7Ob518/76 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, Kaffeehausbesitzer in *, vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechts-anwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei A*, Bautechniker in *, vertreten durch Dr. Helmuth Ebner, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 150.000,-- s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 30. Oktober 1975, GZ 5 R 160/75 17, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. Juli 1975, GZ 18 Cg 152/75 11, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurskosten sind als weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu betrachten.
Text
Begründung:
Der Kläger beau f tragte im Jahre 1967 den Beklagten mit der Planung und Bauaufsicht über einen zu errichtenden Neubau mit einem Kaffeehaus und einer Kegelbahn. Die festgelegte Baukostensumme sollte 1 Million Schilling nicht übersteigen. Mit der Durchführung der Bauarbeiten wurde vom Kläger der Maurermeister F* beauftragt, der auf Grund der Ausschreibung des Beklagten ein Anbot in der Höhe von 1.062.67 3, 20 S erstellt hatte. Die von F* gelegte Rechnung vom 3 1. Februar 1968 lautete j edoch auf 1.5 3 9.6 3 4,40 S. Zur GZ 17 Cg 507/70 des Erstgerichtes begehrte F* vom Kläger 522.5 33,30 S s.A. Darin ist ein Betrag von 509.6 3 4,70 S für die von F* an jenem Neubau geleisteten Arbeiten enthalten. In diesem Rechtsstreit trat am 7. September 1972 Ruhe des Verfahrens ein.
Im gegenwärtigen Verfahren trug das Erstgericht zur Deckung der Gebühren des zugelassenen Bausachverständigen in der Tagsatzung vom 6. Juni 1974 die Einzahlung von Kostenvorschüssen von je 2.000,-- S binnen 3 Wochen auf (ON 5). Während dieser Betrag vom Beklagten bereits am 2. Juli 1974 erlegt worden war, zahlte der Kläger den Kostenvorschuß erst am 8. April 1975 ein. Das Verfahren wurde über Antrag des Klägers vom 1. April 1975 (ON 8) fortgesetzt und eine weitere Verhandlungstagsatzung auf den 3. Juli 1975 anberaumt.
Mit seiner beim Erstgericht am 15. März 197 4 eingebrachten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten die Bezahlung von 150.000,-- S samt Nebengebühren. Er wäre mit einer Auftragserteilung an F* nur dann einverstanden gewesen, wenn sich dieser zum kostenlosen Einbau eines vom Kläger günstig erworbenen Öltanks bereiterklärt hätte. Obwohl dieses Ansinnen von F* abgelehnt worden sei, habe der Beklagte trotzdem den Bauauftrag erteilt und dem Kläger bekanntgegeben, daß F* die von ihm bestellte Bedingung akzeptiert habe. Außerdem seien dem Beklagten bei der Planung Fehler unterlaufen, durch die dem Kläger finanzielle Nachteile von ca. 3 80.000,-- S entstanden seien, wovon zunächst nur ein Teilbetrag von 150.000,-- S geltend gemacht werde. Der Beklagte bestreitet das Klagsvorbringen, beantragt Klagsabweisung und behauptet, daß die Klagsforderung bereits verjährt sei. Spätestens bei einer am 1. September 1970 mit F* stattgefundenen Besprechung habe der Kläger alle für seinen nunmehrigen Prozeßstandpunkt erforderlichen Umstände erfahren.
Das Erstgericht wies das Klagsbegehren ab. Es war der Ansicht, daß der Kläger seit der vorgenannten Besprechung vom 1. Juli 1971 (richtig wohl 1. September 1970) hätte wissen müssen, daß die von F* gegen ihn erhobene Forderung zum Großteil zu Recht bestehe. Bereits mit diesem Zeitpunkt habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Im Zeitpunkt der Klagserhebung sei daher der Klagsanspruch bereits verjährt gewesen.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Seiner Meinung nach wären dem Kläger, wenn er tatsächlich bei einer Besprechung mit F* dessen Rechnung in Ordnung gefunden haben sollte, bereits zu diesem Zeitpunkt alle Grundlagen für eine Klageführung gegen den Beklagten zur Verfügung gestanden. Er hätte daher zur Verhinderung der Verjährung eine Feststellungsklage einbringen können. Über den Zeitpunkt der vorerwähnten Besprechung mit F* habe das Erstgericht wohl Feststellungen getroffen, hiebei jedoch gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen, weil es die von M* im Vorprozeß 17 Cg 507/70 abgelegte Zeugenaussage verwertet habe. Das Erstgericht werde daher die zur Frage der Verjährung beantragten Beweise aufzunehmen und im zweiten Rechtsgang auch zu erörtern haben, inwieweit die in dem Rechtsstreit 17 Cg 507/70 durch den Kläger erfolgte Streitverkündung an den Beklagten für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist Bedeutung zukomme, wenn sich herausstellen sollte, daß die vorgenannte Unterredung erst nach dem 13. Jänner 1971 stattgefunden hat. Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung der Klage sei hingegen nicht eingetreten, weil mit dem nicht rechtzeitigen Erlag des aufgetragenen Kostenvorschusses für den Kläger keinerlei Präklusionsfolgen verbunden gewesen seien.
Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Mit Recht verneinte das Berufungsgericht die von der Rekurswerberin behauptete Verjährung des Klagsanspruches wegen nicht gehöriger Fortsetzung der Klage. Hievon kann nämlich nur dann die Rede sein, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die darauf schließen läßt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts mehr gelegen ist (Klang² VI, S. 656 f , Ehrenzweig 2/1 S. 321 f, SZ 43/29 und 176). Der Kläger hat allerdings den ihm vom Erstgericht und auferlegten Kostenvorschuß nicht innerhalb der erteilten Frist eingezahlt. Das Erstgericht hat jedoch für den Fall des nicht rechtzeitigen Erlages des Kostenvorschusses keinerlei Rechtsfolgen im Sinne des § 365 (332 Abs. 2) ZPO angedroht. Es hätte daher ungeachtet des nicht rechtzeitigen Erlages des Kostenvorschusses durch den Kläger das Verfahren durch Anberaumung einer weiteren Tagsatzung fortsetzen müssen. Ein dem Ruhen des Verfahrens ähnlicher Prozeßstillstand ist somit gar nicht eingetreten. Für den Kläger bestand daher auch keine Veranlassung, weitere Schritte zur Fortsetzung des Verfahrens einzuleiten, weil es nicht seine Sache war, das säumige Prozeßgericht zu betreiben (SZ 37/134, SZ 41/85, EvB l 1973/157).
Im übrigen ist davon auszugehen, daß die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB erst dann zu laufen beginnt, wenn der Geschädigte den Eintritt des Schadens und die Person des Schädigers kennt. Dies ist aber erst dann der Fall, wenn dem Geschädigten der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt so weit bekannt ist, daß er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben könnte (SZ 18/171, 20/2 3 6, 40/40, ZVR 1956/127 u.a.m.). Der Geschädigte muß allerdings nicht die Möglichkeit zur Einbringung einer Leistungsklage haben, sondern es genügt bereits, wenn er eine Feststellungsklage erheben könnte (Klang² VI, S. 6 3 5 f, 2 Ob 333/74), für die hinsichtlich der Verjährung dieselben Grundsätze wie bei der Leistungsklage gelten (RZ 1972/1 3 5, 2 Ob 180/181/7 3 ). Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört aber bei geltend gemachter Verschuldenshaftung auch die Kenntnis des Geschädigten von jenen Umständen, aus denen das Verschulden des Schädigers hervorgeht, es sei denn, daß sich dieses schon aus der offenkundigen Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens selbst ergibt (7 Ob 259/56, 7 Ob 3 57/65, 8 Ob 21 3 /66 zuletzt 7 Ob 58/70). Hievon kann jedoch dann keine Rede sein, wenn die Erkennbarkeit der für das Verschulden maßgebenden Zusammenhänge eine besondere Fachkunde erfordert, über die der Geschädigte als Laie nicht verfügt. In diesem Falle beginnt die Verjährungsfrist solange nicht zu laufen, als die Unkenntnis des Geschädigten über die für das Verschulden des Schädigers maßgebenden Umstände andauert, mag auch der Schaden und die Person des Schädigers bereits bekannt gewesen sein (7 Ob 3 57/65, 7 Ob 58/70), denn erst dann ist dem Geschädigten eine Klageführung zumutbar.
