JudikaturJustizRS0129836

RS0129836 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
24. Mai 2016

Beugemittel dienen alleine der Erzwingung künftigen pflichtgemäßen Verhaltens und stellen daher keine „Strafen“ im eigentlichen Sinn dar. Anwendung von Beugehaft kommt daher ‑ abgesehen vom Erreichen der gesetzlich bestimmten Höchstdauer (§ 93 Abs 4 StPO) oder nicht mehr gegebener Verhältnismäßigkeit (§ 93 Abs 1 StPO) der Haft ‑ auch nicht mehr in Frage, sobald der Betroffene seine Pflicht erfüllt hat oder die Voraussetzungen für ihre Verhängung aus anderen Gründen nicht mehr vorliegen. Davon ist im Falle der (unberechtigten) Aussageverweigerung jedenfalls dann auszugehen, wenn die Aussage, die erzwungen werden soll, etwa im Hinblick auf andere Beweismittel entbehrlich ist oder das Verfahren (beispielsweise durch Einstellung) beendet worden ist. Sobald solcherart die Voraussetzungen für die Maßnahme nicht mehr vorliegen, ist selbst eine bereits verhängte Beugehaft nicht mehr zu vollziehen, eine bereits begonnene Beugehaft aufzuheben. Die in der Hauptverhandlung zur Erzwingung der Ablegung einer Zeugenaussage angeordnete Beugehaft darf nach Schluss des Beweisverfahrens und Fällung eines ‑ wenn auch nicht rechtskräftigen ‑ Urteils nicht mehr vollzogen werden, weil die Zeugenaussage danach nicht mehr mit Wirksamkeit für das Verfahren erster Instanz abgelegt werden kann und damit der legitime Zweck einer Aussageerzwingung weggefallen ist.

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2