1Ob633/77 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Reithofer und Dr. Petrasch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* G*, vertreten durch Dr. Karl Schachner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Z* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Ernst Brande, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 250.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 3. März 1977, GZ 41 R 84/77 10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt-Wien vom 8. Dezember 1976, GZ 38 C 845/76 6, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies das Klagebegehren des Inhalts, es werde festgestellt, daß der beklagten Partei aus dem zwischen ihr und der klagenden Partei und deren Rechtsvorgänger, dem am * 1969 verstorbenen H* G*, beendeten Bestandverhältnisses hinsichtlich des Z* mit dem Standort in *, keine Schadenersatzansprüche oder sonst irgendwelche Forderungen zustehen, ohne Aufnahme von Beweisen ab.
Es ging auf Grund des unbestrittenen beiderseitigen Vorbringens davon aus, daß die klagende Partei als frühere Pächterin des genannten Etablissements zu 12 Cg 200/75 des Handelsgerichtes Wien gegen die beklagte Partei als Verpächterin eine Klage auf Ersatz von Investitionen für das Bestandobjekt in Höhe von S 824.998,02 eingebracht habe. In diesem Verfahren habe die beklagte Partei compensando bis zur Höhe der Klagsforderung eine auf Verletzung der Bestimmungen des § 1096 ABGB (richtig § 1111 ABGB) durch die klagende Partei gestützte Gegenforderung in Höhe von S 900.000,-- zuzüglich der Umsatzsteuer eingewendet, auf die sich die konkrete negative Feststellungsklage beziehe.
Rechtliche sei diese Forderung, wie das Erstgericht ausführte, bereits Gegenstand eines anhängigen Leistungsprozesses, sodaß es einerseits am Feststellungsinteresse mangle und die Feststellungsklage andererseits im Hinblick auf das bereits anhängige Leistungsverfahren unzulässig sei.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge, hob es auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei es aussprach, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei.
Das Gericht zweiter Instanz führte aus, es bedürfe keiner weiteren Erörterung, daß eine gegen ein Zahlungsbegehren compensando eingewendete auf Schadenersatz gestützte Gegenforderung der beklagten Partei eine ernstliche und gegenwärtige Gefährdung der Rechtslage der klagenden Partei bedeute und dieser daher an sich ein rechtliches Interesse an der Beseitigung dieser Gefährdung zugebilligt werden müsse. Nur dann, wenn der klagenden Partei die negative Feststellungsklage keinen weitergehenden Rechtsschutz gegen die Rechtsanmaßung der beklagten Partei bieten könnte, wäre das rechtliche Interesse für eine solche Klage nicht gegeben. Eine derartige Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes für die klagende Partei sei jedoch hier nicht gegeben. Gemäß § 411 Abs 1 letzter Satz ZPO sei die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand einer von der beklagten Partei zur Kompensation geltend gemachten Gegenforderung der Rechtskraft nur bis zur Höhe des Betrages teilhaftig, mit welchem aufgerechnet werden soll. Die Rechtskraft der Entscheidung über die Gegenforderung könne daher nie über den Betrag der Klagsforderung hinausgehen. Der rechtskräftige Spruch über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung hänge ferner auch davon ab, ob die Klagsforderung begründet und die Aufrechnung überhaupt zulässig sei. Darüber hinaus sei eine Zurücknahme der Aufrechnungseinrede ohne Anspruchsverzicht jederzeit möglich. Aus all diesen Gründen vertrete die herrschende Lehre und Rechtsprechung auch die Auffassung, daß die Geltendmachung einer Gegenforderung zur Kompensation Streitanhängigkeit nicht begründe. Ein Zwischenantrag der klagenden Partei auf Feststellung des Nichtbestehens der eingewendeten Gegenforderung wäre mangels Präjudizialität unzulässig. Das Erstgericht habe daher die Klage zu Unrecht mangels Feststellungsinteresses abgewiesen.
Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht, habe das Erstgericht die Aufnahme jeglicher Beweise unterlassen, so daß auch die Mängelrüge gerechtfertigt sei.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Rekurs (unrichtig: Revisionsrekurs) der beklagten Partei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Ergebnis nicht gerechtfertigt.
Die Bestimmung des § 228 ZPO läßt eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes zu, wenn ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung gegeben ist. Für eine negative Feststellungsklage liegt das rechtliche Interesse darin, daß die beklagte Partei das Recht behauptet, wobei es gleichgültig ist, ob dieses Recht bei objektiver rechtlicher Beurteilung überhaupt bestehen kann ( Fasching, III, S 67). Die negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (SZ 26/116; 39/92; SZ 40/3 u.v.a.). Das Interesse ist zu bejahen, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien verhindert werden können (EvBl 1969, Nr 411, S 633 u.a.). Wesentlich ist aber, daß die Berühmung eine Gefährdung der Rechtsstellung der klagenden Partei im Gefolge hat (SZ 32/89 u.a.). Wie sich nun schon aus der Klagebeantwortung ergibt, behauptet die beklagte Partei eine, ihr aus der Verletzung der im Pachtvertrag übernommenen Verpflichtungen durch die klagende Partei bzw. deren Rechtsvorgänger und insbesondere auf Grund der Bestimmungen des § 1096 ABGB (richtig wohl: § 1111 ABGB), zustehende Schadenersatzforderung von mindestens 1.000.000,-- S.
