Arbeitsverhältnis sei.

Entgegen der Meinung des Erstgerichtes sei die Entlassung des Klägers aber auch rechtzeitig ausgesprochen worden: Auf die Kenntnis der Beklagten vom Ausgang des Erbrechtsstreites könne schon deshalb nicht abgestellt werden, weil mangels Bindung des Strafgerichtes an diesen Ausspruch eine andere Beurteilung des Verhaltens des Klägers im Strafverfahren durchaus möglich gewesen wäre. Angesichts des keineswegs völlig geklärten Sachverhalts habe es der Beklagten freistehen müssen, mit der Entlassung des Klägers bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens zuzuwarten, um sich nicht unnötig mit dem Risiko einer möglicherweise unbegründeten Entlassung zu belasten. Ein ausdrücklicher Verzicht von Organen der Beklagten auf das Entlassungsrecht sei vom Kläger gar nicht behauptet worden; die erfolgreiche Berufung auf einen schlüssigen Verzicht würde aber die volle Kenntnis der Beklagten von den Verfehlungen des Klägers voraussetzen. Da der Kläger seiner Dienststelle gegenüber die ihm angelasteten strafbaren Handlungen bis zuletzt energisch bestritten habe, habe er keineswegs nach Treu und Glauben annehmen können, dass die Beklagte ihm gegenüber keine dienstrechtlichen Sanktionen mehr ergreifen werde. Dass die Beklagte bestimmte Verdachtsmomente schon früher kannte, könne daher für eine verspätete Geltendmachung des Entlassungsrechtes ebensowenig ins Treffen geführt werden wie das Bemühen der Beklagten, den Kläger zu einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses zu bewegen. Da die begründete Entlassung des Klägers somit auch rechtzeitig ausgesprochen werden sei, fehle dem Klagebegehren die rechtliche Grundlage.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger seinem ganzen Inhalt nach mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Der Revisionsantrag geht auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Beklagte hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Beide Untergerichte sind mit Recht davon ausgegangen, dass sich der Kläger durch seine rechtskräftige Verurteilung wegen versuchten schweren Betruges des Vertrauens seiner Dienstgeberin unwürdig gemacht und damit den Entlassungsgrund nach § 34 Abs 2 lit b VBG verwirklicht hat. Da auch der Kläger selbst die Berechtigung seiner Entlassung nicht mehr in Zweifel zieht, vielmehr in der Revision ausdrücklich einräumt, dass der im Strafurteil – für das Zivilgericht bindend (§ 268 ZPO) – festgestellte Sachverhalt „objektiv den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit aus einem Dienstverhältnis begründet“, kann hier zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insoweit völlig zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen werden.