Unter diesem Gesichtspunkt kann der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht gefolgt werden, daß dem Kläger nach seiner Besprechung mit F*, bei der er dessen Rechnung in Ordnung befunden haben soll, eine Klagsführung wegen den Rekurswerber zumutbar gewesen wäre. Ab diesem Zeitpunkt mußte sich allerdings der Kläger im Klaren sein, daß die Rechnung des F* nicht überhöht sei und möglicherweise der Rekurswerber für die Überschreitung des Kostenvoranschlages verantwortlich sein könnte. Es bestand aber auch die Möglichkeit, daß die Kostenüberschreitung auf Lohnerhöhungen und nicht vorhersehbare Bauerschwernisse (z.B. unerwartetes Auftreten von Grundwasser udgl.) zurückzuführen sei, die der Rekurswerber nicht zu verantworten hätte. Allfällige Planungsfehler des Rekurswerbers konnte aber der Kläger, der über kein besonderes Fachwissen auf dem Gebiete des Bauwesens verfügt, nicht erkennen, soferne er nicht über deren Vorhandensein bei der vorgenannten Besprechung von F* aufgeklärt worden sein sollte. Sollte hingegen bei dieser Unterredung, wie der Kläger behauptet, F* nur geringfügige Abstriche vom Rechnungsbetrag gemacht und eine Kreditbeschaffung angeboten haben, wird das Erstgericht davon auszugehen haben, daß der Kläger von allfälligen Planungsfehlern des Rekurswerbers erst durch das im Rech t sstreit 17 Cg 507/70 des Erstgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten erfahren hat, dessen Zustellung an seinen Rechtsvertreter am 5. Juni 1972 verfügt wurde, es sei denn, daß der Rekurswerber Umstände dartut und unter Beweis stellt, die auf eine frühere Kenntnis des Klägers schließen lassen. Ob hingegen der Kläger bei der vorgenannten Unterredung die Rechnung des F* als richtig anerkannt hat, ist für die Frage der Verjährung des aus allfälligen Planungsfehlern des Rekurswerbers resultierenden Schadenersatzanspruches des Klägers ohne Bedeutung. Der Umstand, daß der Kläger bereits früher über das nunmehr behauptete Verschulden des Rekurswerbers Nachforschungen hätte anstellen können, ist für den Beginn der Verjährungsfrist ohne Bedeutung, weil die bloße Möglichkeit der Ermittlung der einschlägigen Tatsachen im Sinne des § 1489 ABGB deren Bekanntsein nicht zu ersetzen vermag (ZVR 1960/129). Außerdem hätten solche Nachforschungen ein Sachverständigengutachten erfordert, das ohnedies in der Rechtesache 17 Cg 507/70 des Erstgerichtes eingeholt werden mußte. Auch die in diesem Rechtsstreit erfolgte Streitverkündung des Klägers an den Rekurswerber ist für den Beginn der Verjährungsfrist ohne Bedeutung, weil der dort verklagte Kläger weiterhin die Klagsforderung bestritt und nur für den Fall seines Unterliegens Schadenersatzansprüche gegen den Rekurswerber in Aussicht stellte. In dem vorbereitenden Schriftsatz ON 7 hielt der nunmehrige Kläger ebenfalls seine Bestreitung der Klagsforderung aufrecht.
Für die Frage der Verjährung des vom Kläger auf die vereinbarungswidrige Vergabe des Bauauftrages gestützten Schadenersatzanspruches (Einbaukosten des Öltanks) ist hingegen von Bedeutung, wann der Kläger erstmals davon erfuhr, daß der Rekurswerber die ihm erteilten Aufträge (kostenlosen Einbau des Öltanks durch F*) nicht beachtet hat. Der Kläger behauptet, hievon erst im Zuge des Rechtsstreites 17 Cg 507/70 des Erstgerichtes Kenntnis erlangt zu haben.
Über den genauen Zeitpunkt und den Inhalt des zwischen dem Kläger und F* geführten Gespräches enthält das Ersturteil nur völlig unzureichende Feststellungen, dem auch nicht entnommen werden kann, wann der Kläger erstmals von der vereinbarungswidrigen Vergabe des Bauauftrages durch den Rekurswerber Kenntnis erlangt hat. Mit Recht erachtete daher das Berufungsgericht die gegenständliche Rechtssache nicht für spruchreif. Das Erstgericht wird im zweiten Rechtsgang sein Verfahren im Sinne der vorangehenden Darlegungen zu ergänzen haben. Sollte sich hiebei herausstellen, daß die Klage nach Verstreichen der Verjährungsfrist eingebracht wurde, so wird das Erstgericht noch zu prüfen haben, ob durch die zwischen den Streitteilen vor der Klagserhebung geführten Vergleichsverhandlungen der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt wurde. Hiebei wird davon auszugehen sein, daß die Einrede der Verjährung erst dann mit Erfolg erhoben werden kann, wenn der Geschädigte nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen nicht innerhalb einer angemessenen, in der Regel nur kurz zu bemessenden Frist die Verjährung durch Klagserhebung unterbrochen hat (SZ 3 1/ 3 1, 3 8/72, ZVR 1970/ 3 9 u.a.m.).
Dem Rekurs des Beklagten war somit nicht Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.