Auszugehen ist davon, daß die Bestimmung des § 228 ZPO eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes dann zuläßt, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß dessen Nichtbestand alsbald festgestellt werde. Das rechtliche Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtes besteht nur dann, wenn der Beklagte ein solches Recht zu haben behauptet. Es genügt dazu eine den Kläger belastende Berühmung verbunden mit einer dadurch bewirkten Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers. Um das im § 228 ZPO geforderte rechtliche Interesse bejahen zu können, muß die begehrte Feststellung das zur Beseitigung dieser Gefährdung geeignete Mittel bilden ( Fasching, Kommentar zur ZPO III S 65 ff).
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß die einredeweise Geltendmachung einer Gegenforderung zur Aufrechnung nicht Streitanhängigkeit begründet ( FaschingaaO S 94, SprR 40 neu = SZ 28/25 = EvBl 1955 Nr 122 = JBl 1955 S 201 = RZ 1955 S 93). Die Aufrechnungseinrede muß nicht zu einer Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand der behaupteten Gegenforderung führen. Eine derartige Entscheidung hängt nicht nur davon ab, daß die Klagsforderung begründet ist, sondern weiter auch davon, daß die Aufrechnung zulässig ist. Die Aussicht für die Klägerin, einen rechtskräftigen Spruch über den Nichtbestand der von der beklagten Partei in dem zu 12 Cg 200/75 des Handelsgerichtes Wien aufrechnungsweise geltendgemachten und auf § 1111 ABGB gestützten Ersatzforderung zu erlangen, erscheint daher durchaus ungewiß und von Umständen abhängig, die mit dem Bestand oder Nichtbestand dieser Gegenforderung nichts zu tun haben. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, daß die beklagte Partei die erhobene Aufrechnungseinrede bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung zurücknehmen könnte. So gesehen stünde also die von der beklagten Partei in dem parallel geführten Leistungsstreit erhobene Aufrechnungseinrede der gegenständlichen Feststellungsklage nicht entgegen.
Da der Mangel des rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu beachten ist (SZ 24/267, SZ 26/116, SZ 34/171, JBl 1965 S 316 = MietSlg 16.652 u.a.) ist auf einen bisher unerörtert gebliebenen entscheidungswesentlichen Gesichtspunkt hinzuweisen. Gemäß § 111 ABGB haftet der Mieter und Pächter für eine schuldhafte Beschädigung des Bestandgegenstandes; der Bestandgeber muß jedoch den Ersatz aus dieser Haftung längstens binnen einem Jahr nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern, ansonsten das Recht erloschen ist. Diese Präklusivfrist ist auch gewahrt, wenn der Bestandgeber innerhalb ihrer seinen Anspruch in Form einer Aufrechnungseinrede geltend gemacht hat ( Klang in Klang 2V S 95). Daß die gerichtliche Forderung, um die im § 1111 ABGB genannte Wirkung zu erreichen, mit Klage erfolgen müsse, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, so daß auch die aufrechnungsweise Geltendmachung des Ersatzanspruches als gerichtliches Fordern zu werten ist. Da § 1111 ABGB als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Rechtes die gerichtliche Forderung bezeichnet, ohne zu unterscheiden, in welcher Form die gerichtliche Forderung erhoben werden muß, ist die Ansicht gerechtfertigt, daß sie auch einredeweise erfolgen kann (RZ 1934 S 113).
Im gegenständlichen Verfahren wurden bisher keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob die beklagte Partei ihre Aufrechnungseinrede im Parallelprozeß innerhalb der im § 1111 ABGB normierten Jahresfrist erhoben hat. Hätte die beklagte Partei diese Frist gewahrt, dann könnte der Klägerin im Sinne der vorstehenden Ausführungen ein rechtliches Interesse an dem gestellten Feststellungsbegehren nicht abgesprochen werden.
Anders würde sich die Rechtslage darstellen, wenn die beklagte Partei die von ihr nach § 1111 ABGB zu beobachtende Frist nicht eingehalten, die Aufrechnungseinrede also nicht binnen einem Jahr nach Rückstellung des Bestandobjektes erhoben haben sollte. In diesem Falle könnte die Berühmung der beklagten Partei, eine auf § 1111 ABGB zu stützende Ersatzforderung gegenüber der Klägerin zu haben, deren Rechtsstellung nicht gefährden, weil diese durch die Bestimmung des § 1111 ABGB im Sinne eines Rechtsverlustes eindeutig geklärt erschiene.
Aus dem aufgezeigten Grunde erweist sich der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes als gerechtfertigt, so daß dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben muß.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.