Entgegen der Meinung des Klägers hat das Berufungsgericht aber auch die Rechtzeitigkeit der Entlassungserklärung der Beklagten mit Recht bejaht; Rechtsprechung und Lehre stimmen darin überein, dass die vorzeitige Entlassung eines Arbeitnehmers bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechtes unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, ausgesprochen werden muss, der Arbeitgeber also mit der Ausübung des Entlassungsrechtes nicht wider Treu und Glauben so lange zuwarten darf, dass der Arbeitnehmer aus diesem Zögern auf einen Verzicht des Arbeitgebers auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen könnte (SZ 24/280; Arb 8047, 9091, 9424 uva, zuletzt etwa 4 Ob 34/76, 4 Ob 117/76; ebenso Adler-Höller in Klang 2 V 340; Mayer-Maly , Österr. Arbeitsrecht 142; Martinek-Schwarz, AngG 3 457 ff § 27 Anm 5; Kuderna , Das Entlassungsrecht 15 ff, 25 ff). Dieser Grundsatz – welchem der Gedanke zugrunde liegt, dass ein Arbeitgeber, der eine ihm bekanntgewordene Verfehlung des Arbeitnehmers nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, die Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers offenbar nicht als unzumutbar ansieht (Arb 9424; Kuderna aaO 16) – darf aber nicht überspannt werden; ob eine Entlassung rechtzeitig ausgesprochen wurde oder nicht, kann vielmehr nur auf Grund der Umstände des Einzelfalles richtig beurteilt werden. Die Unterlassung der sofortigen Geltendmachung eines Entlassungsgrundes führt insbesondere dann nicht zur Verwirkung des Entlassungsrechtes, wenn das Zögern des Arbeitgebers in der Sachlage begründet war (Arb 6144, 6859, 9424 ua). Dabei darf nicht übersehen werden, dass ein Entlassungsgrund dem Arbeitgeber immer erst dann bekannt geworden ist, wenn ihm alle für die Beurteilung wesentlichen Einzelheiten der Handlung und der Person zur Kenntnis gekommen sind (Arb 9424). Der Ausspruch der Entlassung duldet also nur bei offenkundigen Entlassungsgründen keinen Aufschub, soll nicht aus dem Zögern des Arbeitgebers ein schlüssiger Verzicht auf das Entlassungsrecht abgeleitet werden; überall dort jedoch, wo ein vorerst undurchsichtiger, zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, den der Arbeitgeber mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zunächst gar nicht aufklären kann, muss dem Arbeitgeber das Recht zugebilligt werden, bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die hiefür zuständige Behörde zuzuwarten. Diese Voraussetzungen werden naturgemäß vor allem dann anzunehmen sein, wenn gegen einen Arbeitnehmer der Vorwurf einer strafbaren Handlung erhoben worden ist, die leugnende Verantwortung des betreffenden Arbeitnehmers aber erst der gerichtlichen Überprüfung durch Zeugen, Sachverständige und Urkunden sowie einer entsprechenden Würdigung der Verfahrensergebnisse bedarf. In einem solchen Fall muss es dem Arbeitgeber freistehen, zunächst einmal die strafrechtliche Wertung des Verhaltens seines Arbeitnehmers durch das Strafgericht als die dazu einzig berufene Behörde abzuwarten, ehe er die notwendigen dienstrechtlichen Konsequenzen zieht (vgl. Arb 6268, 6859 ua; Kuderna , a.a.O. 17 bei FN 37).

Im konkreten Fall hat schon das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, dass der gegen den Kläger erhobene strafrechtliche Vorwurf des (schweren) Betruges durch Urkundenfälschung auch nach der rechtskräftigen Beendigung des Erbrechtsstreites vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien noch keineswegs endgültig erhärtet war, mangels Bindung des Strafgerichtes an diese Entscheidung des Zivilrichters vielmehr eine abweichende Beurteilung des Verhaltens des Klägers im Strafverfahren immer noch im Bereich der Möglichkeit lag. Die Berechtigung der Beklagten, ungeachtet der Kenntnis der gegen den Kläger vorgebrachten Anschuldigungen zur Vermeidung des Risikos einer unberechtigten Entlassung mit dem Ausspruch dieser dienstrechtlichen Maßnahme bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zuzuwarten, kann unter diesen Umständen um so weniger in Zweifel gezogen werden, als ja der Kläger gegenüber seiner Dienstgeberin die Berechtigung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe immer wieder bestritten und jedes strafbare Verhalten in Abrede gestellt hatte. Gerade der Umstand, dass der Kläger den Vorwurf der Testamentsverfälschung bis zuletzt strikt geleugnet und der Beklagten damit den wahren Sachverhalt bewusst verschwiegen hatte, nimmt ihm das Recht, sich jetzt auf einen schlüssigen Verzicht der Beklagten auf ihr Entlassungsrecht zu berufen, welcher ja in jedem Fall die volle Kenntnis der Beklagten von den Verfehlungen des Klägers voraussetzen würde. Die Einwendung des Klägers, dass die Beklagte die Entlassung schon früher hätte aussprechen können, läuft bei dieser Sachlage auf nichts anderes als eine – gegen Treu und Glauben verstoßende und daher unzulässige – Berufung auf seine eigene Unredlichkeit hinaus, macht doch der Kläger damit der Beklagten den Vorwurf, sie hätte ihm schon früher misstrauen und rechtzeitig erkennen müssen, dass seine Behauptungen nicht den Tatsachen entsprachen und dass er die ihm angelastete, von ihm aber immer bestrittene strafbare Handlung in Wahrheit doch begangen hatte.

Auch die Revisionsausführungen des Klägers sind nicht geeignet, diese – bereits dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende – Rechtsauffassung zu widerlegen: Auch wenn dem Landesarbeitsamt * schon im Herbst 1973 „alle den Kläger belastenden Momente ... bekannt waren“, kann daraus noch keineswegs eine Verpflichtung der Beklagten abgeleitet werden, schon in diesem Zeitpunkt auf Grund solcher – wenn auch gewichtiger – Verdachtsmomente die Entlassung des Klägers auszusprechen; die Beklagte war vielmehr im Sinne der obigen Rechtsausführungen durchaus berechtigt, vorerst das Ergebnis der Prüfung dieser Verdachtsgründe durch das Strafgericht abzuwarten, ehe sie eine so schwerwiegende dienstrechtliche Konsequenz zog. Dass sie dann letzten Endes die Entlassung doch noch vor dem Abschluss des Strafverfahrens ausgesprochen – und damit das Risiko einer abweichenden Beurteilung des Verhaltens des Klägers durch das Strafgericht auf sich genommen – hat, kann ihr schon deshalb nicht zum Nachteil gereichen, weil es allein dem Dienstgeber überlassen bleibt, ob und wann er aus dem Verlauf der Strafuntersuchung allenfalls doch schon vor ihrer rechtskräftigen Beendigung die Überzeugung gewinnt, dass bereits die bisherigen Verfahrensergebnisse eine Entlassung des Arbeitnehmers rechtfertigen (Arb 6282). Für den Standpunkt des Klägers ist aus dem Umstand, dass die Beklagte seine Entlassung damit früher als notwendig ausgesprochen hat, jedenfalls ebensowenig zu gewinnen wie daraus, dass sich die Beklagte vom Oktober 1973 bis Frühjahr 1975 um den Stand des Strafverfahrens nicht gekümmert, keine Akteneinsicht genommen und auch sonst nichts getan hatte, um sich über die den Kläger belastenden Umstände näher zu informieren. Dass der Kläger aus seiner Weiterbeschäftigung durch die Beklagte schon deshalb nicht nach Treu und Glauben auf einen Verzicht der Beklagten auf ihr Entlassungsrecht schließen konnte, weil er selbst die ihm angelasteten Verfehlungen immer geleugnet und dadurch die Klarstellung des Sachverhalts hinausgezögert hat, ist schon oben ausgeführt worden; andere Umstände, aus denen ein solcher Verzicht der Beklagten abzuleiten wäre, liegen aber nach den Feststellungen der Untergerichte nicht vor.

Die Revision ist schließlich auch insoweit nicht im Recht, als sie im angefochtenen Urteil eine Feststellung darüber vermisst, dass die Vorgesetzten des Klägers schon im Oktober 1973 über den gesamten den Kläger belastenden Sachverhalt informiert waren, dass diese Information durch entsprechende Eintragungen im Personalakt des Klägers aktenkundig gemacht worden war und dass diese Umstände auch dem Leiter des Landesarbeitsamtes *, Hofrat Dr. Hü*, zumindest bei der Verfassung der Dienstbeschreibungen des Klägers in den Jahren 1973 und 1974 bekannt sein mussten; da es im Sinne der obigen Rechtsausführungen nicht auf die Kenntnis der den Kläger belastenden Verdachts momente, sondern nur darauf ankommt, in welchen Zeitpunkt der gesamte den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit begründende Sachverhaltder Beklagten bekannt geworden ist, eine solche Kenntnis aber im konkreten Fall insbesondere wegen der leugnenden Verantwortung des Klägers nicht vor dem Abschluss des Strafverfahrens angenommen werden kann, betreffen die vom Kläger vermissten Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Umstände; der in der Revision – auch unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO – gerügte Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.

Die angeführten Erwägungen führen zur Bestätigung des Berufungsurteils, wobei allerdings im Hinblick darauf, dass der Kläger sein Zahlungsbegehren von S 98.874,80 brutto sA auch nach der Außerstreitstellung in der Verhandlungstagsatzung vom 1. 12. 1976 bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung nicht eingeschränkt hat, der Spruch der abweisenden Berufungsentscheidung entsprechend zu berichtigen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO